Stuttgart: Polizei wehrt sich gegen Kritik an Ermittlungen

dpa/lsw Stuttgart. Viel Lärm um nichts, so scheint es. Im Streit um den Migrationshintergrund der Täter der Stuttgarter Krawallnacht glätten sich die Wogen. Die Grünen bitten um Nachsicht für einen ihrer Parlamentarier. Der allerdings ruft weiter zur Debatte auf.

Stuttgart: Polizei wehrt sich gegen Kritik an Ermittlungen

Polizeieinheiten sammeln sich, um gegen Randalierer vorzugehen. Foto: Simon Adomat/dpa/Archivbild

Nach der hitzigen Debatte um Nachforschungen zur Herkunft der Stuttgarter Randalierer geht die kritisierte Stuttgarter Polizei in die Offensive. Polizeipräsident Franz Lutz wehrte sich gegen Vorwürfe und sagte in einem Zeitungsinterview, er habe den umstrittenen Begriff „Stammbaumrecherche“ in seinen Ausführungen im Stuttgarter Gemeinderat nicht verwendet - „weder wörtlich, wie es behauptet wird, noch indirekt“, sagte Lutz den „Stuttgarter Nachrichten“ (online/Dienstag). Ministerpräsident Winfried Kretschmann stärkte dem Polizeichef den Rücken und nannte die Debatte „völlig vergiftet“.

„Ich kann kein Fehlverhalten der Polizei erkennen“, sagte der Regierungschef am Dienstag in Stuttgart. Es sei wichtig, mehr über die mutmaßlichen Täter der Stuttgarter Krawallnacht und auch über ihre Lebensumstände zu erfahren - „und das ohne Ansehen der Person“, sagte der Grünen-Politiker. Das sei auch nicht problematisch, solange man sich dabei an das Gesetz halte.

Nach einer Gemeinderatssitzung war die Debatte aufgekommen, ob Polizeipräsident Lutz im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen Randalierer von einer „Stammbaumrecherche“ gesprochen hatte. Der Grünen-Stadtrat Marcel Roth hatte eine Äußerung des Polizeichefs auf seiner Facebook-Seite entsprechend interpretiert.

Die Fraktion der Grünen im Stadtparlament hat inzwischen um Entschuldigung gebeten. „Wir bedauern, dass ausgehend von einem Mitglied unserer Fraktion die Arbeit der Polizei in Stuttgart in ein schlechtes Licht gerückt wurde“, heißt es in einer Stellungnahme der Grünen. Roth bleibt allerdings bei seiner Kritik am Vorgehen der Polizei: „Es geht um die Sache, nicht um den Begriff“, kommentierte er auf Facebook.

Im Zeitungsinterview betonte Lutz: „Besonders bei Strafsachen von Jugendlichen und Tatverdächtigen unter 21 Jahren (...) ist die Überprüfung der Lebens- und Familienverhältnisse Aufgabe der Jugendhilfe im Strafverfahren und dient der Staatsanwaltschaft und den Gerichten als Entscheidungshilfe.“ Das könne auch bedeuten, dass die Nationalität der Eltern von Tatverdächtigen durch eine Anfrage beim Standesamt erhoben werde. Das sei eine polizeiliche Standardmaßnahme.

Baden-Württembergs oberster Datenschützer hat allerdings noch Zweifel am Vorgehen der Polizisten: „Ich würde gerne wissen, in welchem Kontext die Staatsangehörigkeit der Eltern von Verdächtigen eine Rolle spielen soll - also welchen Bezug sie zur möglichen Straftat hat“, sagte Stefan Brink der „Schwäbischen Zeitung“. „Den kann ich bei den zur Diskussion stehenden Fällen in Stuttgart auf Anhieb erst einmal nicht erkennen.“

In Stuttgart hatte es in der Nacht zum 21. Juni schwere Auseinandersetzungen gegeben. Randalierer hatten Schaufenster zerstört und Geschäfte geplündert. Nach Angaben der Polizei waren 400 bis 500 Menschen an den Ausschreitungen beteiligt oder hatten zugeschaut. 32 Polizisten wurden verletzt. 44 Verdächtige wurden ermittelt. Die Polizei wird kritisiert, weil sie nach eigenen Angaben bei 11 ermittelten Tatverdächtigen über die Standesämter die Nationalität der Eltern erfragt hat, nachdem in der Vernehmung Angaben zur Herkunft verweigert worden waren.