Kritik an Abhängigkeit von Bauplatzerlösen

Haushalt der Gemeinde Weissach einstimmig verabschiedet – Gemeinderatsfraktionen fordern Verbesserung der Finanzlage durch Gewerbeansiedlung

Der Weissacher Gemeinderat hat den Haushaltsplan für 2020 einstimmig beschlossen. Größtes Einzelprojekt im laufenden Jahr ist der Anbau an die Schule in Unterweissach, wo ein neues Kinderhaus entstehen soll. Die Fraktionen kritisierten in ihren Stellungnahmen die anhaltende finanzielle Abhängigkeit der Gemeinde von Bauplatzerlösen.

Kritik an Abhängigkeit von Bauplatzerlösen

Macht sichtbare Fortschritte: Der Anbau an die Schule in Unterweissach. In dem Gebäude sollen der Kindergarten Wiesengrün, der bislang ein Provisorium am Sandberg nutzt, die Kernzeitbetreuung und eine Mensa unterkommen. Das Projekt kostet fast vier Millionen Euro. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

WEISSACH IM TAL. Bürgermeister Ian Schölzel und Kämmerer Alexander Holz hatten das Zahlenwerk vor der Weihnachtspause im Gemeinderat eingebracht. In der Januar-Sitzung wurde der Plan diskutiert, und jetzt stand die Verabschiedung des Etats an. Die Fraktionen setzten unterschiedliche Schwerpunkte bei der Bewertung.

„Die Vorzeichen ändern sich“, erklärte Carl Höfer namens der CDU/FWV-Fraktion: Über Jahre hinweg hätten Überschüsse oder zumindest eine schwarze Null erwirtschaftet werden können, jetzt aber habe sich die Finanzlage vom Plus ins Minus gedreht. Erstmals seit über einem Jahrzehnt sei eine Kreditfinanzierung notwendig – wenn auch zum Nullzins. Gleichzeitig kritisierte er die „Bilanzkosmetik“, mit der Schulden in Nebenhaushalte verlagert würden, etwa bei der Sonderfinanzierung für das Gewerbegebiet Wanne. Zudem werde das Ergebnis durch die vermehrte Veräußerung kommunalen Vermögens geschönt. Die Gewerbesteuereinnahmen sollten künftig, so forderte Höfer, die laufenden Verwaltungskosten ausgleichen und Spielraum für Investitionen schaffen. Bei den Investitionen gelte es, innovativ und wirtschaftlich zu denken und Maßnahmen mit Erträgen oder Einsparungen Vorrang einzuräumen. Bei den Spielplätzen habe sich ein enormer Sanierungsstau gebildet, da müsse die Gemeinde rasch reagieren – finanziell und ökologisch ressourcenschonend sei dabei ein Wasserspielplatz. Den größten Vorzeichenwechsel sieht Höfer in der baulichen Entwicklung. Um den ländlichen Charakter zu wahren, müsse man in den nächsten Jahren einen Schwerpunkt auf traditionelle Wohnformen mit Einfamilien-, Doppel-, Reihen- und kleinen Mehrfamilienhäusern legen. Tragfähige Konzepte forderte Höfer für die Welzheimer Straße, eventuell mit mehr Wohnbebauung. Mit Nachdruck müsse man sich ferner der Verkehrssituation und der Verkehrsvermeidung widmen.

Auch Wilhelm König (UBL) mahnte, die Finanzierung des Haushalts hauptsächlich aus Bauplatzerlösen dürfe so nicht weitergehen. Eine Schwachstelle bleibe weiterhin die auf niedrigem Stand stagnierende Gewerbesteuer. Dringend zu realisieren sei das Hochwasserrückhaltebecken Gruppenbach in Cottenweiler, und in der Wasserversorgung sei als nächster Schritt eine Enthärtungsanlage anzugehen. König hofft auf eine zügige Fertigstellung des neuen Kinderhauses in Unterweissach und plädierte dafür, die Sanierung des Kindergartens Oberweissach an einem Stück durchzuziehen. Ferner sprach er sich dafür aus, dem Mistelproblem zu begegnen und zusammen mit der Energiegemeinschaft Solarmodule auf freien Flächen zu prüfen. Investitionen müssten stets bedarfsorientiert unter Betrachtung der langfristigen Notwendigkeit und der aktuellen Finanzierbarkeit angegangen werden. Eine bauliche Entwicklung müsse vor allem in den Ortsmitten der Ortsteile stattfinden, so beim alten Schulhaus in Oberweissach. Ferner forderte König eine Wiederbelebung der Ortsmitte in Unterweissach in Verbindung mit der Welzheimer Straße und verkehrstechnische Lösungen auch für Fußgänger. Überhaupt müsse man sich dem Verkehrsthema widmen.

Das größte Spannungsfeld, in dem sich die Gemeinde bewegt, ist nach Auffassung der Liste Weissacher Bürger der Zusammenhang zwischen Bauplatzerlösen und der Finanzierung kommunaler Aufgaben und Investitionen. Wie Luciano Longobucco ausführte, decken allein die Erlöse aus der Fuchsklinge von vier Millionen Euro rund die Hälfte der vorgesehenen Gesamtinvestitionen. Doch mit Blick darauf, dass Boden nicht unbegrenzt zur Verfügung steht, sei ein Umsteuern zwingend erforderlich. Eine verstärkte Gewerbeentwicklung sei dabei ein Baustein zur Lösung. Umfassend in die kommunalen Einrichtungen und in die Infrastruktur zu investieren, sei richtig – Investitionen aufzuschieben und die Infrastruktur verlottern zu lassen, sei keine Alternative. Nicht zielführend sei, pauschal zwischen Pflichtaufgaben und freiwilligen Aufgaben zu unterscheiden. Die Jugend brauche Anlaufpunkte, in der Seniorenarbeit gebe es Handlungsbedarf, und auch die Frage nach der Gründung einer Baugenossenschaft oder einer gemeindeeigenen Baugesellschaft werde zunehmend relevant. Zugleich forderte Longobucco, die Ortsbücherei weiterzuentwickeln, und mahnte eine Aufwertung der Welzheimer Straße und Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer an. Zudem sprach er sich für ein digitales Kataster für die Ausgleichsmaßnahmen im Umwelt- und Naturschutz aus.

Auch Irmgard Hestler (SPD) beanstandete, dass die Gemeinde ihre Aufgaben aus eigenen Mitteln nicht erfüllen kann: „Wir leben auf Pump.“ Der lukrative Verkauf von Grundstücken könne die Lücken auf Dauer nicht stopfen – auch wenn damit bezahlbarer Wohnraum geschaffen werde. Gemeinden müssten einen großen Aufgabenkatalog erfüllen – Pflichtaufgaben und Freiwilligkeitsleistungen. Mit Blick auf Letztere sagte sie: „Nun scheinen wir an einem Punkt angekommen zu sein, an dem wir uns nicht nur fragen müssen, wie das weitergehen kann, sondern wo wir einen Schnitt machen müssen in unserer Großzügigkeit“, auch im Hinblick auf Pflichtausgaben, die in den nächsten Jahren 25 Millionen Euro an Investitionen erfordern. So ziehe beispielsweise die entgegen den Prognosen wachsende Einwohnerzahl, aber auch das veränderte Nutzungsverhalten der Eltern Bedarf für ein neues Kinderhaus nach sich. Zu bewältigen sei auch der Sanierungsstau an den gemeindeeigenen Gebäuden, etwa am Kindergarten Oberweissach. Hestler erinnerte auch daran, dass Weissach nächstes Jahr das 50-jährige Gründungsjubiläum feiert und als eine der ersten Gemeinden im Land die unechte Teilortswahl abgeschafft hat. Für die Zusammengehörigkeit stehe in besonderem Maße die Feuerwehr. Aber auch das zentrale Gerätehaus sei sanierungsbedürftig. Wichtig sei auch, Gewerbe anzusiedeln und die Ortsmitte zu beleben.