Lehrerversorgung reicht nur fürs Pflichtprogramm

Zu Beginn des Schuljahrs bleiben 56 Stellen im Rems-Murr-Kreis unbesetzt. Vor allem Sonderpädagogen werden gesucht.

Lehrerversorgung reicht nur fürs Pflichtprogramm

Zum neuen Schuljahr bleiben viele Stellen unbesetzt. Symbolfoto: Pixabay/G. Altman

Von Kornelius Fritz

WEISSACH IM TAL. 101 junge Frauen und Männer haben gestern in der Seeguthalle in Weissach im Tal ihren Amtseid geschworen und sind nun verbeamtete Lehrerinnen und Lehrer. Weitere 34 waren bereits vor zwei Wochen vereidigt worden. Sie wurden anschließend direkt in den sogenannten Lernbrücken eingesetzt, um dabei zu helfen, Wissenslücken aus der Coronazeit zu schließen. Hinzu kommen noch weitere 37 Lehrkräfte mit befristeten Verträgen. Macht in Summe 172 neue Lehrer für den Rems-Murr-Kreis, wobei die Gymnasien da noch nicht mitgezählt sind.

Was viel klingt, ist in Wahrheit viel zu wenig. „Wir konnten 56 Stellen nicht besetzen. Der Markt ist wie leer gefegt“, sagt Helmut Bauer, der den Fachbereich Unterrichtsversorgung im Staatlichen Schulamt Backnang leitet. Besonders dramatisch stellt sich die Situation an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren dar. Im Bereich der früheren Förderschulen habe es kaum Bewerbungen auf die ausgeschriebenen Stellen gegeben, berichtet Schulamtsleiterin Sabine Hagenmüller-Gehring. Aber auch an den Grund- und Gemeinschaftsschulen fehlt es an Personal.

Vor Beginn des neuen Schuljahres stellt Hagenmüller-Gehring immerhin fest: „Alle Schulen sind arbeitsfähig“. Sprich, der Pflichtunterricht kann fast überall in vollem Umfang angeboten werden. Allerdings darf jetzt eigentlich nichts mehr passieren, denn die Personalreserve, die sonst vorgesehen ist, um Krankheitsfälle oder Schwangerschaften während des Schuljahres auszugleichen, ist diesmal schon vom ersten Tag an fest verplant. „Wir haben niemanden mehr auf unserer Vertretungsliste“, erklärt die Schulamtsleiterin.

Man muss also kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass sich die Unterrichtsausfälle spätestens mit Beginn der Grippesaison häufen werden. Außerdem werden sich viele Schulen auf das Pflichtprogramm beschränken müssen. „Das Kerncurriculum muss unterrichtet werden“, stellt Hagenmüller-Gehring klar, bei Profilfächern und Zusatzangeboten müssten die Schulen Abstriche machen.

Verschärft wird die ohnehin schon kritische Personalsituation durch die Auswirkungen der Coronapandemie. Lehrerinnen und Lehrer, die einer Risikogruppe angehören oder schwanger sind, können sich nämlich mit ärztlichem Attest vom Präsenzunterricht befreien lassen. Im Rems-Murr-Kreis haben dies glücklicherweise nur vier Prozent der Lehrkräfte getan und damit deutlich weniger als im Frühjahr, als noch mehr als 15 Prozent zu Hause geblieben waren. Diese Lehrer seien aber weder krank noch beurlaubt, betont Hagenmüller-Gehring, sondern müssten genauso unterrichten wie ihre Kollegen, nur eben von zu Hause aus. Wie das funktionieren soll, wenn die Kinder in der Schule sind, ist die Frage.

Am Gymnasium in der Taus ist laut Rektor Udo Weisshaar geplant, den Lehrer per Video ins Klassenzimmer zuzuschalten. Allerdings ist dann noch eine weitere Person als Aufsicht vor Ort nötig, was den Personalbedarf weiter erhöht. An der Max-Eyth-Realschule soll der Unterricht der Homeoffice-Lehrer deshalb auf den Nachmittag gelegt werden, wenn auch die Schüler zu Hause sind, erklärt Rektor Heinz Harter. Der Unterricht solle dann per Videokonferenz stattfinden, die Teilnahme sei für die Schüler genauso verpflichtend wie beim Unterricht in der Schule. Für Schüler, die zu Hause kein digitales Endgerät haben, stünden inzwischen auch Leihgeräte zur Verfügung, erklärt Harter.

Noch komplizierter wird’s, wenn sich Schüler vom Präsenzunterricht befreien lassen, was ebenfalls möglich ist. Sie müssten dann eigentlich komplett aus der Ferne unterrichtet werden, aber wer soll das machen, wenn die Lehrer in der Schule vor der Klasse stehen? Und den Unterricht einfach per Livestream nach Hause zu übertragen, ist auch nicht so einfach, denn da könnte es Probleme mit dem Datenschutz geben, weil keiner kontrollieren kann, was mit den Filmaufnahmen aus dem Klassenzimmer passiert.

„Wir müssen dafür noch Konzepte finden“, sagt Hagenmüller-Gehring und will jetzt erst einmal abwarten, wie viele Schüler eine solche Befreiung beantragen. Dass die Coronapandemie die Schulen vor große Herausforderungen stellt, merken sie und ihre Kollegen im Staatlichen Schulamt jeden Tag: „Wir haben noch nie so viele Schulen individuell beraten wie in diesem Jahr“, berichtet die Amtsleiterin. Doch es scheint sich zu lohnen: Die Hygienekonzepte seien gut und die Schulleiter gingen inzwischen souveräner mit dem Thema um. Selbst bei einem Coronafall an der Schule gerate keiner mehr in Panik. Für Hagenmüller-Gehring nährt das die Hoffnung, dass komplette Schulschließungen künftig nicht mehr nötig sein werden.

Lehrerversorgung reicht nur fürs Pflichtprogramm

„Die Krankheitsreserve ist bereits im Einsatz. Wir haben niemanden mehr zur Vertretung.“

Sabine Hagenmüller-Gehring,

Schulamtsleiterin

Weniger Abc-Schützen

Zum Schuljahr 2020/21 werden im Rems-Murr-Kreis 3395 Kinder eingeschult, das sind 4,3 Prozent weniger als im Vorjahr, die Zahl der Grundschüler insgesamt ging um 0,8 Prozent auf 14107 zurück.

Ebenfalls gesunken ist die Zahl der Realschüler (– 2,1 %), steigende Schülerzahlen melden hingegen die Gemeinschaftsschulen. Im Schulamtsbezirk besuchen nun 4845 Kinder diese Schulart (+ 4,9 %). Der Anteil der Gemeinschaftsschüler liegt damit im Rems-Murr-Kreis bei 24 Prozent, landesweit sind es nur rund 15 Prozent.

Stärken will das Land in diesem Jahr die Schulleitungen. Dafür werden im Rems-Murr-Kreis 38 Konrektorenstellen neu geschaffen, weitere 20Leitungsstellen werden frei. Das Staatliche Schulamt sucht deshalb fast 60 neue Führungskräfte.