Länder wollen Merkel bei EU-Ratspräsidentschaft unterstützen

dpa Berlin. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft steht ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Die Kanzlerin bittet die Bundesländer eindringlich um Rückhalt - und bekommt eine ungewohnt einhellige Antwort.

Länder wollen Merkel bei EU-Ratspräsidentschaft unterstützen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nimmt im Bundesrat ihre Mund- und Nasenschutzmaske ab, bevor sie eine Rede zu Zielen der EU-Ratspräsidentschaft hält. Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Die Bundesländer haben Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Parteigrenzen hinweg breite Unterstützung bei der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zugesagt - gerade im Kampf gegen die Folgen der Corona-Pandemie.

„Uns ist es wichtig, Europa mitzugestalten. Auch wir wollen Europa wieder stark machen“, gemeinsam mit der Bundesregierung“, versicherte der amtierende Bundesratspräsident, der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), am Freitag in der letzten Sitzung der Länderkammer vor der Sommerpause.

Merkel erhielt ausdrücklichen Rückhalt von weiteren Regierungschefs aus SPD und Union sowie vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). Woidke sagte, Merkel sei ein seltener, aber gleichwohl sehr gern gesehener Gast im Bundesrat. Zuletzt sei sie am 16. Februar 2007 in der Länderkammer gewesen, zur Vorstellung der damaligen EU-Ratspräsidentschaft. Europa sei auch Ländersache, sagte Woidke. Merkel und die Bundesregierung hätten mit dem Bundesrat „einen starken Partner und einen eigenständigen Akteur an ihrer Seite“.

Die Kanzlerin bat die Bundesländer eindringlich um Unterstützung der Ziele der Bundesregierung in der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gebeten. Die Ratspräsidentschaft sei eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, der sich die Bundesregierung mit aller Kraft zuwende. „Ich bitte auch Sie als Vertreterinnen und Vertreter der Länder um ihre Unterstützung und ihr Engagement für diese Aufgabe.“ Deutschland hat am 1. Juli für ein halbes Jahr die EU-Ratspräsidentschaft übernommen.

Merkel bremste erneut die Erwartungen an eine rasche Lösung bei den Verhandlungen über den mittelfristigen Haushalt und damit zusammenhängend über das geplante 750 Milliarden Euro starke Corona-Wiederaufbauprogramm der EU. Ziel sei eine möglichst rasche Einigung, „vielleicht sogar noch vor der Sommerpause“. Die Kanzlerin betonte aber auch: „Der Weg ist steinig, und es werden viel guter Wille und Kompromissbereitschaft von allen Seiten erforderlich sein, um zum Ziel zu kommen.“ Angesichts der Konjunkturentwicklung dränge aber die Zeit „und es zählt jeder Tag“.

Seit sie 2007 in der Länderkammer die Schwerpunkte der damaligen deutschen Ratspräsidentschaft vorgestellt habe, habe Europa viele Krisen und Herausforderungen durchlebt, erinnerte Merkel. Sie nannte etwa die Finanz- und Staatsschuldenkrise von 2008 an und die großen Flüchtlingsbewegungen 2015. Europa habe diese Herausforderungen bestehen können, weil die Mitgliedstaaten, die Länder und Regionen, aber vor allem die Bürger in entscheidenden Momenten zusammengehalten hätten. „Es lohnt sich, für den europäischen Gedanken geschlossen einzustehen. Es lohnt sich, unser Europa zusammenzuhalten.“

Wie Europa sei auch der Föderalismus gekennzeichnet dadurch, dass jedes Land seine regionalen Erfahrungen und seine teilweise unterschiedlichen Anliegen in der Debatte für das ganze Land einbringe, sagte Merkel. Dies könne „sehr anstrengend und mühsam“, sowohl zwischen Bund und Ländern wie unter den Ländern sein. „Gleichwohl bin ich zutiefst überzeugt, dass gerade diese regionale Vielfalt in der föderalen Einheit ein entscheidender, wenn nicht sogar der entscheidende Grund dafür ist, warum unser Land immer wieder auch größte Herausforderungen erfolgreich besteht.“

Hessens Regierungschef Volker Bouffier (CDU) machte deutlich, dass in Europa ohnehin schon nicht mehr nur allein der Bund die politische Zuständigkeit habe, sondern auch die Länder selbst Akteure seien. Daher müsse der Gedanke der Subsidiarität, der Zuständigkeiten der Regionen, gestärkt werden. Dies sei für Akzeptanz der EU essenziell. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kritisierte erneut die Grenzschließungen in der EU zu Beginn der Corona-Krise. Eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit werde die Aufgabe sein, sollte eine zweite oder dritte Welle der Pandemie kommen.

Auch Niedersachsens SPD-Regierungschef Stephan Weil sicherte der Kanzlerin Unterstützung für die Ratspräsidentschaft zu. Die Herausforderungen durch die Corona-Krise seien möglicherweise die größten seit Beginn der Europäischen Gemeinschaft. Aber sie böten damit auch die größten Chancen. Es gehe nicht nur um die Gesundung der deutschen Wirtschaft, sondern der Europas. „Es kann keine gesunde deutsche Wirtschaft in einem kranken Europa geben.“

Rückhalt kam auch von der Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), oder ihrem baden-württembergischen Amtskollegen Winfried Kretschmann (Grüne). Kretschmann lobte Merkel ausdrücklich für den deutsch-französischen Vorstoß für ein EU-Hilfspaket, den sie gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorgelegt hatte. Er appellierte an die Kanzlerin: „Machen Sie die deutsche Präsidentschaft auch zu einer Klimapräsidentschaft.“

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