Kritik wegen zu geringer Investitionen lässt Scholz kalt

Bei IWF-Tagung zeigen internationale Partner wenig Verständnis für deutschen Sparkurs

Von Thorsten Knuf

IWF-Tagung - Vor allem politische Faktoren haben dazu geführt, dass sich die Weltkonjunktur eingetrübt hat. In Europa wird Deutschland eine Mitverantwortung an der Negativentwicklung zugeschrieben.

Washington Deutsche Regierungen sehen sich seit Jahren dem Vorwurf ausgesetzt, zu wenig zu investieren und eine Mitverantwortung zu tragen für die europäische Wachstumsschwäche. Dieser ist gerade auch wieder in Washington zu hören, wo derzeit das Frühjahrstreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank stattfindet. Die Aussichten für die Weltkonjunktur sind mau – die Wirtschaft wächst deutlich langsamer als erwartet. Verantwortlich dafür sind vor allem politische Faktoren – etwa die Handelskonflikte der USA mit Europa und China sowie das Risiko eines chaotischen Austritts Großbritanniens aus der EU. Die große Frage in Washington ist, wie dem am klügsten zu begegnen ist.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat sich vorgenommen, bei seinen Gesprächen in der US-amerikanischen Hauptstadt Konjunkturoptimismus zu verbreiten und ansonsten Forderungen nach mehr staatlichen Investitionen an sich abprallen zu lassen. „Ich glaube, dass es jetzt das Wichtigste ist, die politischen Risiken zu beseitigen“, sagte er kurz vor Beginn der Beratungen. „Es ist unsere Aufgabe, für ein sicheres Umfeld zu sorgen, damit Unternehmen und Verbraucher investieren“, so Scholz. Ohnehin sagt er bei jeder Gelegenheit, dass sich die deutschen Investitionen auf Rekordniveau bewegten. Rund 40 Milliarden Euro hat Scholz dafür bis 2023 pro Jahr eingeplant.

Andere Regierungen in Europa sind überzeugt, dass es nicht reicht, nur die politischen Risiken zu beseitigen und zu hoffen, dass sich der Rest dann ergeben werde. Den Ton setzte vor den Beratungen in Washington Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. Er meldete sich per Interview in der „Financial Times“ zu Wort und regte einen „neuen Wachstumspakt für die Eurozone“ an. Seine Idee: Staaten mit Haushaltsüberschüssen wie Deutschland, die Niederlande und Finnland sollten mehr investieren, während weniger wettbewerbsfähige Länder wie Frankreich ihren Reformkurs fortsetzen und ihre öffentlichen Finanzen stärken sollten. Dies solle durch eine weiter lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank begleitet werden. Und die Eurozone müsse grundlegende Reformvorhaben zu Ende bringen, einschließlich der Vollendung der Bankenunion sowie der Schaffung eines Eurozonen-Budgets.

Le Maires Vorstoß war offenbar nicht mit der deutschen Seite abgesprochen. Die Franzosen sind ohnehin schlecht auf die Bundesregierung zu sprechen. Staatspräsident Emmanuel Macron und sein Finanzminister nehmen den Deutschen übel, dass sie ihren Reform-Elan für Europa nicht teilen. Ein besonderes Ärgernis ist für sie das Gezerre um das Eurozonen-Budget. Die Idee für einen gemeinsamen Investitionshaushalt stammt ursprünglich von Macron. Die schwarz-rote Koalition in Berlin hielt die Franzosen hierbei jedoch monatelang hin und dampfte die Ideen dann ein. Inzwischen herrscht Stillstand. Und Macron muss sich kurz vor den EU-Wahlen daheim den Vorwurf gefallen lassen, auf der europäischen Bühne bisher wenig bewirkt zu haben.

Bundesbankpräsident Jens Weidmann sagte am Freitag in Washington mit Blick auf die jüngsten französischen Vorschläge: „Das Konjunkturbild ist jetzt nicht das eines dramatischen Abschwungs, das Konjunkturpakete erforderlich machen würde.“ Er gehe davon aus, dass es nur eine Delle im Wachstum gebe, die Wirtschaft im zweiten Halbjahr wieder Fahrt aufnehmen werde.

Wirtschaftsforscher und Regierungen hatten zuletzt reihenweise ihre Konjunkturprognosen nach unten korrigiert. Der IWF rechnet für Deutschland in diesem Jahr nur noch mit einem Wachstum von 0,8 Prozent, im Sommer 2018 hatten die Experten noch ein Plus von 2,1 Prozent vorhergesagt. 2020 soll die deutsche Wirtschaft aber wieder um 1,4 Prozent wachsen. Die Weltwirtschaft wird der IWF-Prognose zufolge im laufenden Jahr um 3,3 Prozent wachsen nach 3,6 Prozent im Vorjahr. Es wäre die geringste Zunahme seit Beginn der Finanzkrise 2009. Die Wirtschaft im Euroraum soll der Prognose zufolge um 1,3 Prozent zulegen.

US-Präsident Donald Trump, dessen Handelspolitik als eines der Hauptrisiken für die Weltkonjunktur gilt, wird am IWF-Frühjahrstreffen nicht teilnehmen, aber allgegenwärtig sein. Den Europäern droht er immer wieder mit Strafzöllen, unter anderem auf Autos. IWF-Chefin Christine La­garde richtete am Donnerstag in der US-Hauptstadt einen dramatischen Appell an die politisch Verantwortlichen, die Krisen nicht noch weiter eskalieren zu lassen. „Wir erleben einen Moment der Unsicherheit“, sagte sie mit Blick auf die schwächelnde Weltkonjunktur. „Verursacht keine Schäden“, forderte Lagarde. Neue Zölle seien nichts anderes als selbst zugefügte Wunden.