Lehrermangel an den Schulen im Rems-Murr-Kreis spitzt sich zu

Schon zu Beginn des neuen Schuljahrs bleiben im Rems-Murr-Kreis 66 Stellen unbesetzt. Durch Krankheit und Schwangerschaften dürfte sich die Lage noch verschärfen. Die Folge: Zusatzangebote werden gestrichen und es droht massiver Unterrichtsausfall.

Lehrermangel an den Schulen im Rems-Murr-Kreis spitzt sich zu

Auch wenn die Schule am Montag wieder startet, könnten manche Klassenzimmer leer bleiben. Die Lehrerversorgung reicht gerade noch für das Pflichtprogramm, eine Reserve für Krankheitsvertretungen gibt es nicht. Archivfoto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

WEISSACH im Tal. Auch sechseinhalb Wochen Sommerferien sind irgendwann zu Ende: Am Montag beginnt für die Schülerinnen und Schüler im Land wieder der Schulalltag. Gut möglich, dass viele von ihnen aber weniger Zeit im Klassenzimmer verbringen werden als sie es laut Stundenplan müssten. Denn der Lehrermangel an den Schulen im Rems-Murr-Kreis ist noch prekärer als in den vergangenen Jahren.

An den 124 allgemeinbildenden Schulen, die das Staatliche Schulamt in Backnang betreut, sind zurzeit insgesamt 43 Vollzeitstellen nicht besetzt, weitere 23 Lehrer fehlen an den 14 sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ). „Die Lage hat sich im Vergleich zum vergangenen Jahr noch mal verschärft“, sagt Markus Keller, Fachbereichsleiter für die Unterrichtsversorgung im Staatlichen Schulamt.

Fast 600 ukrainische Kinder werden zurzeit im Kreis unterrichtet

Ein Grund für die prekäre Situation sind die steigenden Schülerzahlen durch den Zustrom von Geflüchteten aus der Ukraine. Fast 600 ukrainische Kinder werden zurzeit im Rems-Murr-Kreis unterrichtet. Die Zahl der Vorbereitungsklassen, in denen die Kinder erst einmal die deutsche Sprache lernen, musste dafür von 43 auf 71 aufgestockt werden. Weil aber nach wie vor zu wenige Junglehrer von den Hochschulen kommen, müssen die Schulen dafür andere Angebote streichen. Das betreffe zunächst einmal Differenzierungsstunden und Förderangebote, sagt Markus Keller. Teilweise werde auch der Klassenteiler überschritten oder mehrere Klassen würden in einzelnen Fächern zusammengelegt.

Auch die Inklusion leidet unter dem Personalmangel: „Wir können den Schulen nicht die Lehrerstunden geben, die sie dafür eigentlich bräuchten“, sagt Claudia Dippon, die den Fachbereich Sonderpädagogik leitet. Dadurch werde es immer schwieriger, Kinder mit Behinderung an einer Regelschule zu unterrichten.

Auch Pensionäre und Quereinsteiger helfen aus

Immerhin 107 neue Lehrerinnen und Lehrer sind gestern in der Seeguthalle in Weissach im Tal vereidigt worden. Weitere 103 Lehrkräfte wurden mit befristeten Verträgen eingestellt: Dabei handelt es sich unter anderem um Pensionäre, aber auch um Quereinsteiger ohne klassisches Lehramtsstudium. Sie tragen dazu bei, dass zumindest das Pflichtprogramm zu Beginn des Schuljahrs überall abgedeckt ist.

Wenn in den kommenden Monaten allerdings Krankheitsfälle und Schwangerschaften hinzukommen, wird Unterrichtsausfall in größerem Stil wohl kaum zu vermeiden sein. Eine Vertretungsreserve gibt es in diesem Jahr nämlich nicht. „Unser Ziel ist, dass wir trotzdem möglichst viel Unterricht bis zum Schuljahresende anbieten können“, sagt Schulamtsleiterin Sabine Hagenmüller-Gehring. Das Personalpuzzlespiel beschäftigt in ihrem Amt mittlerweile vier Vollzeitkräfte.

Lernlücken sollen mit Geld vom Land geschlossen werden

Die gute Nachricht ist, dass erstmals seit drei Jahren wieder ein Schuljahr ohne pandemiebedingte Einschränkungen starten kann. „Das ist viel wert“, findet Sabine Hagenmüller-Gehring. Ob es so bleiben wird, steht zwar auf einem anderen Blatt, immerhin habe Kultusministerin Theresa Schopper aber versprochen, dass es keine Schulschließungen mehr geben soll. Im nächsten Schuljahr gehe es nun darum, die Lernrückstände aus der Coronazeit rasch aufzuarbeiten. Hagenmüller-Gehring ist deshalb froh, dass das Programm „Lernen mit Rückenwind“ auch im neuen Schuljahr weiterläuft. Die Schulen bekommen dabei Geld vom Land, mit dem sie zusätzliche Lernangebote finanzieren können.

Dabei gehe es nicht nur um fachliche Inhalte, sondern auch um die Stärkung „sozial-emotionaler Kompetenzen“. Denn auch der zwischenmenschliche Umgang und das Gruppengefühl hätten in vielen Klassen gelitten. Allerdings wird auch dafür Personal benötigt, was nicht immer einfach zu finden war. Trotzdem sei es inzwischen fast allen Schulen im Rems-Murr-Kreis gelungen, entsprechende Angebote einzurichten, freut sich die Schulamtsleiterin.

Drei Schulen starten einen Schulversuch

Mit Spannung blickt man im Staatlichen Schulamt auf die Plaisirschule und die Tausschule in Backnang sowie auf die Murrhardter Walterichschule. Diese drei Schulen beteiligen sich nämlich an dem Schulversuch „Lernförderliche Leistungsrückmeldung in der Grundschule“ (wir berichteten). Während einer vierjährigen Testphase soll erprobt werden, ob die Leistungen der Kinder auch ohne die klassischen Ziffernnoten bewertet werden können. Stattdessen sollen Schüler und Eltern in halbjährlichen Lernentwicklungsgesprächen und mit schriftlichen Kompetenzrastern über die erbrachten Leistungen informiert werden.

„Das ist schon eine kleine Revolution“, findet Schulamtsleiterin Sabine Hagenmüller-Gehring. Die für die Grundschulen zuständige Schulrätin Sabine Wecht verbindet mit einer Schule ohne Noten die Hoffnung, dass die neue Form der Leistungsrückmeldung „die Kinder motiviert und zu besseren Lernergebnissen führt“.

Schülerstatistik

Schulanfänger In der kommenden Woche werden im Rems-Murr-Kreis insgesamt 3706 Abc-Schützen eingeschult, das sind 59 mehr als im vergangenen Jahr. Insgesamt ist die Zahl der Grundschüler im Vergleich zum Vorjahr um 348 auf 14488 gestiegen.

Fünftklässler Von den Schülerinnen und Schülern, die zum neuen Schuljahr auf eine weiterführende Schule wechseln, haben sich 41,4 Prozent für ein Gymnasium oder eine Privatschule entschieden, 31,4 Prozent für eine Realschule und 26,6 Prozent für eine Gemeinschaftsschule. Werkrealschulen spielen mit einem Anteil von 0,6 Prozent kaum noch eine Rolle. Auffällig ist der überdurchschnittliche Anteil der Gemeinschaftsschulen. Landesweit entscheiden sich nur etwa 16 Prozent für diese Schulart.