Laschet in Not: „Zukunftsteam“ soll das Blatt wenden

Von Von Jörg Blank, dpa

dpa Berlin. In drei Wochen wird gewählt - und die Union kommt mit ihrem Kanzlerkandidaten nicht aus dem Umfragetief heraus. Jetzt präsentiert er acht Köpfe, die mit Inhalten punkten sollen. Ob das noch hilft?

Laschet in Not: „Zukunftsteam“ soll das Blatt wenden

Kanzlerkandidat Armin Laschet (mitte) präsentiert das „Zukunftsteam“ der Union in der CDU-Parteizentrale. Foto: Christoph Soeder/dpa

Es soll schwungvoll wirken, als Armin Laschet sein „Zukunftsteam“ vorstellt, und es soll drei Wochen vor der Bundestagswahl endlich ein Signal des Aufbruchs sein.

Vier Frauen und vier Männer holt der Unions-Kanzlerkandidat am Freitag zu sich auf die Bühne im Foyer der Parteizentrale. Auftritt, Vorstellung, Statement, Abtritt. Es wirkt ein wenig wie in einer Castingshow, die Unions-Wahlkämpfer applaudieren im Hintergrund laut.

Historisch schlechte Umfragewerte

Dabei steht der CDU-Chef wegen der wie festgenagelt auf historischem Tiefststand stehenden Umfragewerte schwer unter Druck - und manchmal kann man ihm das heute auch ansehen. Etwas verkniffen schaut er dann, die Finger der rechten Hand aufs Rednerpult gepresst. Die Hauptfrage für ihn und die Union lautet: Schafft Laschet mit den Frauen und Männern aus dem „Zukunftsteam“ den Umschwung, heraus aus dem desaströsen Umfragetief? Kann er nach 16 Jahren Angela Merkel das Kanzleramt für die Union halten? Wenn nicht, könnte seine politische Zukunft recht rasch besiegelt sein. Die Zeit wird knapp.

Klagen aus der eigenen Partei

„Noch 23 Tage bis zur Bundestagswahl. Und es geht jetzt um Inhalte. Es geht um eine Richtungsentscheidung der deutschen Politik“, gibt Laschet sich kämpferisch. Lange hat er gezögert, ob er ein Team präsentieren soll. Würde man damit das aktuelle Kabinett abwerten? Könnten jene verprellt sein, die nicht zum Zug kommen? Solche Fragen sollen eine Rolle gespielt haben, hört man in der Union.

Der Kandidat ziehe bei vielen Bürgern einfach nicht, die Kampagne sei mau, beklagen manche bis in die Spitzen der Union. Laschet solle endlich eine Mannschaft präsentieren, die die Breite der Partei demonstrieren könne. Und Inhalte. Schon macht das Horrorszenario vom Sturz in die Opposition die Runde.

Laschet liefert jetzt. Er präsentiert acht Kernthemen, mit denen die Union bis zum 26. September punkten will, dazu je einen zumindest unionsintern bekannten Kopf. Ein Schattenkabinett soll das nicht sein, wird betont. Bundesweit bekannte Zugpferde gibt es nur wenige im Team, aber ob Laschet das überhaupt gewollt hat?

Schaut man sich das „Zukunftsteam“ an, sieht man ein gemischtes Bild:

• FRIEDRICH MERZ, Laschet im Kampf um den Parteivorsitz unterlegen, wird als erster präsentiert. Als einen der profiliertesten Finanz- und Wirtschaftspolitiker der Bundesrepublik hebt der Parteichef ihn hervor. Soviel Lob dürfte den Konservativen in den eigenen Reihen gefallen. Doch auch einige in den oberen Etagen der Union erkennen in dem Ex-Unionsfraktionschef kein Aufbruchssignal. Und manche jüngere Wirtschaftsexperten sehen ihre Felle davonschwimmen, sollte Laschet Kanzler werden und Merz dann zum Minister machen.

• Der Terrorismus-Experte PETER NEUMANN, der im Team das für die Union wichtige Kernthema innere und äußere Sicherheit abdecken soll, bringt gleich zu Beginn zum Ausdruck, was sich manche Kritiker wohl bei der Präsentation denken: „Ich bin ja kein Politiker, und deswegen wollte ich einfach erstmal zwei Worte darüber sagen, warum ich mir das antue.“ Antue? Klingt fast nach Kampf auf verlorenem Posten und wie eine Bestätigung jener, die in Laschets „Zukunftsteam“ einen verzweifelten Versuch sehen, das Ruder doch noch herumzureißen. Doch dann liefert Neumann eine Eloge auf Laschet, den Teamplayer: Laschet gehöre zu jener Sorte Politiker, „die wirklich zuhören, die wirklich reflektieren, und die wirklich echt an den Themen interessiert sind“. Mehr kann sich Laschet an diesem Tag an Unterstützung von Neumann kaum gewünscht haben.

• Den Musikmanager und Bundestagskandidaten JOE CHIALO, als Sohn einer tansanischen Diplomatenfamilie in Bonn geboren, stellt Laschet als jemand vor, „der um die Ecke denkt, die Dinge anders macht“. Der nicht aus dem Hörsaal in den Plenarsaal gewechselt sei, „sondern der beruflich etwas geleistet hat, Ideen hat, kreativ ist, Menschen bewegen kann“. Chialo stellt sich locker und lässig vor, in Turnschuhen, schwarzer Hose und dunkelblauem Pullover wirkt er beim Gruppenbild wie das Gegenmodell der Anzugträger neben ihm.

Die übrigen Mitglieder von Laschets Zukunftsteam sind im Politikbetrieb alte Bekannte:

• Fraktionsvize ANDREAS JUNG (CDU) hat zusammen mit Laschet bereits die Kernpunkte zur Klima- und Energiepolitik vorgestellt. In der Union gilt er etlichen als ministrabel - doch ob es für den Baden-Württemberger am Ende klappt, ist offen.

• Die CSU-Frau DOROTHEE BÄR ist Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung. Auch im Team von Laschet steht sie für Digitalisierung und für Staatsmodernisierung. Bär könnte wohl damit rechnen, Digitalministerin zu werden - wenn Laschet Kanzler wird.

• Die Niedersächsin SILVIA BREHER ist CDU-Vizin, im Bundestag kümmert sie sich um Agrarthemen und sitzt im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. In Unions-Team steht sie für „Familie und Generationen“ - CDU-Strategen sehen hier Nachholbedarf im Wahlkampf.

• KARIN PRIEN ist Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Schleswig-Holstein, sie leitet den Bundesfachausschusses Bildung, Forschung und Innovation der CDU. Wie Laschet brenne sie seit Jahren für das Thema Bildungsgerechtigkeit, betont Prien zur Vorstellung.

• Sachsens Kulturministerin BARBARA KLEPSCH ist in Laschets Team für Soziales und gleichwertige Lebensverhältnisse zuständig. Mit ihrer Expertise sei sie „eine Stimme, die weiß, wie Ostdeutschland tickt“, betont der Kanzlerkandidat.

„Ich freue mich schon auf diesen Endspurt“, sagt Laschet zum Schluss und setzt erneut eine Spitze gegen SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Er freue sich aber vor allem darauf, „in den nächsten Tagen mal zu sehen, welche weiteren Persönlichkeiten denn die SPD zu bieten hat. Wie eigentlich die künftige Mannschaft der SPD aussieht, wenn man ihr die Stimme gibt.“ Da ist er wieder, der Ton, der für manche nach alter Rote-Socken-Kampagne klingt.

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