Linksabbiegespuren sollen wegfallen

Der Verkehrsfluss an der Kreuzung B14/Maubacher Straße soll verbessert und Rückstau an der Spritnase verhindert werden. Die Idee dahinter: Je attraktiver die Nutzung der Bundesstraße ist, desto weniger Verkehr quält sich durch die Backnanger Innenstadt.

Linksabbiegespuren sollen wegfallen

Immer, wenn Linksabbieger Grün haben, geht dies auf Kosten des Gegenverkehrs, der dadurch eingebremst wird. Wenn nächstes Jahr das Linksabbiegen in die Stadt und nach Maubach verboten wird, dann wird sich der Verkehrsfluss laut den Prognosen der Experten stark verbessern. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. In wenigen Jahren soll die Bundesstraße14 vierspurig an Backnang vorbeiführen. Dann ist es nicht mehr möglich, an der bisherigen Kreuzung Maubacher Straße/Kitzbüheler Straße nach Backnang oder Maubach abzubiegen. Nun plant die Stadtverwaltung als Vorgriff auf den Wegfall dieser Kreuzung, jetzt schon die jeweiligen Linksabbiegerspuren aufzulösen. Das hätte den Vorteil, dass sich der Verkehrsfluss deutlich verbessern würde. Logisch, schließlich würde der Verkehr auf der Bundesstraße deutlich längere Grünphasen haben. Und noch eine Änderung würde dazu beitragen: Die Stadt plant, die beiden Linksabbiegespuren vor und nach der Ampel für den Verkehr zu erhalten, nämlich als zweite Fahrspur in Richtung Viadukt.

Beide Änderungen würden zu einer Art Dominoeffekt führen. Zuerst würde sich – so hoffen die Verkehrsplaner – auch an der Spritnase kein Rückstau mehr in Richtung Westen bilden. Das wiederum hätte zur Konsequenz, dass viel mehr Verkehrsteilnehmer als bisher auf der Bundesstraße weiterfahren und nicht schon an der Spritnase in die Stuttgarter Straße abbiegen würden. Derzeit wählen viele Auto- oder Lastwagenfahrer noch diese Route, um dem Stau auf der Stadtumfahrung auszuweichen. Und das, obwohl die Anschlussstelle Backnang-Mitte beziehungsweise die gesamte Umfahrung für ihr Fahrziel bei freier Straße viel passender wäre.

Die Auflösung der Linksabbiegerspur hätte also für die Innenstadt viele Vorteile. Allerdings gibt es auch Nachteile, wie Backnangs Baudezernent Stefan Setzer einräumt. Nämlich für all jene, die in der Industriestraße oder Im Seefeld parken beziehungsweise diese Straßen passieren. Die Verwaltung wurde vor allem von den Gewerbetreibenden des Gebiets der früheren Kaelble-Halle auf der Maubacher Höhe darauf hingewiesen, dass der gesamte Anlieferverkehr über diese Straßen fließen würde, bei der derzeitigen Parksituation aber ein Begegnungsverkehr zweier Lastwagen nicht möglich wäre. Baudezernent Setzer sieht die Problematik: „Die Gewerbetreibenden haben zu Recht darauf hingewiesen. Wir können nicht einfach die Linksabbiegespur auflösen und die Ampeln umklemmen und dann glauben, das Problem ist gelöst. So einfach ist das nicht.“

Eine Möglichkeit wäre, in den betroffenen Straßen Parkverbot auszusprechen. Doch Setzer verweist darauf, dass in diesem Bereich viele Schüler der gewerblichen Schule parken würden. Derzeit läuft laut Setzer eine Untersuchung, wer wann, wo und warum parkt und welche Alternativen es für ihn gäbe. Sobald die Antworten vorliegen, wird ein Konzept erarbeitet, wie der Parkdruck aus dem Gebiet herausgenommen werden kann. Fest steht für Setzer heute schon, „das Ergebnis darf nicht zulasten der angrenzenden Wohngebiete gehen“.

Stadtplanungsamtsleiter Tobias Großmann hat in Abstimmung mit dem Landratsamt und dem Regierungspräsidium Stuttgart eine Verkehrsuntersuchung in Auftrag gegeben, ob die erwarteten Verbesserungen eintreten und ob die Kreuzungen, die nach der Schließung der Linksabbiegespuren mehr Verkehr bewältigen müssen, überhaupt so leistungsfähig sind, dass dies funktioniert. Das Ergebnis des Büros Karajan Ingenieure Stuttgart fiel eindeutig aus: Jawohl, die Verbesserungen auf der B14 sind zu erwarten und die Kreuzungen an der Spritnase und der Stuttgarter Straße/Industriestraße sind geeignet, den zusätzlichen Verkehr aufzunehmen.

Parkplätze in der Industriestraße fallen über kurz oder lang weg.

Für Großmann ist es folgerichtig, dass in der Industriestraße die Parkplätze wegfallen, zumal die jetzt angedachte Verkehrsführung nach dem Ausbau der B14 ohnehin kommt, „das wäre jetzt nur ein Vorgriff auf die Zukunft“. Die Anbindung des Gewerbegebiets funktioniert laut Großmann nur mit einer leistungsstarken und nicht zugeparkten Industriestraße. Zumal in dieser Straße künftig auch ein Radweg angelegt werden soll.

Den Maßnahmen zustimmen kann auch Stefan Hein, der Dezernent des Landratsamtes Rems-Murr-Kreis für die Bereiche Bauen, Umwelt und Infrastruktur. Er bestätigt den hohen Parkdruck vor dem Kreisschulzentrum und betont, dass er keine Verdrängung des Parkverkehrs in die benachbarten Anliegerstraßen möchte. Gleichzeitig lehnt er es aber auch ab, die Parkkapazität im Bereich der Schule zu erhöhen, „das würde dem Ziel der Landkreisverwaltung widersprechen, den Verkehr von der Straße wegzubringen“. Er bestätigt, dass derzeit untersucht werde, wie die Schüler zur Schule kommen und welche Alternativen ihnen geboten und wie diese attraktiver gemacht werden können. Hein erwähnt den Ausbau der Radwege und möchte Lücken im Wegenetz schließen. Es gelte, vielfältige Anreize zu schaffen wie etwa komfortable Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Bereits geplante Projekte sollen schneller umgesetzt werden. Das all dies nicht einfach ist und schnell geht, weiß er sehr wohl, „das Umsteigen auf den ÖPNV ist ein Prozess“.

Dessen ungeachtet baut auch Großmann auf die Reduzierung des Verkehrs. Er wirbt für Fahrgemeinschaften und kündigt Verbesserungen beim ÖPNV an. Er plädiert dafür, eine Gesamtkonzeption auszuarbeiten. „Das Parkverbot wäre dann erst der übernächste Schritt.“ Unter Umständen kann es dann aber so weit kommen, dass in den angrenzenden Wohngebieten Anwohnerparkplätze ausgewiesen werden müssen. Zumal in den Gebieten aus den 50er-Jahren ohnehin nur wenige Stellplätze vorgeschrieben waren und heute zur Verfügung stehen. Hein unterstreicht dies: „Wir müssen erst ein vernünftiges Alternativangebot schaffen, bevor wir ein Parkverbot aussprechen. Wir können die Verkehrsteilnehmer nicht allein lassen.“ Der Zeitplan sieht vor, dass die Verantwortlichen noch ein Jahr lang Zeit haben, Veränderungen im Verhalten der Verkehrsteilnehmer herbeizuführen. Erst dann – eher später im Jahr 2021 – sollen das Parkverbot ausgesprochen und die Linksabbiegespuren aufgelöst werden.

Kommentar
Kein Reflex mehr

Von Matthias Nothstein

Die Zeiten, in denen alles dem Auto untergeordnet wurde, sind vorbei. Gott sei Dank auch in Backnang. Noch vor Kurzem hätten die Planer im vorliegenden Fall das Problem vermutlich mit einem neuen Parkplatz oder breiteren Straßen zu lösen versucht. Nun jedoch ist das Bewusstsein gereift, dass es auch andere Möglichkeiten geben muss.

Der Weg dahin wird kein leichter sein. Vielerorts wird seit Jahren probiert, die Autonutzer von Alternativen zu überzeugen, mit mäßigem Erfolg. Ob ein paar Meter neue Fahrradwege, komfortable Fahrradboxen oder eine weitere Busverbindung an dem Problem grundlegend etwas ändern, das darf bezweifelt werden. Gut ist jedoch, dass es versucht wird. Dass nämlich versucht wird, den Reflex zu stoppen, einfach nur zu schauen, was der Autofahrer braucht, um glücklich zu sein. Wie groß die Hürde ist, die es zu überwinden gilt, beschreibt Stadtbaudezernent Stefan Setzer eindrucksvoll. „Es ist schwer, einem Mechatroniker-Azubi im dritten Lehrjahr zu vermitteln, er soll seinen GTI zu Hause stehen lassen und mit dem ÖPNV zur Schule fahren.“ Richtig, das ist schwer, aber nicht unmöglich.

m.nothstein@bkz.de