Liebeserklärung an eine Ausgebeutete

Heimkino II „Roma“ erzählt von einem indigenen Kindermädchen in Zeiten des Umbruchs

Von Martin Schwickert

Film - Alfonso Cuarón erzählt in „Roma“ von dem

Stuttgart Mit dem Wort sollte man vorsichtig umgehen. Aber für diesen Film kann es keine andere Bezeichnung geben: Alfonso Cuaróns „Roma“ ist ein Meisterwerk, ein großer Glücksmoment des Kinos, ein Film, der mit seinem ruhigen erzählerischen Atem und der konzentrierten Visualität den ganzen Saal einnimmt. Kein rauschhaftes 3-D-Kino-Erlebnis, sondern ein Werk, das auf sanfte, eindringliche Weise tief berührt.

Im Zentrum des Geschehens steht nicht eine schwarzlederne Superhelden-Gestalt, sondern eine indigene junge Frau, die im ­Mexiko-Stadt der Siebziger als Haushälterin für eine Mittelschichtsfamilie arbeitet. „Roma“ ist Cuaróns cineastische Liebeserklärung an das Kindermädchen, das ihn großgezogen hat. Zu Recht wurde „Roma“ beim diesjährigen Filmfestival in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Trotzdem war das Werk in Deutschland nur in wenigen Städten in Einzelvorstellungen im Kino zu sehen. Es ist ab sofort beim Streamingdienst Netflix abrufbar.

Cuarón hat in 65-mm-Format und hochauflösendem Schwarz-Weiß gedreht, das ­genauso wie der perfekte Dolby-Atmos-Sound eine fast haptische Räumlichkeit entwickelt. Er stellt sein beträchtliches handwerkliches Können ganz in den Dienst der intimen Nähe, die er zu seiner Hauptfigur herstellen will.

Mit vollkommener künstlerischer Konsequenz bleibt er der Perspektive der Hausangestellten Cleo (Yalitza Aparicio) treu, die von der Familie ebenso ausgebeutet wie geliebt wird, und lässt gleichzeitig die gesellschaftlichen Umbrüche im Mexiko der siebziger Jahre einfließen. Die unverfälschte Autorenhandschrift und künstlerische Kohärenz sind in jeder Minute spürbar. Aber die stille, magische Kraft des Films wird sich auch mit dem besten Heimkino-Equipment nie ganz vermitteln.