Kultur ist kein Spielball

Opernsanierung ohne Kompass: Grüne und CDU gefährden den Kulturstandort Stuttgart

Von Nikolai B. Forstbauer

Stuttgart wählt am 26. Mai ein neues Stadtparlament, zeitgleich geht es um die Zusammensetzung des Europaparlaments. Beides Bühnen, um sich warm zu laufen für die eigentlichen Auftritte – die OB-Wahl in Stuttgart 2020 und die Landtagswahl 2021. Noch tut sich nicht viel. Aber der Ton wird rauer. Dabei hält man sich vor allem aufseiten der Stuttgarter CDU an eine alte Regel. Die Lage mit scharfen Worten zu testen geht am besten mit Themen, mit denen man angeblich keine Wahlen ­gewinnt.

Aktuell beliebt: Kultur und deren Kosten. Besonders im Blick: die geplante Sanierung des Opernhauses Stuttgart – Spielstätte für Oper und Ballett – und die Erweiterung des Staatstheater-Areals mit Opernhaus, Schauspielhaus, Werkstätten und Kulissengebäude um 10 500 Quadratmeter Nutzungsfläche. Alles müsse auf den Prüfstand, verkündete die CDU-Rathausfraktion jüngst – und machte offenbar den Parteifreunden im Landtag bei deren grundsätzlicher Kurssuche Mut.

„Wir begrüßen“, ließ die CDU-Abgeordnete Sabine Kurtz wissen, „die Pläne der CDU-Gemeinderatsfraktion, nun sämtliche Optionen zu prüfen. Dazu gehört auch die Möglichkeit eines Neubaus.“ Harmlos kommt der Satz daher, doch er hat es in sich. Kurtz – Vizepräsidentin des Stuttgarter Landtags und Mitglied des Verwaltungsrates der Staatstheater Stuttgart – stellt den Kabinettsbeschluss der grün-schwarzen Koalition im Stuttgarter Landtag von März 2018 infrage.

Man gehe eine „Jahrhundertaufgabe“ an, sagte Ministerpräsident Winfried Kretsch­mann seinerzeit. Doch die 1400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatstheater erleben den Weg zur beschlossenen Sanierung als Ausweis des Zauderns. Der Verein Aufbruch Stuttgart nutzt das Vakuum gern. Die Sanierung des Opernhauses sei ein Irrweg, ein Neubau zwingend, heißt die Botschaft. Zeitlich kaum zufällig zieht nun die CDU die Neubau-Option. Und darf sich sicher fühlen. Man will ja nur Gutes. Für dies viele Geld. Im Klartext wechselt man die Pferde, sucht man die Konfrontation mit dem Grünen-OB Fritz Kuhn wie mit dem Koalitionspartner im Land. Und die Grünen? Reagieren­ nicht weniger gereizt.

Kultur aber ist kein Spielball. CDU-Ministerpräsident Lothar Späth prägte in der Allianz von „High Tech und High Culture“ die Identität der Wachstumsregion mit. Und der CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Schuster initiierte mit den Neubauten Kunstmuseum, Theaterhaus am Pragsattel und Stadtbibliothek am Hauptbahnhof Ankerprojekte in der Stadtentwicklung. Eine Linie, die Schuster in der Verbindung von Konzerthaus- und Linden-Museum-Neubau am Hauptbahnhof fortführen wollte. Im Hier und Jetzt ist man in Stadt und Land weit von solcher Klarheit entfernt. Damit gefährden Grüne und CDU den Kulturstandort Stuttgart.

Schon jetzt ist sicher: Die Arbeiten im Staatstheater-Areal beginnen nicht vor 2025. Die Weiterentwicklung des Themas Kulturquartier zwischen Staatsgalerie, Stadtpalais, Kunstmuseum, Innenstadtkinos, Kunstgebäude und Staatstheater-Areal aber kann nicht warten. Für die Bürgerinnen und Bürger muss das Kulturquartier als solches erlebbar sein – von parallelen Öffnungszeiten bis hin zu gegenseitigen Ticketvergünstigungen und einem breiten ebenerdigen B-14-Übergang zwischen Staatsgalerie/Musikhochschule und Opernhaus.

Von der Koalition Mutlos zu einem Antritt für die Landeshauptstadt ist es nur ein kleiner Schritt. Mit Zaudern und Nickligkeiten aber verspielt man die Chance.

nikolai.forstbauer@stuttgarter-nachrichten.de