Massentöten von Küken soll ab 2022 verboten sein

Von Von Teresa Dapp und Sascha Meyer, dpa

dpa Berlin. Massenhaft werden Küken kurz nach dem Schlüpfen getötet, weil sie sich nicht vermarkten lassen - so ist es Routine. Tierschützer machen schon seit Jahren dagegen Front. Die Politik wird jetzt konkret.

Massentöten von Küken soll ab 2022 verboten sein

Mit dem massenhaften Töten männlicher Küken in der Legehennenzucht in Deutschland soll Ende kommenden Jahres Schluss sein. Foto: Bernd Wüstneck/zb/dpa

Mit dem millionenfachen Töten männlicher Küken in der Legehennenzucht soll Ende kommenden Jahres in Deutschland Schluss sein.

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) legte am Mittwoch einen Entwurf für ein gesetzliches Verbot ab 1. Januar 2022 vor - dann sollen alternative Verfahren auf breiter Front einsetzbar sein, um das Geschlecht im Ei zu erkennen und männliche Küken gar nicht erst schlüpfen zu lassen. Ab Anfang 2024 sollen dafür dann nur noch Methoden erlaubt sein, die zu einem früheren Zeitpunkt beim Brüten der Eier funktionieren. Das soll Schmerzen für das Embryo vermeiden.

Klöckner sprach von einem „Meilenstein für den Tierschutz“, der auch eine Signalwirkung für andere Staaten haben solle. „Das Töten von Eintagsküken, weil sie ein bestimmtes Geschlecht haben, ist ethisch nicht vertretbar.“ Deutschland sei das erste Land, dass diese Praxis gesetzlich unterbinde. Damit andere Methoden wirtschaftlich sind, sei deren Entwicklung bereits gefördert worden. Branchenvertreter unterstützten die Pläne, warnten aber auch davor, das Verbot könne durch Eier-Einkauf im Ausland unterlaufen werden. Tierschützer bezeichneten den Ausstieg als überfällig, kritisierten aber zu lange Übergangsfristen.

DAS PROBLEM: Jährlich werden rund 45 Millionen männliche Küken in Deutschland kurz nach dem Schlüpfen routinemäßig getötet, weil sie für Brütereien wirtschaftlich nicht lohnend sind: Sie legen keine Eier und setzen nicht so viel Fleisch an. Teils ist von „Schreddern“ die Rede, die Küken werden meist aber mit Gas getötet. Dabei legt das Tierschutzgesetz fest, dass niemand einem Tier „ohne vernünftigen Grund“ Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Im vergangenen Jahr entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass Tierschutzbelange schwerer wiegen als wirtschaftliche Interessen der Hennenzüchter und erklärte die Praxis nur noch für eine Übergangszeit für zulässig.

DIE GESETZESPLÄNE: Konkret soll es im Tierschutzgesetz künftig heißen: „Es ist verboten, männliche Küken der Gattung Haushuhn, die aus Zuchtlinien stammen, die auf die Legeleistung ausgerichtet sind, zu töten.“ Und zwar gültig ab 1. Januar 2022, ausgenommen Maßnahmen bei Tierseuchen. Zum 1. Januar 2024 tabu sein sollen zudem „Eingriffe an einem Hühnerei“ ab dem 7. Tag des Bebrütens, um das Geschlecht zu bestimmen und in der Folge ein Embryo zu töten. Hintergrund ist, dass Embryos ab dem 7. Tag ein Schmerzempfinden haben, wie das Ministerium erläutert. Gegenwärtig seien Verfahren zwischen dem 9. und dem 14. Tag marktreif. Insgesamt dauert es 21 Tage, bis Küken schlüpfen. Die Gesetzespläne sollen nun in der Bundesregierung abgestimmt werden.

DIE ALTERNATIVEN: Damit männliche Küken nicht komplett ausgebrütet werden und schlüpfen, gibt es vor allem zwei Methoden, das Geschlecht schon im Ei zu bestimmen. Beim endokrinologisches Verfahren wird dafür nach etwa neun Bruttagen ein wenig Flüssigkeit entnommen. Teils wird dieses Verfahren schon angewendet. Das sei aber nur eine Brückentechnologie, sagte Klöckner, es brauche Verfahren, die noch früher greifen. Beim spektroskopischen Verfahren wird das Ei nach etwa vier Tagen mit einem Laserstrahl durchleuchtet, durch Analyse des reflektierten Lichts kann das Geschlecht bestimmt werden. Dieses Verfahren ist aber noch nicht auf breiter Front einsatzbereit.

WIE ES NOCH GEHEN KANN: Es gibt auch Initiativen, die ein Töten komplett vermeiden, ob nun vor oder nach dem Schlüpfen. Schon jetzt gibt es in Supermärkten Eier mit dem Hinweis, dass auch die Hähnchen am Leben gelassen wurden - oft ist vom „Bruderhahn“ die Rede. Beim sogenannten Zweinutzungshuhn legen die Hennen Eier, die Hähne werden gemästet. Im Vergleich zu spezialisierten Rassen kommen aber weniger oder kleinere Eier heraus und etwas weniger Fleisch. Daher habe sich das noch nicht am Markt durchgesetzt, sagte Klöckner. Ihr Ministerium fördere aber auch diese Alternativen mit Millionen.

FOLGEN FÜR DIE BRANCHE: Bauernpräsident Joachim Rukwied sagte: „Ich sehne den Tag herbei, an dem dieses Thema endlich Geschichte ist.“ Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft befürwortete den Ausstieg „lieber heute als morgen“. Völlig unproblematisch sei das aber nicht, sagte Präsident Friedrich-Otto Ripke. So könnten in der EU polnische oder niederländische Brütereien weiterhin Küken töten und Eier hier anbieten. Das betrifft auch Großabnehmer, die sie etwa zu Nudeln und Kuchen verarbeiten. Klöckner rief die Supermärkte auf, Eier ohne Kükentöten tatsächlich ins Sortiment zu nehmen. Damit würde ein Ei nach Handelsangaben etwa ein bis zwei Cent teurer.

REAKTIONEN: Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder sagte: „Das Verbot ist richtig, aber nicht konsequent genug, zu mutlos und kommt verspätet.“ Auch SPD-Tierschutzexpertin Susanne Mittag monierte, dass Klöckner erst freiwillig vorgehen wollte, habe Zeit gekostet. Im Koalitionsvertrag steht ein Aus bis 2019. Die Ministerin erläuterte, früher wäre es nicht realistisch und rechtssicher gewesen. Auch die Grünen-Agrarexpertin Renate Künast nannte den Ausstieg „überfällig“ und forderte eine Kampagne für Zweinutzungshühner. Verbraucher müssten erkennen, welche Art Eier in Lebensmitteln steckten. Kirsten Tackmann (Linke) sprach von einer „Scheinlösung“, denn das Töten werde nur vorgezogen auf einen Zeitpunkt einige Tage vor dem Schlüpfen. Der FDP-Agrarpolitiker Gero Hocker verlangte einheitliche europäische Bedingungen. Sonst würden Küken knapp hinter der Grenze getötet.

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