Laschet will über wirkungsvolle Maßnahmen nachdenken

dpa Berlin/Düsseldorf. CDU-Chef Armin Laschet sieht weiteren Handlungsbedarf, um die Corona-Zahlen einzudämmen - eine Lösung hat er aber noch nicht.

Laschet will über wirkungsvolle Maßnahmen nachdenken

„Was ist wirkungsvoll, was erreicht es, dass wir diese dritte Welle brechen. Die Lage ist extrem ernst und da sind alle im Moment dabei, alle Möglichkeiten zu prüfen“, sagt Armin Laschet. Foto: Michael Kappeler/dpa

CDU-Chef Armin Laschet will über die Ostertage darüber nachdenken, welche Maßnahmen die dritte Welle der Corona-Pandemie wirkungsvoll eindämmen könnten.

Die gemeinsam beschlossene Osterruhe habe nicht funktioniert, sagte Laschet am Mittwochabend im ZDF-„heute journal“. „Deshalb müssen wir jetzt gemeinsam über die Ostertage nachdenken, was ist denn eine Ersatzmöglichkeit, wo können wir weitere Schutzmechanismen einführen, wo können wir das Leben herunterführen, darüber muss gesprochen werden. Es gibt nur noch nicht die Lösung wenn sie mich fragen.“

Auf die Frage, ob es angesichts der stark steigenden Infektionszahlen noch die Zeit gebe, sich ein paar Tage Gedanken zu machen, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident: „Nein, wir haben die Zeit nicht, aber wir haben an dem Beispiel Gründonnerstag/Karsamstag gesehen, dass, wenn man zu schnell was entscheidet, die Praktiker sagen: Es geht nicht.“ Deshalb sei es gut, dass man jetzt genau das überlege. „Was ist wirkungsvoll, was erreicht es, dass wir diese dritte Welle brechen. Die Lage ist extrem ernst und da sind alle im Moment dabei, alle Möglichkeiten zu prüfen.“

Mit der Osterruhe wollten Bund und Länder zusätzlich zu den Osterfeiertagen den Gründonnerstag und den Karsamstag zu Ruhetagen erklären. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) strich die Regelung wieder. Mit Blick auf die steigenden Zahlen rief Forschungsministerin Anja Karliczek die Bürger vor den Feiertagen dennoch dazu auf, Kontakte so gering wie möglich zu halten: „Gerade zu Ostern sollten wir alle einen oder mehrere Gänge zurückschalten“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Donnerstagmorgen bundesweit bei 134,2. Die Zahlen stiegen zuletzt stark, was auch an der zuerst Großbritannien entdeckten, sehr ansteckenden Corona-Variante B.1.1.7 liegen dürfte. Diese hat mittlerweile einen Anteil von 88 Prozent in Deutschland erreicht. Das teilte das Robert Koch-Institut (RKI) am Mittwochabend mit Verweis auf Tests der vergangenen Woche (22.-28. März) mit. Ihr Anteil sei kontinuierlich gestiegen.

Die Verbreitung der Variante sei besorgniserregend, weil sie „nach bisherigen Erkenntnissen deutlich ansteckender ist und vermutlich schwerere Krankheitsverläufe verursacht als andere Varianten.“ Es sei daher mit weiter steigenden Covid-Fällen in Kliniken zu rechnen.

Der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, warnte vor einer Überfüllung von Deutschlands Intensivstationen innerhalb von vier Wochen. „Seit Mitte März sind unterm Strich 1000 Intensivpatienten zusätzlich in den Krankenhäusern gelandet. Wenn sich diese Geschwindigkeit fortsetzt, sind wir in weniger als vier Wochen an der regulären Kapazitätsgrenze angelangt“, sagte Karagiannidis der „Rheinischen Post“.

Der neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, kritisierte in der „Rheinischen Post“ solche Warnungen: „Ich bin auch davon überzeugt, dass die Schreckensszenarien, die aus dem Bereich der Intensivmedizin seit Tagen verbreitet werden, weder in der Politik noch in der Bevölkerung zu den damit wahrscheinlich beabsichtigten Reaktionen führen werden.“

Auf die Kommunikation im Allgemeinen bezogen sagte Gaß: „Die derzeitige politische Kommunikation sorgt weder für Glaubwürdigkeit noch für Vertrauen in der Öffentlichkeit. Wenn der eine Ministerpräsident vor Inzidenzraten von 700 warnt und der andere sein gesamtes Bundesland zum Modellversuch erklärt, ist das aus meiner Sicht das genaue Gegenteil dessen, was die Bürgerinnen und Bürger von der Politik erwarten dürfen.“

Auch der Deutsche Städtetag sieht Verbesserungsbedarf bei der Kommunikation - aber mit Blick auf den Impfstoff von Astrazeneca. Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir brauchen jetzt eine klare und sehr intensive Kommunikation von Bund und Ländern zu den Impfstoffen. Die Menschen müssen nach dieser Astrazeneca-Entscheidung so einfach wie möglich einen Überblick bekommen: Für welche Gruppen der Bevölkerung kommen welche Impfstoffe zum Einsatz? Wo liegen Vorteile und Risiken der Impfungen?“

Bund und Länder hatten am Dienstagabend nach einer Empfehlung der Ständigen Impfkommission beschlossen, Astrazeneca in der Regel nur noch für Menschen ab 60 Jahre einzusetzen. Jüngere sollen sich „nach ärztlichem Ermessen und bei individueller Risikoanalyse nach sorgfältiger Aufklärung“ weiterhin damit impfen lassen können. Hintergrund sind Fälle von Blutgerinnseln (Thrombosen) in Hirnvenen.

Dedy sagte, die Impfkampagne in Deutschland habe „leider wieder“ einen Rückschlag erlitten. „Die Empfehlung, mit Astrazeneca jetzt vor allem Menschen über 60 Jahre zu impfen, sorgt für zusätzlichen Aufwand in den kommunalen Impfzentren. Aber wenn Hinweise auf medizinische Risiken auftreten, muss diesen nachgegangen werden. Die Menschen müssen Vertrauen in die Sicherheit der Impfungen haben. Das ist das A und O.“

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, sieht den Impfstart in Hausarztpraxen im April durch den teilweisen Astrazeneca-Impfstopp nicht gefährdet. „Und zwar deshalb nicht, weil der Impfstart in den Arztpraxen zunächst nur mit dem Impfstoff von Biontech und nicht mit Astrazeneca beginnen wird“, sagte Gassen der „Rheinischen Post“. Der Astrazeneca-Impfstoff werde nach dieser Entscheidung nun vorwiegend in den Impfzentren eingesetzt, während in den Praxen eher Vakzine von Biontech und Johnson & Johnson verwendet würden, sagte Gassen.

Deutschlands Kassenärzte wollen ohnehin möglichst vermeiden, Menschen unter 60 Jahren mit dem Impfstoff von Astrazeneca zu impfen. „Der Zeitbedarf für eine Beratung und intensive Aufklärung jüngerer Patienten steht einer schnellen Impfkampagne diametral entgegen“, sagte der Vizechef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Stephan Hofmeister, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Wir wollen schnell und zügig impfen.“ Daher empfehle die Bundesvereinigung, Astrazeneca nur Menschen über 60 zu spritzen.

Für den Fall, dass ein Arzt doch mit Astrazeneca impfen wolle, sagte der KBV-Vize: „Die Bringschuld der Praxis ist höher, weil in einem möglichen Prozess detailliert dargelegt werden muss, dass alle Aufklärungs- und Beratungspflichten erfüllt wurden.“ Der Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, sagte dem RND: „Ich würde den Kolleginnen und Kollegen raten, mit den Impfungen von unter 60-Jährigen mit diesem Impfstoff zunächst abzuwarten, bis der Sachverhalt klarer und detaillierter vorliegt.“

© dpa-infocom, dpa:210401-99-49947/3