Tourismus-Krise: Wolf kritisiert Zahlungsmoral des Bundes

dpa/lsw Stuttgart. Baden-Württemberg als Urlaubsland, das war einmal. Das Coronavirus hat der rekordverwöhnten Branche einen Tiefschlag versetzt. Um schneller auf die Beine zu kommen, schnürt das Land ein Millionenpaket und holt zum kritischen Rundumschlag aus.

Tourismus-Krise: Wolf kritisiert Zahlungsmoral des Bundes

Guido Wolf (CDU), Abgeordneter des Baden-Württembergischen Landtags, spricht. Foto: Philipp von Ditfurth/dpa/Archivbild

Angesichts der nach wie vor stockenden finanziellen Hilfen für die Tourismusbranche kritisiert Ministerpräsident Winfried Kretschmann die Zahlungsmoral des Bundes. „Es war ein klares Versprechen, das unbürokratisch und schnell zu machen“, sagte der Regierungschef am Dienstag in Stuttgart. „Und wir sind wenig erfreut, wie das jetzt in der Praxis läuft. So geht's wirklich nicht.“ Sollte über eine Verlängerung der Corona-Auflagen auch für Reisen und die Gastronomie nachgedacht werden, müsse die Frage der Finanzierung der angeschlagenen Unternehmen bei den kommenden Gesprächen von Bund und Ländern beantwortet werden.

Angesichts der Corona-Pandemie ist der Tourismus in Baden-Württemberg nach neun Rekordjahren in Folge weiter eingebrochen. „Alleine zwischen März und Mai musste die Tourismusbranche in Baden-Württemberg wöchentliche Umsatzeinbußen von rund 426 Millionen Euro hinnehmen“, sagte Tourismusminister Guido Wolf (CDU). Der Sommer habe nirgends gereicht, um diese Zahlen aufzuholen. „Und mit dem aktuellen November und den folgenden Wochen stehen noch harte Zeiten bevor.“

Wolf warf vor allem dem Bund vor, sich die Akzeptanz der Betriebe „erkauft“ zu haben. „Ich empfinde es als mehr als ärgerlich, dass bis zum heutigen Tag weder Geld geflossen ist, noch die Modalitäten für die Auszahlung dieser Gelder klar definiert sind“, sagte der CDU-Landesminister. „Da schwindet Akzeptanz“, warnte er. „Da geht Vertrauen verloren.“ Die Zahlungen an die Betriebe seien aus seiner Sicht als Justizminister zudem zwingend, um rechtlich abgesichert die Verhältnismäßigkeit dieses Eingriffs für die Branche zu begründen. „Da reicht nicht die politische Zusage, sondern da muss Geld fließen. Und zwar schnell.“

Neben Betrieben aus anderen Branchen müssen wegen der bundesweit anhaltenden Zunahme von Corona-Infektionen auch Hotels und andere Beherbergungsstätten seit Monatsbeginn ihre Arbeit weitgehend einstellen - wohl mindestens bis Ende November, sehr wahrscheinlich länger. Als Entschädigung sollen betroffene Unternehmen mit einer außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes Zuschüsse von 75 Prozent des durchschnittlichen Umsatzes im Vorjahres-November erhalten. Erste Gelder sollen laut Bund ab Ende des Monats ausgezahlt werden. Geplant seien zunächst Abschlagszahlungen.

Auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sieht die Verantwortlichen in Berlin und forderte die Landesregierung auf, Druck zu machen. Die dringend benötigten „Novemberhilfen“, die von der Bundesregierung zum Ausgleich für die Betriebe des Gastgewerbes in Aussicht gestellt wurden, müssten rasch ausgezahlt werden, sagte DEHOGA-Landeschef Fritz Engelhardt.

In der Zeit nach dem befristeten Teil-Lockdown und nach den Einschränkungen für Reisen und Gaststätten will das Land der gebeutelten Branche mit einem weiteren millionenschweren Finanzierungspaket so schnell wie möglich auf die Beine helfen. Das Tourismusministerium will bis zu 12 Millionen Euro für kleine und mittlere Unternehmen bereitstellen, sagte Wolf. Investiert werden könne das Geld über günstige oder verbilligte Darlehen bei Gebäudemodernisierungen, Neubauten oder Betriebsübernahmen.

Außerdem wird es laut Ministerium eine Stabilisierungshilfe für kommunale Thermen in Höhe von 15 Millionen Euro geben, weil diese nach Angaben Wolfs bislang durch die Raster sämtlicher Hilfsprogramme gefallen sind. Die Thermen hatten sich zuletzt alarmiert gezeigt und gewarnt, ohne massive finanzielle Unterstützung drohe ein Sterben der Standorte, darunter 35 mit Thermal- und Mineralbädern. Mit jedem weiteren Monat Schließung sei mit jeweils 17 Millionen Euro Einbußen zu rechnen, sagte Verbandspräsident Fritz Link. Bereits damals hatte er aber erklärt, die von der Landesregierung zur Unterstützung vorgesehenen 15 Millionen Euro könnten nur die erste Tranche sein.

Ebenfalls vom Land im Paket bereitgestellt werden Mittel für das Marketing im Inland und grenznahen Ausland in Höhe von bis zu 8 Millionen Euro.

Auch das Wissenschaftsministerium ist mit einem Projekt eingebunden. Darin sollen Studenten nach ihrem Abschluss für eine Übergangszeit ein Beschäftigungsverhältnis an den Hochschulen erhalten, um von dort aus Unternehmen der Tourismusbranche bei Projekten zu unterstützen.

Die SPD warf der Landesregierung vor, zu lange mit dem Förderpaket gewartet zu haben. Die Oppositionspartei habe bereits im Rahmen der Beratungen zum Staatshaushalt 2020/21 ein solches Investitionsprogramm für die Gastronomie gefordert, sei aber an den Regierungsparteien gescheitert. FDP-Tourismussprecher Erik Schweickert forderte von den Ministerpräsidenten eine frühe und klare Aussage, ob nun geöffnet werden könne oder nicht. „Ein Fahrplan, wann dies geschehen kann ist das Mindeste, was man den Gastronomen und den daran hängenden Unternehmen an die Hand geben muss“, sagte er.

in Baden-Württemberg hängen nach Ministeriumsangaben insgesamt etwa 390 000 Arbeitsplätze von der Tourismus-Branche ab, die zuletzt einen jährlichen Umsatz von mehr als 25 Milliarden Euro verzeichnete.