Nach Streitgespräch mit der AfD

Kretschmann lobt Palmers Experiment: „Hätten alle früher damit anfangen sollen“

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kann dem Versuch seines ehemaligen Parteikollegen, mit der AfD inhaltlich zu diskutieren, vieles abgewinnen.

Kretschmann lobt Palmers Experiment: „Hätten alle früher damit anfangen sollen“

Winfried Kretschmann und Boris Palmer sind zwar keine Parteikollegen mehr, aber pflegen nach wie vor ein freundschaftliches Verhältnis.

Von Florian Dürr

Die Reaktionen auf Boris Palmers AfD-Experiment waren gemischt: Die einen lobten den Versuch, die Rechtspopulisten in eine inhaltliche Diskussion zu zwingen, die anderen kritisierten das Format – oder warfen dem parteilosen Tübinger OB vor, der Rechtsaußen-Partei unnötig eine Bühne zu geben und auf diese Weise ihrem Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im kommenden Jahr, Markus Frohnmaier, zu deutlich mehr Bekanntheit zu verhelfen.

Aus dem Streitgespräch könne man „viel Erfahrung“ ziehen, so Kretschmann

Jetzt hat sich auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu Wort gemeldet: „Es verdient Respekt, dass er es gemacht hat“, lobte der 77-Jährige gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“ seinen ehemaligen Parteikollegen, zu dem er immer noch ein freundschaftliches Verhältnis pflegt. Man könne aus Palmers Experiment „viel Erfahrung“ ziehen, so Kretschmann laut dem Bericht: „Dann sieht man, wo sind die Schwächen, wo funktioniert es, wo nicht.“

Für den Landesvater ist das Streitgespräch zwischen dem Tübinger OB und dem AfD-Co-Landeschef Markus Frohnmaier ein Indiz dafür, „dass wir alle damit hätten früher anfangen sollen“, sagte der Grünen-Politiker gegenüber der Zeitung: „Dann wäre es erst gar nicht so weit gekommen. Davon bin ich überzeugt.“ Denn in Wahlumfragen legt die AfD immer weiter zu: In manchen landet die sogenannte Alternative für Deutschland gar als stärkste Kraft vor CDU und CSU.

Kretschmann zum Umgang mit der AfD: „Nur mit Empörung reagiert“

Die anderen Parteien – seine eigene eingeschlossen – hätten „generell zu spät angefangen, die AfD inhaltlich zu stellen“, sagte Kretschmann, „und deutlich zu machen, welche ganz konkreten negativen Folgen die Politik der AfD für unsere Wirtschaft, für Wohlstand und Arbeitsplätze, aber auch für die europäische Einigung hätte“.

Der 77-Jährige übt in dem Bericht auch Selbstkritik: „Wir haben jahrelang nur mit Empörung reagiert. Und jetzt sehen wir, dass das nicht gewirkt hat.“ Für den künftigen Umgang mit der AfD bleibt die Frage, ob Palmers Strategie einen Effekt haben wird und wieder mehr Wählerinnen und Wähler zurückholt? Der Tübinger OB gibt sich auf seiner Facebook-Seite optimistisch: „Das Experiment hat viele Hinweise erbracht, wie man die AfD auf dem inhaltlichen Feld schlagen könnte“, schreibt Palmer: „Ich hoffe, dass dies in Zukunft anderen immer öfter gelingt.“