„Liebe auf den zweiten Blick“: Groko verteidigt Klima-Pläne

dpa Berlin. Monatelang haben Union und SPD ums Klimapaket gerungen, längst nicht alle Konflikte sind ausgeräumt. Im Bundestag soll es nun ruckzuck gehen - auch, damit die Regierung nicht zerbricht. Die Koalitionäre demonstrieren so etwas wie Harmonie. Mit Ausnahmen.

„Liebe auf den zweiten Blick“: Groko verteidigt Klima-Pläne

Die Kuppel des Reichstagsgebäudes hinter herbstlich gefärbten Bäumen. Foto: Christoph Soeder/dpa

Der Vizekanzler spricht sogar von Liebe: Die große Koalition hat ihre Pläne zum Klimaschutz im Bundestag verteidigt und sich dabei demonstrativ geschlossen gezeigt.

Gesetzentwürfe zu höheren Steuern auf Flugtickets, geringeren Steuern für Bahnfahrkarten, einer höheren Pendlerpauschale und neuen Regeln für den Klimaschutz waren am Freitag erstmals Thema im Parlament.

All das sind Bausteine des Klimaschutzprogramms, auf das sich Bundesregierung und Koalitionsspitzen nach monatelangen, schwierigen Verhandlungen geeinigt hatten. Beschließen soll der Bundestag die Gesetze im November - kurz vor dem SPD-Parteitag, an dem die Sozialdemokraten über die Zukunft der Koalition mit CDU und CSU entscheiden.

„Das wird eine Liebe auf den zweiten Blick“, prophezeite Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) den Kritikern in der Opposition in Bezug auf den Klimaschutz - und vielleicht nicht nur ihnen.

Vor allem gegen das Klimaschutzgesetz von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) gab es in der Union große Vorbehalte. Es macht für Bereiche wie Verkehr, Heizen oder Landwirtschaft jahresgenaue Vorgaben, wie viel Treibhausgas eingespart werden muss, und regelt, dass Fachminister nachsteuern müssen, wenn es nicht reicht. Schulze nannte es im Bundestag das „Herzstück“ des Klimapakets.

Zu den entschiedensten Kritikern hatte bisher Unions-Fraktionsvize Georg Nüßlein gehört, der Schulzes Pläne als Weg in die „Klimaplanwirtschaft“ verdammt hatte. Am Freitag zeigte der CSU-Politiker sich allerdings versöhnlich und nannte die Klimaschutz-Pläne „wohlabgewogen, ökologisch, sozial, ökonomisch“. Aus dem Klimaschutzgesetz habe man „all die Dinge rausverhandelt“, die das Thema „verfälscht“ hätten.

In der SPD rechnet man dennoch damit, dass es um dieses Gesetz, aber auch um Regelungen zum Windkraft-Ausbau noch Ärger geben wird. Es ist normal, dass der Bundestag Gesetzentwürfe der Regierung noch ändert. Das Bemühen um ein harmonisches Bild in der Koalition sprengte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der Parteichef werden will und während der Debatte auf Twitter zum Klimaschutzgesetz schrieb: „Alle wichtigen Beschlüsse sind aufgeschoben worden. Das Gesetz kann für die SPD bedeuten, dass wir dann nicht mehr dabei sind.“

Viel Kritik kam auch von der Opposition. Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte, das „Klimapäckchen“ werde im günstigsten Falle ein Drittel der Treibhausgase einsparen, die zum Erreichen des deutschen Klimaziels für 2030 - nämlich 55 Prozent weniger Klimagase als 1990 - notwendig wären. Gesine Lötzsch, Vize-Vorsitzende der Linken im Bundestag, warf der Koalition vor, sie wolle die Menschen umerziehen, man müsse aber die Produktionsweise ändern. „Die kapitalistischen Verhältnisse machen die Menschen zu Umweltzerstörern“, sagte sie.

FDP-Fraktionsvize Frank Sitta sagte, „weder das Klima noch die Bürger dieses Landes“ würden von den Plänen profitieren. Eine strikte Begrenzung des erlaubten CO2-Ausstoßes könne „planwirtschaftlichen Ballast“ überflüssig machen. Der AfD-Politiker Heiko Wildberg sprach von einem „Verbots- und Steuererhöhungs-Programm, wie man es seit den Zeiten des mittelalterlichen Ablasshandels nicht mehr gesehen hat“.

Ziel des Klimaschutzprogramms ist, dass Deutschland eigene und internationale Ziele beim Treibhausgas-Einsparen wieder einhält und Kurs auf Klimaneutralität für das Jahr 2050 nimmt - dann müssten alle Emissionen, die sich nicht vermeiden lassen, zum Beispiel über Aufforstung ausgeglichen werden.

Die Pläne werden nun nach und nach im Bundestag diskutiert, überarbeitet und dann beschlossen. Unter anderem will die Koalition den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) im Verkehr und beim Heizen teurer machen, die Steuer auf Flugtickets erhöhen, klassische Ölheizungen nach und nach aus den Kellern verbannen und die Kfz-Steuer für Neuwagen erhöhen, die viel Sprit schlucken.

Union und SPD setzen aber auch auf viele Entlastungen und Anreize. So soll zum Beispiel die Pendlerpauschale steigen und eine Mobilitätspauschale eingeführt werden. Für den Austausch alter Ölheizungen soll es einen Zuschuss geben. Und wer sein Haus oder seine Wohnung klimafreundlich saniert, soll Steuern sparen.

„Liebe auf den zweiten Blick“: Groko verteidigt Klima-Pläne

Schadstoffstark: Morgendlicher Berufsverkehr auf dem Kaiserdamm in Berlin. Foto: Michael Kappeler/dpa

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Bahntickets sollen durch die Klimagesetze billiger werden. Foto: Armin Weigel/dpa