Langfinger nutzen Personalnot aus

Polizei klärt Verkaufspersonal über die gängigen Tricks auf – Rat: Bei Diebstählen immer Anzeige erstatten

Von Andrea Wüstholz

WAIBLINGEN. Rotzfrech tricksen sie das Personal aus. Sie stecken teures Parfüm ein, Wein oder Wodka, Handys oder Laptops. Sie sind Halbstarke oder Hausfrauen, Rentner oder renitente Profis: Ladendiebe richten einen immensen Schaden an. Der brave Bürger zahlt’s über höhere Preise. Wie Ladeninhaber Langfingern Einhalt gebieten können, erklärt die Polizei in Schulungen.

Einmal hat ein Dieb im Baumarkt eine fein säuberlich verpackte Bohrmaschine in einem Farbeimer versenkt, erzählt Polizeihauptkommissar Klaus Ebner. Diese Vorgehensweise zählt zum „Deckeltrick“, und der lässt viele weitere Varianten zu. Klaus Ebner klärt Einzelhändler und deren Verkaufspersonal in Schulungen über die gängigen Tricks auf. Je besser sie sich auskennen mit diesem weitverbreiteten Phänomen, desto eher lassen sich Diebstähle im besten Fall verhindern. Ebners Rat: In jedem Fall Anzeige erstatten. Es stimmt schon, bestätigt er, die Staatsanwaltschaft kann solche Fälle einstellen, sofern jemand zum ersten Mal erwischt worden ist. Aber: Beim zweiten Mal kann’s anders ausgehen.

Ladendiebe stammen „aus allen sozialen Schichten“, berichtet Ebner, sprich: Längst nicht jeder, der klaut, ist von Not getrieben. Es geht schlicht um „den Kick“, und unter sehr jungen Dieben häufig um Prestige: Manch ein Mitschüler kann einen Hunderter ausgeben, als wär das nichts, während andere sich die gängigen Statussymbole nicht leisten können. Klaus Ebner möchte das nicht als Entschuldigung verstanden wissen – nur als Erklärung.

Er rät Einzelhändlern zu einer Vielzahl vorbeugender Maßnahmen: Warensicherungen auch an weniger teuren Produkten anbringen. Den Verkaufsraum übersichtlich gestalten. Überwachungstechnik und Spiegel einsetzen.

Diebe halten sich lange

in Abteilungen auf

Sofern machbar, zumindest zeitweise Detektive beschäftigen. Ergreifungsprämien ausloben, ja, auch das. Eine solche Prämie können auch ehrliche Kunden erhalten, die einen Dieb beobachten und melden. Ebner glaubt, dass der eine oder andere Dieb von seinem Vorhaben ablässt, wenn er in einem Laden Schilder sieht mit Hinweisen auf solche Prämien. Bester Komplize der Diebe ist die Personalnot im Einzelhandel. In Discountern, und nicht nur dort, flitzen Beschäftigte zwischen Kasse, Lager und Regalen dauernd hin und her. Es bleibt keine Zeit, ein Auge auf die Kunden zu haben. Einen potenziellen Ladendieb kann man eventuell am Verhalten erkennen, sagt Klaus Ebner. Häufiges Umschauen gehört zum Verhaltensmuster von Tätern.

Sie halten sich besonders lange in einer Abteilung auf, tauchen mehrmals im Geschäft auf, haben große Taschen oder Rucksäcke bei sich, tragen besonders weite Kleidung. Zu jeder Zeit nutzen sie Gelegenheiten, doch es gibt Schwerpunkte. In der Mittagszeit sind mehr Diebe unterwegs als sonst, weil sie darauf spekulieren, dass wegen der Pausenzeit weniger Personal aufpasst.

In der Zeit vor Geschäftsschluss rechnen Diebe mit nachlassender Aufmerksamkeit des Personals, und wenn wie vor Feiertagen oder in der Vorweihnachtszeit besonders viel los ist, kommt ihnen das natürlich entgegen. Geschäftsinhaber wie Angestellte dürfen einen Ertappten zwar nicht durchsuchen, aber ihn festhalten und ihm gar mit Gewalt das Diebesgut abnehmen, erklärt Klaus Ebner. In der Regel gilt ein Diebstahl dann als vollzogen, wenn der Betreffende ohne zu bezahlen die Kasse passiert hat. Ein Ladendieb ist auch ein Mensch, wenn auch manchmal ein sehr aufgebrachter. „Nicht durch lautes oder forsches Auftreten des Diebs verunsichern lassen“, rät Klaus Ebner.

Wird ein Täter handgreiflich oder ist gar mit Waffeneinsatz zu rechnen, sieht die Sache anders aus: Sich selbst gefährden, das macht keinen Sinn. Also den Dieb lieber ziehen lassen und sich sein Aussehen so gut es geht einprägen.

Recht regelmäßig berichtet die Polizei von renitenten Dieben. Ende September hat ein 50-Jähriger in einem Drogeriemarkt in Waiblingen eine Angestellte am Arm verletzt und eine weitere umgestoßen, um sich mitsamt zwei geklauten Parfüms aus dem Staub machen zu können. Sein Vorhaben misslang.