Kunst für Schwindelfreie in der Ausstellung „Vertigo“

dpa Stuttgart. Kunst, die ins Wanken bringt: Dutzende Werke der sogenannten Op Art machen den Museumsbesuch in den kommenden Monaten in Stuttgart zum körperlichen Erlebnis. Denn die Op Art will weniger darstellen als vielmehr täuschen und bewegen. Ein gelungenes Konzept.

Überforderung, Betrug, Schwindel: Op Art oder auch optische Kunst ist nicht immer etwas für zarte Gemüter. Die Stuttgarter Ausstellung „Vertigo“ lädt nun zu einem kurzweiligen Trip durch die Kunstgeschichte der optischen Täuschungen, heftigen Verzerrungen, versteckten Botschaften und falschen Wahrnehmungen. Mehr als 100 Bilder, Objekte und begehbare Installationen geben einen Einblick in die Vielfalt der Kunstbewegung, die nach ihren großen Auftritten in den 1950er und 60er Jahre zunächst wieder in der Versenkung verschwunden war.

Als oberflächlich und effekthascherisch wurde sie oft verurteilt. Mit der nach Alfred Hitchcocks schwindelerregendem Filmklassiker benannten Ausstellung zeigt das Kunstmuseum in Zusammenarbeit mit dem Wiener Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig (Mumok), dass mehr dahinter steckt: Sehen wird dort zum körperlichen Ereignis. „Das ist eine Kunst, die einem geradezu körperlich entgegenkommt, die einen mitnimmt, und bei der der Betrachter partizipiert“, sagte Kuratorin Eva Bardura-Triska am Donnerstag vor Eröffnung der Ausstellung. „Und es stärkt unser Bewusstsein, dass wir getäuscht werden können.“ So besitze die Op Art auch eine politische Dimension, die bis ins Zeitalter der Fake News hineinreiche.

Nicht Inhalte werden bei der Op Art in den Vordergrund gestellt. Vielmehr fokussieren sich Künstler wie Marina Apollonio mit ihrem schwindelerregenden konzentrischen Kreis gleich im Eingangsbereich und Gianni Colombo mit seinem Labyrinthgeflecht aus angestrahlten Nylonfäden auf die Wirkungen, die ihre Bilder und Installationen erzielen. Vibrierende geometrische Muster sind dabei, optische Kippeffekte und überlagerte Raster, verteilt über drei Etagen. Und mehrfach gelingt auch der Kontrast zwischen der Kunst des 20. Jahrhunderts und frühen Werken des 16. bis 18. Jahrhunderts, die ebenfalls die Wahrnehmung manipulieren wollen.

Das wirkt zwar bisweilen wie eine Mischung aus Jahrmarkteffekten und Kunst gewordenem Drogenrausch, ein wenig „Zirkus fürs Auge“, wie es in den 1960er Jahren bereits etwas abfällig in einem Zeitungsartikel über die Op Art hieß. Doch es ist vor allem ein anregendes und nicht immer schummelfreies, kurzweiliges Museumserlebnis.