Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

dpa Kiew/Moskau. Der Krieg in der Ukraine dauert nunmehr fast einen Monat. Das tägliche Töten geht weiter. Macron und Putin sprechen erneut über einen möglichen Waffenstillstand. Die Entwicklungen im Überblick.

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Ein Satellitenfoto zeigt die Innenstadt des schwer umkämpften Mariupol, unter anderem das zerstörte Theater der Stadt. Foto: Planet Labs Pbc/Planet Labs PBC/AP/dpa

Nach fast einem Monat Krieg in der Ukraine gibt es weiterhin kaum Hoffnung auf Frieden. Angesichts zunehmender Gewalt gegen Zivilisten rief Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Landsleute in einer neuen Videobotschaft zum Durchhalten gegen die russischen Truppen auf.

Selenskyj ruft zum Durchhalten auf

Selenskyj appellierte an seine Landsleute, alles zu tun, um den Staat zu schützen. „Um unser Volk zu retten. Kämpft. Kämpft und helft!“ Der in Kiew ausharrende Staatschef rief dazu auf, die „Eindringlinge“ zu vertreiben. In einer Videoschalte vor dem italienischen Parlament berichtete Selenskyj am Dienstag, dass mindestens 117 Kinder getötet worden seien. Mit Blick auf die russischen Truppen fügte er hinzu: „Sie hören nicht auf zu töten.“ Vor der Schalte mit dem Parlament hatte Selenskyj nach eigenen Angaben mit Papst Franziskus telefoniert und eine Vermittlung des Vatikans befürwortet.

Die russischen Truppen haben nach Angaben des ukrainischen Generalstabs zunehmend Probleme mit dem Nachschub. Sie hätten noch Munition und Lebensmittel für höchstens drei Tage, hieß es in Kiew. Ähnlich sei die Lage beim Kraftstoff. Solche Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

Verhandlungen: „schwierig“ und „manchmal skandalös“

Die Friedensverhandlungen mit Russland bezeichnet Selenskyj als „sehr schwierig“. „Sie sind sehr schwierig, manchmal skandalös, aber wir bewegen uns Schritt für Schritt vorwärts“, sagte Selenskyj in einer in der Nacht zum Mittwoch verbreiteten Videoansprache. Vertreter der Ukraine seien tagtäglich bei den Verhandlungen im Einsatz. „Wir werden arbeiten, wir werden so viel wie möglich kämpfen. Bis zum Ende. Mutig und offen.“ Die Unterhändler seien unermüdlich im Einsatz. „Ausruhen können wir uns, wenn wir gewonnen haben.“

Gleichzeitig bedankte sich Selenskyj bei allen internationalen Kräften, die sein Land unterstützten. Er dankte vor allem den Vermittlern, „die ein reales Bild nach Moskau bringen“.

Putin und Macron besprechen Waffenstillstand

Unterdessen laufen weiterhin diplomatische Bemühungen, um den Konflikt zu beenden. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron sprach mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Bedingungen für einen Waffenstillstand.

Am Mittwoch reist US-Präsident Joe Biden nach Europa. Dort stehen unter anderem Gipfeltreffen von EU, G7 und Nato in Brüssel auf dem Programm. Nach Darstellung des Weißen Hauses sollen dort weitere Sanktionen gegen Russland angekündigt werden. Ein wichtiges Element werde dabei sein, die bestehenden Strafmaßnahmen so zu verschärfen, dass Moskau eine Umgehung der Sanktionen weiter erschwert werde, sagte der Nationale Sicherheitsbeauftragte Jake Sullivan. Er warnte allerdings auch davor, dass der Krieg noch andauern werde. „Dieser Krieg wird weder leicht noch schnell enden.“

Russlands Vize-Außenminister Sergej Rjabkow hatte zuvor betont, er sehe die Beziehungen zu den USA wegen des Kriegs am „Rand des Abbruchs“. Als Bedingungen für weitere Gespräche mit Washington nannte er ein Ende der Eskalation vonseiten der USA. „Sie müssen aufhören, Drohungen gegen Russland auszusprechen.“

Kiew: Hilfskonvoi bei Mariupol festgesetzt

Unweit der belagerten ukrainischen Hafenstadt Mariupol haben prorussische Separatisten Angaben aus Kiew zufolge einen Hilfskonvoi festgesetzt. Kämpfer der selbst ernannten Volksrepublik Donezk hätten im zehn Kilometer westlich von Mariupol gelegenen Manhusch mehrere Mitarbeiter des ukrainischen Zivilschutzes als „Geiseln“ genommen, sagte Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk im ukrainischen Fernsehen. Auch diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Die festgesetzten Menschen hätten Busse gefahren, in denen Zivilisten aus Mariupol hätten evakuiert werden sollen, sagte Wereschtschuk. Die Fluchtroute sei mit dem Internationalen Roten Kreuz abgesprochen gewesen. Mehr als 100.000 Menschen warten demnach auf eine Evakuierung, sitzen aber in der Stadt am Asowschen Meer fest, in der die Lage Beobachtern zufolge immer dramatischer wird.

Aus dem russischen Verteidigungsministerium hieß es unterdessen, mehr als 68.000 weitere Zivilisten seien ohne Kiews Hilfe aus Mariupol in Sicherheit gebracht worden. Diese Menschen befänden sich nun „in völliger Sicherheit unter dem Schutz der Russischen Föderation“. Kiew wirft Moskau hingegen vor, vor allem Frauen und Kinder gegen ihren Willen nach Russland zu bringen. „Frauen und Kinder werden massenhaft aus den Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk abgeschoben“, schrieb die Menschenrechtsbeauftragte des Parlaments, Ljudmyla Denissowa, auf Facebook.

Pentagon: Russen kämpfen mit logistischen Problemen

Russische Streitkräfte kämpfen nach Einschätzung aus der US-Regierung weiterhin mit großen logistischen Problemen. Mängel gebe es nicht nur bei Lebensmitteln und Treibstoff, sondern auch bei der Ausrüstung für die Soldaten, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums. „Wir haben Hinweise darauf erhalten, dass einige Soldaten tatsächlich Erfrierungen erlitten haben und aus dem Kampf genommen wurden. Sie haben also weiterhin Probleme mit der Logistik und der Versorgung.“ Bei der Kommunikation untereinander hätten die russischen Truppen ebenfalls Probleme.

Der Pentagon-Vertreter führte die logistischen Schwierigkeiten der russischen Streitkräfte auf den anhaltenden Widerstand der Ukrainer und auf schlechte Planung zurück. Die Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Brennstoff würden auch die Marine betreffen. „Sie machen sich Sorgen darüber, ob sie ihre Schiffe weiterhin mit Treibstoff versorgen können.“

Der Regierungsmitarbeiter sagte, russische Streitkräfte würden vermutlich inzwischen von See aus auf die besonders umkämpfte Hafenstadt Mariupol feuern. Im Asowschen Meer hätten die Russen dafür rund sieben Schiffe zusammengezogen. Der Pentagon-Vertreter erhob erneut schwere Vorwürfe gegen die russischen Streitkräfte. Man habe klare Beweise dafür gesehen, dass die Russen in der vergangenen Woche absichtlich Zivilisten angegriffen hätten, sagte er.

Beide Kriegsparteien berichten von Geländegewinnen

Die ukrainische Seite berichtete von erfolgreichen Angriffen. In der Luft seien etwa binnen 24 Stunden neun russische Ziele getroffen worden. In der besonders umkämpften Stadt Mariupol sollten am Dienstag nach ukrainischen Regierungsangaben drei Fluchtkorridore geöffnet werden - ob das gelang, war unklar.

Aber auch Russland berichtete von militärischen Fortschritten. Aus den Regionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine meldete die russische Armee einen weiteren Vormarsch. Kämpfer der selbst ernannten Volksrepublik Donezk rückten nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums weitere vier Kilometer vor. Es werde um die Eroberung dreier Dörfer in der Nähe der Stadt Donezk gekämpft. Südwestlich davon sei das Dorf Uroschajne eingenommen worden. Zudem hätten Kämpfer im Gebiet Luhansk die Kontrolle über mindestens drei weitere Orte erlangt. Der ukrainische Generalstab widersprach.

Guterres: Russland kann Krieg nicht gewinnen

UN-Generalsekretär Guterres sagte in New York, Russland könne den Krieg nicht gewinnen. „Die Ukraine kann nicht Stadt für Stadt, Straße für Straße, Haus für Haus erobert werden. Früher oder später wird man vom Schlachtfeld zum Friedenstisch wechseln müssen.“ Der Portugiese forderte einen sofortigen Waffenstillstand. Die Fortsetzung des Kriegs sei moralisch inakzeptabel, politisch nicht vertretbar und militärisch unsinnig.

Guterres bekräftigte, dass Russlands Krieg illegitim sei, gegen die UN-Charta verstoße und entsetzliches Leid gebracht habe. Zivilisten würden durch systematische Bombardierungen terrorisiert.

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