Umwelt

Letzte Chance: Verhandlungen über UN-Plastik-Abkommen

Die Welt versinkt im Plastik, Partikel finden sich auf den höchsten Bergen und in den tiefsten Meeren. Jetzt ringen Länder um ein Abkommen gegen den Plastikmüll. Was die Knackpunkte sind.

Letzte Chance: Verhandlungen über UN-Plastik-Abkommen

Es wird immer noch zu viel Einweg-Plastik produziert und verwendet. (Archivbild)

Von Von Christiane Oelrich, dpa

Genf - Schon jetzt verseuchen Plastikpartikel jeden Lebensraum der Erde und selbst den Menschen. US-Forscher haben im Gehirn und in der Leber von Toten im vergangenen Jahr deutlich mehr Nano- und Mikroplastik gefunden als noch 2016. In Genf hat ein letzter Versuch zur Einigung auf ein weltweit verbindliches Abkommen zur Reduzierung der Plastikverschmutzung begonnen. 

"Jede Stunde zählt", sagte der Vorsitzende der Konferenz, der ecuadorianische Botschafter Luis Vayas Valdivieso. "Wir schaffen die Grundlagen für ein globales Werkzeug, das die Zukunft der Umweltgeschichte verändern könnte." Mehr als 160 Staaten sind bei den Verhandlungen bis zum 14. August dabei.

Die EU gilt in vielerlei Hinsicht als Vorreiter, etwa mit dem Verbot von Einweg-Plastik wie Strohhalmen und Plastikbesteck. Dass weltweit so strikte Standards erreicht werden, gilt als unrealistisch. Warum ist das Abkommen für Menschen in Europa trotzdem wichtig? 

"Weil sich Mikroplastik über die Ozeane und die Luft in aller Welt verbreitet", sagt Moritz Jäger-Roschko von der Umweltorganisation Greenpeace. "Zudem nutzen wir viele Kunststoffprodukte, die nicht in der EU hergestellt werden - und deren Hersteller sich im Zweifelsfall auch nicht an EU-Regularien halten. Außerdem ist Deutschland auch der größte Plastikmüllexporteur Europas, das heißt, unser Müll ist weltweit für das Müllproblem mitverantwortlich."

Das Problem 

Von der Umweltstiftung WWF heißt es: "Plastikmüll zerstört Lebensräume, gefährdet Tiere und Menschen und vergiftet Ökosysteme." Weltweit nutzten die Menschen nach Schätzung des UN-Umweltprogramms (Unep) im vergangenen Jahr 500 Millionen Tonnen Plastik, fast doppelt so viel wie 25 Jahre zuvor. 400 Millionen Tonnen davon dürften schnell als Müll enden, so Unep. Ohne Maßnahmen verdreifache sich die Müllmenge bis 2060. Ein Viertel des Plastikmülls in Flüssen und Meeren stammt der Wissensplattform "Our World in Data" zufolge von Plastiktüten und -flaschen.

Die Folgen für Menschen

Mikro- und Nanoplastik nimmt man über die Nahrung, das Wasser und die Luft auf, wie Geoökologe Stefan Krause, Professor an der Universität Birmingham, sagt. "Sie gelangen schon im Mutterleib über die Plazenta an das ungeborene Baby." Es wurden auch Ablagerungen in Arterien nachgewiesen. Laminat- und Teppichböden könnten etwa vor allem krabbelnde Kinder belasten. Partikel, die wieder ausgeschieden werden, könnten vorher Additive im Körper freisetzen. "Viele Stoffgruppen beeinflussen die endokrinen Systeme, einige sind krebserregend", sagt Krause. Über das endokrine System steuert der Körper mit Hormonen komplexe Körperfunktionen. 

Was erreicht werden soll

Das Abkommen soll die Produktion, das Design und die Entsorgung von Plastik umfassen. Es soll weniger produziert werden, Produkte sollen möglichst mehrfach verwendet und recycelt werden können, und was übrig bleibt, soll umweltschonend entsorgt werden. Wie das gehen soll, ist umstritten. "Es ist Zeit für Mut, nicht Kompromisse", sagt Florian Titze vom WWF. "Ein Abkommen auf kleinstem gemeinsamen Nenner wird die Plastikkrise nicht lösen."

Die Knackpunkte

Eine Reihe Länder will möglichst nur Absprachen zur Abfallbeseitigung und keine Produktionsbeschränkungen. Umstritten ist auch, ob nur gewünschte Ziele oder klare, verbindliche Maßnahmen festgelegt werden. Gestritten wird, wer wie viel zur Finanzierung etwa für Recyclinganlagen in ärmeren Ländern beiträgt: Regierungen oder Herstellerfirmen oder eine Mischung aus beidem.

Die Ehrgeizigen 

Mehr als 100 Länder von Antigua und Barbuda bis Vanuatu haben sich für einen starken Vertrag mit klaren Auflagen auch zur Begrenzung der Produktion ausgesprochen, darunter auch die EU sowie viele afrikanische, asiatische und lateinamerikanische Staaten. Sie machen aber nur 30 Prozent des Marktanteils und ein Viertel der Weltbevölkerung aus. Die rund 300 Firmen und Finanzinstitutionen der "Unternehmerkoalition für einen ehrgeizigen Plastikvertrag" sind auch für einen "robusten Vertrag mit globalen Regeln und einheitlichen Verpflichtungen". China, das Land mit der größten Plastikproduktion, hat national schon Produktionsbeschränkungen geplant.

Die Bremser 

Die meisten Kunststoffe werden aus Öl hergestellt, deshalb verhindern vor allem die Ölstaaten einen ehrgeizigen Vertrag, darunter Iran, Saudi-Arabien, die Golfstaaten und Russland. Sie wollen nur über Müll und Recycling sprechen. Die US-Regierung unter Donald Trump schafft Regulierungen aller Art gerade ab. "Dadurch hat sich die Lage bei den Verhandlungen nicht gerade vereinfacht", heißt es aus Verhandlerkreisen. Die USA sind mit China die größten Herstellerländer von Plastik - in Europa ist es Deutschland.

Die Verhandlungen

Sollte es eine Einigung geben, gäbe es nächstes Jahr eine diplomatische Konferenz zur Unterzeichnung. Die Ratifizierung in den einzelnen Ländern dürfte mehrere Jahre dauern. In Genf werden Vertreter von mehr als 160 Staaten erwartet, ebenso hunderte Teilnehmer von Umweltorganisationen und Industrielobby-Verbänden. Deutschland ist mit einer Delegation vor Ort vertreten, aber die EU verhandelt für alle Mitgliedsstaaten.

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Plastikpartikel verschmutzen heute die hölchsten Berge und die tiefsten Ozeane. (Archivbild)

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Deutschland ist Greenpeace zufolge der größte Plastikmüllexporteur Europas. (Archivbild)

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In manchen Ländern ist vor lauter Plastikmüll auf Flüssen kaum noch ein Durchkommen. (Archivbild)

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Der Vertrag soll die Produktion einschränken und für mehr Recycling sorgen. (Archivbild)