Helfermangel auf dem Acker: Klöckner warnt, Brief an Merkel

Von Von Anne-Béatrice Clasmann, Martina Herzog und Carsten Hoefer, dpa

dpa Berlin. In den nächsten Wochen muss auf deutschen Feldern Salat gepflanzt, Brokkoli gesät und Spargel geerntet werden. Alleine mit einheimischen Kräften und arbeitswilligen Flüchtlingen sei das nicht zu schaffen, sagen die Landwirte. Jetzt soll die Bundeskanzlerin helfen.

Helfermangel auf dem Acker: Klöckner warnt, Brief an Merkel

Wer holt den Spargel aus der Erde, wenn die Saisonarbeiter ausbleiben?. Foto: Roland Weihrauch/dpa

Im Verein mit vielen Unterstützern fordert Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) angesichts drohenden Obst- und Gemüsemangels in der Corona-Krise eine Aufhebung des Einreiseverbots für ausländische Saisonarbeiter.

„Wir werden auf Saisonarbeiter nicht verzichten können“, sagte sie im „ARD-Morgenmagazin“. „Wir müssen eine Lösung finden, wir können die Bauern hier nicht hängenlassen“, betonte die CDU-Politikerin.

Unionspolitiker richteten einen Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und forderten darin eine Lockerung der Einreisebeschränkungen für Saisonarbeitskräfte aus Rumänien und anderen EU-Mitgliedstaaten. Die deutschen Landwirte müssten in den nächsten Tagen entscheiden, welche Obst- und Gemüsesorten noch angebaut und geerntet werden könnten, daher sei keine Zeit zu verlieren, heißt es in dem Schreiben der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft der Fraktion, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Die von der EU-Kommission empfohlene bevorzugte Abfertigung von Saisonarbeitskräften für die Landwirtschaft müsse in Deutschland unverzüglich umgesetzt werden, schreiben die Abgeordneten Albert Stegemann und Gitta Connemann in ihrem Brief vom Dienstag, der auch an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und an Klöckner (CDU) gerichtet ist. „Deshalb ist das Einreiseverbot für Saisonarbeitskräfte unverzüglich aufzuheben“, fordert die Arbeitsgruppe.

Alljährlich arbeiten nach Zahlen des Bauernverbands rund 300.000 zeitweilige Helfer in den deutschen Agrarbetrieben. Das Bundesinnenministerium hatte vergangene Woche ein Einreiseverbot für ausländische Saisonarbeiter erlassen. Das trifft vor allem Obst-, Gemüse- und Weinbauern.

Der Hintergrund: Deutschland droht in der Corona-Krise kein allgemeiner Lebensmittelmangel, weil in den meisten Bereichen der Landwirtschaft im Inland mehr produziert als konsumiert wird. Das gilt für Getreide und Milchprodukte ebenso wie für die meisten Fleischsorten. Obst und Gemüse jedoch sind die Ausnahme. Der „Selbstversorgungsgrad“ lag 2018/19 laut Bundesagrarministerium bei 36 Prozent, für Obst bei lediglich 22 Prozent. 

Der Einreisestopp müsse „so kurz wie möglich“ gehalten werden, sagte Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied der Deutschen Presse-Agentur. „Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln ist nicht gefährdet, dennoch kann es durchaus bei verschiedenen Kulturen im Obst- und Gemüsebereich zu Versorgungslücken kommen“, sagte Rukwied. „Diese Verknappung wird auch Auswirkungen auf den Preis haben.“

Der Bauernverband schätzt, dass nach Ausschöpfung aller inländischen Reserven für April und Mai jeweils noch 40.000 Saisonarbeiter aus dem Ausland gebraucht werden.

Die Arbeitsgruppe der Unionsfraktion schlug vor, durch Fiebertests im Fahrzeug und die Einrichtung besonderer Fahrspuren an den Grenzen könne sichergestellt werden, dass ausländische Arbeitskräfte die Betriebe „ohne weitere Berührung und ohne Zeitverlust erreichen können“. Möglicherweise könnten die Erntehelfer auch am Arbeitsplatz auf das neuartige Coronavirus getestet werden.

Eine Sprecherin von Klöckners Ministerium sagte, das Robert Koch-Institut solle helfen, Standards zu erarbeiten. Im Mai gebe es Bedarf an 85.000 Helfern. „Es gibt Saisonarbeiter, die bereits im Land sind.“ Auf der vom Landwirtschaftsministerium unterstützte Plattform „Das Land hilft“ gibt es demnach aktuell mehr als 41.000 Angebote.

Das Innenministerium plädiert für den Einsatz von Asylbewerbern. Es gebe rund 156.000 arbeitslose Schutzberechtigte, die sofort einsetzbar wären, sagte ein Sprecher. Schätzungsweise gebe es zudem 100.000 Asylbewerber, die prinzipiell arbeiten könnten. Es ist allerdings unklar, wie viele von ihnen schon einen Job haben.

Am Dienstag gab es dazu ein Gespräch zwischen Seehofer und Klöckner. Nach dpa-Informationen wurden verschiedene Vorschläge diskutiert, aber noch keine Entscheidung getroffen. Am Mittwochabend sollten weitere Beratungen folgen. Sollte dabei ein Kompromiss erzielt werden, könnte das Einreiseverbot für einen Teil der Arbeiter aus Osteuropa an diesem Donnerstag gelockert werden.

Die Bundesregierung überlegt außerdem, ob Menschen, die über die sogenannte Westbalkan-Regelung zum Arbeiten nach Deutschland gekommen waren und jetzt wegen der Corona-Krise von Kurzarbeit oder Jobverlust betroffen sind, als Erntehelfer eingesetzt werden könnten. Von einer Arbeitserlaubnis für abgelehnte Asylbewerber aus „sicheren Herkunftsländern“ hält man im Innenministerium dagegen nichts.