Langzeitstudie: „Jung stirbt, wen die Götter lieben“

dpa Ulm/Koblenz. Deutsche Olympia-Teilnehmer haben eine höhere Mortalitätsrate als der Durchschnittsbürger - bei Top-Athleten mit großen Erfolgen steigt das Sterberisiko sogar noch. Dies geht aus einer Langzeitstudie von Professor Lutz Thieme hervor, über die die „Südwest Presse“ (Dienstag) berichtete. Der Autor der Studie von der Hochschule Koblenz hat dafür im vorigen Jahr Daten der Olympischen Spiele von 1956 bis 2016 ausgewertet.

„Jung stirbt, wen die Götter lieben?“, wählte der 53-Jährige als provokanten Titel - und beantwortete die Frage mit Ja. So haben der Studie zufolge ehemalige westdeutsche Olympia-Teilnehmer im Alter zwischen 35 und 64 Jahren ein nahezu doppelt so hohes Sterberisiko wie die gleichaltrige Durchschnittsbevölkerung.

Zudem stellte sich heraus, „dass der olympische Erfolg ein lineares Risiko für die Überlebenswahrscheinlichkeit darstellt“, erläutert Thieme in seiner Untersuchung. Der Gewinn einer Olympia-Medaille im Untersuchungszeitraum habe die Mortalitätsrate beeinflusst: So beträgt das Sterberisiko eines Silbermedaillengewinners 93 Prozent im Vergleich zu einem Olympiasieger. Diese Abstufung setze sich bis zum vermeintlich „unglücklichen“ Vierten fort.

„Stärkste Risikofaktoren waren das männliche Geschlecht, die Entsendung durch die alte Bundesrepublik sowie der olympische Erfolg“, sagte Thieme am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. „Mortalitätsstudien, die sich auf lebende Generationen beziehen, sind immer vorläufig, so dass sich die Befunde nicht so ohne Weiteres auf die aktuelle Sportlergeneration übertragen lassen“, erklärte er. „Die Ergebnisse sprechen dennoch für eine umfassende Risikovorsorge.“

Der Mainzer Sportwissenschaftler Perikles Simon sieht Thiemes Studie als „Rohdiamant“ für weiterführende Diskussionen über die Zustände im deutschen Leistungssport - insbesondere in der Zeit vor der Wiedervereinigung. „Dass man eine höhere Sterberate bei den westdeutschen Olympioniken der 70er- und 80er-Jahre sieht, ist bemerkenswert und deutet darauf hin, dass im Westen Doping gesundheitlich stärkere Spuren hinterlassen hat“, sagte der Sportmediziner und Doping-Experte der „Südwest Presse“.