Lehrkräfte werden händeringend gesucht

Schon vor Beginn des Schuljahrs war die Zahl der Lehrkräfte in der Region nicht ausreichend. Durch weitere Ausfälle haben sich Engpässe ergeben, Unterricht und Zusatzangebote werden gekürzt. Vier Expertinnen geben einen Einblick.

Lehrkräfte werden händeringend gesucht

Gerade in Fächern wie Mathematik gibt es aktuell kaum noch Bewerber auf offene Stellen. Symbolfoto: Imago

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Fachkräftemangel ist zurzeit ein häufig genutztes Wort. In verschiedensten Branchen fehlt es an Personal. Eine davon ist das Bildungswesen. Der Mangel an Lehrkräften ist auch längst an den Schulen der Region angekommen. „Wir merken es leider überall, an allen Schulen“, sagt Sabine Hagenmüller-Gehring, die leitende Direktorin des Schulamts Backnang. Schon zu Beginn des Schuljahrs habe sie einen Abmangel von 2000 Stunden verzeichnen müssen. Oft könnten die Schulen zwar noch alle Fächer abdecken, „aber was darüber hinausgeht, auch wenn es zum Konzept gehört, kann nicht mehr immer abgedeckt werden“. Das betreffe vor allem Gemeinschafts- und Realschulen.

Karin Moll, Rektorin der Mörike-Gemeinschaftsschule Backnang und zugleich geschäftsführende Schulleiterin aller Backnanger Schulen, kennt dieses Problem nur zu gut. Fast keine der Backnanger Schulen sei überhaupt mit einer 100-prozentigen Versorgung in das Schuljahr gestartet. Rechnet man dann noch Ausfälle durch Krankheiten oder wegen Schwangerschaften mit ein, wird es schnell brenzlig. Ihre Schule habe es besonders stark getroffen, es gebe einige langzeiterkrankte Lehrkräfte. „Ich weiß gar nicht, den wievielten Stundenplan wir schon schreiben.“ Zwar habe ihre Schule etwas Unterstützung bekommen, aber „von den vielen Minusstunden kann längst nicht alles aufgefangen werden“. So habe man beispielsweise schon individuelle Lernzeiten kürzen müssen oder die Doppelbelegung einer Klasse mit zwei Lehrkräften – Dinge, die die Mörikeschule eigentlich ausmachen. „Das schmerzt natürlich“, sagt Moll.

Kleine Schulen haben es schwerer

Ähnliches schildert auch Isolde Fleuchaus, Leiterin des Backnanger Berufsschulzentrums. Sie sagt: Die vielfältigen Angebote der Schule könnten nur aufrechterhalten werden, „wenn wir das Personal haben. Und daran hängt es gerade, denn Lehrer sind schwer zu finden.“ Ein Beispiel: Ihre Schule habe acht Stellen ausgeschrieben, vier Bewerbungen bekommen und nur zwei Stellen besetzen können. In manchen Fächern wie Mathematik habe es gar keine Bewerber gegeben. „Und von vier Anfängern bleiben am Ende zwei übrig, weil sie sich den Beruf doch anders vorgestellt haben.“ Auch Karin Moll bestätigt, dass es gerade in den Naturwissenschaften besonders schwierig sei, Lehrkräfte zu finden.

Langfristige Ausfälle versuche man zu vermeiden, sagt Sabine Hagenmüller-Gehring. Dafür würden auch Lehrkräfte anderswo abgezogen, um auszuhelfen. Bei kurzfristigen Ausfällen könne man hingegen nicht so schnell reagieren, das führe dazu, dass Unterricht gekürzt werden muss. Gerade an kleineren Schulen sei es oft schwierig, die Vertretung aus den eigenen Reihen zu organisieren. Karin Moll weiß von einer Grundschule, an welcher von neun Lehrkräften sechs ausgefallen sind.

An einem Nachmittag muss Unterricht gestrichen werden

Schwierigkeiten hat auch die Bodelschwinghschule in Murrhardt. Dort musste ein Nachmittag gekürzt werden, bestätigt die Schulamtsleiterin. Die Lage des Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentrums (SBBZ) sei ungeschickt, es gestalte sich schwer, für den Standort Lehrkräfte zu finden. Grundsätzlich sagt Katja Haßpacher, Schulleiterin der Fröbelschule in Schorndorf, zu der Lage der SBBZs: „Wir haben aktuell mit immensen Ausfällen zu kämpfen.“ In der Regel werde dem durch die Auflösung der Klassenverbunde begegnet. „Oft ist es aber mehr Überleben als qualitätvoller Unterricht.“

Dass eine Vertretung vielleicht nicht ganz den Standard des regulären Unterrichts halten kann, mag sein, räumt auch Karin Moll ein. Sie zeigt sich aber froh um die Kultur des Miteinanders, die die Schule präge und die es überhaupt ermögliche, eine solche Ausnahmesituation zu meistern. Als Rektorin ist sie sich auch der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern bewusst. „Ich habe Verständnis dafür, dass es sehr viel Arbeit ist, aber trotzdem muss es weitergehen“, erklärt sie ihren Zwiespalt.

Bei der Personalwahl nicht wählerisch sein

Sabine Hagenmüller-Gehring weist darauf hin, dass man momentan bei der Personalauswahl auch nicht wählerisch sein dürfe. „Wir stellen alle ein, zum Teil auch ohne Lehrbefähigung.“ Da sei klar, dass solche Personen nicht die gleiche fachliche Ausbildung mitbringen. „So etwas wird nicht ganz ohne Auswirkung bleiben.“ Inwieweit aber die Unterrichtsqualität unter dem aktuellen Lehrermangel leidet, könne man jetzt noch nicht sagen.

Darüber, wie die Zukunftsaussichten im Bildungsbereich sind, gibt es verschiedene Auffassungen. Die Schulamtsleiterin möchte optimistisch bleiben: „Wir müssen von Jahr zu Jahr schauen.“ Sie hoffe darauf, dass sich die Situation durch Rückkehrer aus der Elternzeit vielleicht entspannt. Für Karin Moll ist so schnell keine Besserung in Sicht. Dass erstmals nicht alle Studienplätze für das Lehramt an Haupt, Real- und Gemeinschaftsschulen an den Hochschulen in Baden-Württemberg besetzt werden konnten, habe sie mit Schrecken gehört.

Moll fordert: „Wir müssen uns kritisch damit auseinandersetzen, was schiefläuft.“ Der Lehrberuf müsse wieder attraktiver gemacht werden, da helfe es nicht, wenn in der Besoldung Grundschullehrer anders eingestuft werden als ihre Pendants in der Sekundarstufe. „Es braucht eine große politische Kampagne, um hier etwas zu ändern“, sagt Karin Moll.

Raumnot und stark veränderte Schülerzahlen prägen die Situation an den kreiseigenen Bildungseinrichtungen

Berufliche Schulen Die Zahl der Schülerinnen und Schüler an den beruflichen Schulen im Rems-Murr-Kreis ist leicht sinkend – sie lag 2022 erstmals unter 10000, nämlich bei 9939. Im Vorjahr waren es noch 10242. Zurückzuführen ist dies vor allem darauf, dass es weniger Teilzeitschüler (insbesondere Azubis im dualen System) gibt. Auf der anderen Seite ist die Integrationsleistung der Schulen gefragt: 450 junge Leute im Alter von 15 bis 22 Jahren besuchen derzeit eine der 21 Klassen im „Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen“ (Vabo). Isolde Fleuchaus betonte: „Wir sind voll!“ Ein weiteres Problem, eine Folge der Coronazeit, sieht Fleuchaus im stark unterschiedlichen Leistungsniveau der Schüler, zum anderen leiden immer mehr junge Leute unter psychischen Problemen. Fleuchaus’ Hoffnung ist, dass nach Corona der Übergang Schule/Beruf wieder besser klappt und mehr junge Leute eine Ausbildung beginnen.

Sonderschulen An den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ) im Kreis ist die Entwicklung der Schülerzahlen deutlich anders als in den beruflichen Schulen: Schon im vergangenen Jahr wurde mit 694 Schülern ein Höchststand erreicht, dieser wurde inzwischen schon wieder übertroffen. Aktuell werden an den SBBZs 720 Kinder und Jugendliche mit einer geistigen, körperlichen oder motorischen Behinderung beschult. Das bringt die Schulen an die Grenzen ihrer Kapazität, weshalb die Kreisverwaltung sich an allen Standorten um zusätzliche Räume bemüht. Während an den Fröbelschulen in Fellbach und Schorndorf sowie an der Christian-Morgenstern-Schule in Waiblingen Mieträume in Aussicht stehen, ist an der Bodelschwinghschule in Murrhardt eine Containerlösung in der Prüfung. Und noch eine weitere Entwicklung macht den Verantwortlichen zu schaffen: Die Lehrkräfte werden vermehrt verbal und körperlich angegriffen. Tritte, Schläge, Spucken – das alles komme vor und zwar nicht mehr nur in Ausnahmefällen. Katja Haßpacher forderte daher, vermehrt auf Alltagsbegleitung und Schulsozialarbeit zu setzen.