Grün-Schwarz: „Knopf“ an Nachtrag mit neuen Schulden machen

dpa/lsw Stuttgart. Der Nachtragshaushalt im vergangenen Corona-Jahr war Landesrekord: 13,5 Milliarden Euro neue Schulden. Nun will Grün-Schwarz weitere Kredite aufnehmen - in einem „schmalen Nachtrag“. Aber was ist schmal?

Grün-Schwarz: „Knopf“ an Nachtrag mit neuen Schulden machen

Winfried Kretschmann spricht bei einer Regierungspresskonferenz zu Journalisten. Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Die grün-schwarze Landesregierung will mit dem geplanten Nachtragshaushalt neue Schulden von etwa einer Milliarde Euro aufnehmen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sagte am Dienstag in Stuttgart, der geplante Nachtragshaushalt werde ein Volumen von „über einer Milliarde“ Euro haben. Es handele sich trotzdem um einen „schmalen Nachtrag“, mit dem die Corona-Folgen abgemildert werden sollten. Die Haushaltskommission werde den Etat voraussichtlich am Dienstagabend beschließen. „Ich gehe davon aus, dass da ein Knopf drankommt.“

Die Spitzen der Koalition planen, die Corona-Krise erneut zur Naturkatastrophe zu erklären und damit die Schuldenbremse zeitweise auszusetzen. Als Deckel hat sich die Koalition hier 950 Millionen Euro für neue Kredite gesetzt. Darüber hinaus könnte Grün-Schwarz die bei der Schuldenbremse vorgesehene Konjunkturkomponente für weitere Kredite nutzen. Weil die Wirtschaft wegen Corona geschrumpft ist, könnte die Regierung nochmal über 200 Millionen Euro Schulden aufnehmen. Jedoch müssten diese Kredite schnell wieder zurückgeführt werden, wenn die Konjunktur wieder anzieht.

Die Koalitionsspitzen schalteten sich am Dienstagabend per Videokonferenz zusammen, die Sitzung sollte etwa drei Stunden dauern. Erste Lesung im Landtag soll dann am 14. Juli sein, beschlossen werden soll der Nachtrag kurz vor der parlamentarischen Sommerpause am 23. Juli. Kretschmann hatte am Mittag bekräftigt, mit dem Nachtrag solle das Programm zur Schließung von Lernlücken bei Schülerinnen und Schülern finanziert werden. Man brauche aber auch hohe Rücklagen, um für den Verlauf der Pandemie gewappnet zu sein.

Dem Vernehmen nach plant die Koalition 850 Millionen Euro für die Bewältigung der Pandemie ein. Mit etwa 100 Millionen Euro sollen Innovationen gefördert werden. Zudem muss die Bildung der neuen Regierung, also etwa das neue Bauministerium und die zusätzlichen Staatssekretäre, finanziell unterfüttert werden.

Daneben will das Land den von Corona ebenfalls gebeutelten Kommunen erneut unter die Arme greifen - auch durch Hilfen für den öffentlichen Nahverkehr. Inwieweit das über den Nachtragshaushalt geregelt werden soll, darüber sollte dem Vernehmen nach noch diskutiert werden. Doch Gemeindetag, Städtetag und Landkreistag befürchten, dass die vorgesehen Hilfen nicht reichen.

Allein dieses Jahr fehlten den Kommunen in Baden-Württemberg rund 2,5 Milliarden Euro an Einnahmen aus Steuern und dem Kommunalen Finanzausgleich, hatten die drei Verbände an die Mitglieder der Haushaltskommission geschrieben. Im vergangenen Jahr hatten Bund und Land den Kommunen im Südwesten mit 4,28 Milliarden Euro geholfen, um die Corona-Folgen abzumildern.

Die grün-schwarze Vorgängerregierung hatte Ende vergangenen Jahres zur Bewältigung der Pandemie im Nachtrag 13,5 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen - auch hier hatte man argumentiert, Corona sei als außergewöhnliche Notsituation zu verstehen. Der Haushaltskommission gehören neben Kretschmann Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne), Innenminister Thomas Strobl (CDU), die Fraktionschefs von Grünen und CDU sowie die finanzpolitischen Sprecher der beiden Fraktionen an.

Die neue Koalition will aber auch mit Investitionen eigene Akzente setzen, auch wenn die Kassen wegen der Pandemie ziemlich leer sind. So soll mehr Geld in den Ausbau des schnellen Internets und die Förderung der grünen Wasserstofftechnologie als Ersatz für fossile Brennstoffe fließen. Hier steht die Landesregierung unter Zugzwang, weil der Bund diese Projekte nur dann fördert, wenn das Land sie mitfinanziert.

Beim Breitbandausbau will das Land eine Verpflichtungsermächtigung abgeben, damit die Anträge gestellt werden können, auch wenn das Geld erst im kommenden Jahr fließt. Der Bund übernimmt dann 50 Prozent der Kosten, das Land 40 Prozent und die Kommunen 10 Prozent. Bei der Förderung der Wasserstofftechnologie muss das Land 30 Prozent dazuschießen, auch hier soll das Geld erst später fließen.

Die SPD-Opposition im Landtag zweifelt daran, dass Grün-Schwarz die neuen Schulden überhaupt braucht. „Bevor man über weitere Kredite spricht, müssen erst einmal alle vorhandenen und verfügbaren Mittel ausgegeben werden, bedarfsgerecht und nachvollziehbar. Die Landesregierung sitzt hier noch auf gewaltigen Resten, die sie verwenden könnte, wenn sie es wollte“, sagte Nicolas Fink für die SPD. „Wenn dann für ein gutes und wichtiges Ziel Geld fehlt, dann werden wir Krediten zustimmen.“

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