Letzte Meile

Gebühr für Haustür-Pakete könnte zu bewussteren Bestellungen führen

Von Wolfgang Molitor

Ohne DHL wüsste ich gar nicht, wie meine Nachbarn aussehen: Der Spruch ist nicht neu, aber er trifft ins Schwarze. Denn das Paket bestimmt zunehmend den Alltag. Seit Jahren nimmt die Sendungsmenge zu. Waren es vor zehn Jahren laut dem Branchenverband BIEK noch 1755 Millionen Pakete, so wurden 2017 bereits 2804 Millionen auf den Weg vom Absender zum Empfänger geschickt. Ein Plus von rund 60 Prozent.

Es wird bestellt, was das Zeug hält. Längst bringt der Boom im Online-Handel die Paketdienste an ihre Kapazitätsgrenzen. Sie spüren den heißen Atem des Wachstums im Nacken. Immer mehr Kunden bestellen, prüfen, probieren – und schicken nicht selten zurück. Hopplahopp. Es kostet ja nichts. Und so stehen die Wagen der Zusteller in der zweiten Reihe, weil sonst der Fußweg des Paketboten zum Adressaten zu lang ist. Viele Empfänger sind zudem nicht zu Hause, wenn das Paket kommt. Schließlich weiß niemand, wann genau das ist. Dann kommt die Nachbarschaft ins Spiel – und wehe, wenn’s nicht funktioniert. Dann kommen Pakete verspätet oder woanders an. Obendrein fehlt es den Zustelldiensten an zuverlässigen Fahrern. Die letzte Meile zum Kunden ist der Schwachpunkt im System – personell und finanziell.

Noch schrecken die Paketdienste davor zurück, die letzten Meter an die Haustür extra in Rechnung zu stellen. Aber sie denken darüber so laut nach, dass man sich über eine Gebührenerhöhung nicht mehr wundern sollte. Der Weg zum Selbst-Abholen jedenfalls wird geebnet. Mit mehr Paketshops. Mit Paketkästen ohne Öffnungszeiten. Mit Echtzeit-Navis für optimierte Routen und konkrete Liefertage. Wer’s extra bequem will, wird extra zahlen müssen. Vielleicht wird dann endlich verantwortungsvoller bestellt.

wolfgang.molitor@stuttgarter-nachrichten.de