Lagarde: Bundesbank muss sich an Anleihenkäufen beteiligen

dpa Frankfurt/Main. Deutschlands Verfassungsrichter setzen der EZB bei Anleihenkäufen Grenzen. Doch wie soll das Urteil umgesetzt werden? Die Notenbank selbst betont ihre Verpflichtungen als europäische Institution.

Lagarde: Bundesbank muss sich an Anleihenkäufen beteiligen

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), spricht auf einer der turnusmäßigen Pressekonferenzen der EZB. Foto: Boris Roessler/dpa

Die Bundesbank muss sich nach Überzeugung von EZB-Präsidentin Christine Lagarde trotz des einschränkenden Karlsruher Urteils weiterhin an Anleihenkäufen beteiligen.

„Nach dem Vertrag müssen alle nationalen Zentralbanken in vollem Umfang an den Entscheidungen und der Durchführung der Geldpolitik des Euro-Währungsgebiets teilnehmen“, sagte Lagarde in einem am Montagabend online veröffentlichten Interview mit vier europäischen Zeitungen, darunter das „Handelsblatt“.

„Jede nationale Zentralbank in der Eurozone ist unabhängig und darf keine Anweisungen von Regierungen entgegennehmen. Dies ist in den Verträgen festgeschrieben“, betonte Lagarde. Die Deutsche Bundesbank ist mit etwas mehr als 26 Prozent größter Anteilseigner der gemeinsamen Notenbank für den Euroraum mit seinen 19 Mitgliedstaaten.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 5. Mai die milliardenschweren Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) im Rahmen des sogenannten PSPP-Programms beanstandet (Az. 2 BvR 859/15 u.a.). Die Bundesbank darf sich dem Urteil zufolge künftig nur an diesen Käufen beteiligen, wenn der EZB-Rat deren Verhältnismäßigkeit nachvollziehbar darlegt.

Das oberste deutsche Gericht gab der Bundesregierung drei Monate Zeit, die EZB zu einer Überprüfung zu bewegen. Erstmals stellte sich Karlsruhe mit seiner Entscheidung gegen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

„Meine Überzeugung ist klar“, führte Lagarde in dem Interview aus. „Die EZB wurde von den EU-Mitgliedstaaten bei der Ausarbeitung und Ratifizierung des Vertrags mit einem Mandat ausgestattet. Die EZB untersteht der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Wir werden weiterhin dem Europäischen Parlament gegenüber verantwortlich sein und den europäischen Bürgern unsere Entscheidungen erklären.“

Der Frankfurter Europarechtler Christoph Schalast rechnet damit, dass sich die EU-Institutionen gegen den Karlsruher Richterspruch juristisch zur Wehr setzen werden. „Ich bin sicher, dass wir eine Gegenklage aus Brüssel gegen dieses Urteil sehen werden“, sagte Schalast am Dienstag in einer Videoschalte mit Journalisten. Zugleich erwarte er zahlreiche weitere Klagen gegen Entscheidungen der EZB - auch gegen das vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich ausgenommene zusätzliche Anleihenkaufprogramm der Notenbank in der Corona-Krise. „Gegen jede Maßnahme der EZB werden Klagen eingereicht werden. Das Urteil ist ja geradezu eine Einladung dazu“, sagte Schalast.

Hauptziel der EZB ist ein ausgewogenes Preisniveau. Mittelfristig streben die Währungshüter eine Teuerungsrate knapp unter 2,0 Prozent an. Das viele Geld, das über Anleihenkäufe in Umlauf kommt, heizt normalerweise die Inflation an.