Lucha: Beim Kinderschutz mehr aus der Vergangenheit lernen

dpa/lsw Stuttgart. Der Missbrauchsfall von Staufen hat für Entsetzen und für Schlagzeilen gesorgt. Ein Gremium sollte analysieren, warum Justiz und Behörden nicht gut zusammenarbeiteten. Nun werden die Ergebnisse veröffentlicht.

Lucha: Beim Kinderschutz mehr aus der Vergangenheit lernen

Manne Lucha (Bündnis 90/Die Grünen) blickt nach vorn. Foto: Felix Kästle/dpa/Archivbild

Zum Schutz vor weiteren Missbrauchsfällen wie in Staufen müssen Behörden nach Ansicht des baden-württembergischen Sozialministers Manne Lucha frühere Straftaten genauer analysieren. Es sei wichtig, aus der Vergangenheit zu lernen, sagte der Grünen-Politiker vor der Veröffentlichung des ersten Berichts der Kommission Kinderschutz in Stuttgart.

Die „Kommission Kinderschutz zur Aufarbeitung des Missbrauchsfalls in Staufen und zur Weiterentwicklung des Kinderschutzes“ war im Herbst 2018 von der Landesregierung eingesetzt worden, um Defizite im Kinderschutz zu analysieren. Sie setzt sich aus fünf externen Experten sowie je einem Vertreter des Sozial-, Justiz-, Kultus-, Innen- und Staatsministeriums zusammen. Zu den Experten zählen zwei Kinderpsychologen sowie ein Richter, ein Generalstaatsanwalt und die Vizepräsidentin des Bayerischen Landeskriminalamts.

Der jahrelange Missbrauch eines kleinen Jungen in Staufen bei Freiburg hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt. Im Herbst 2017 war bekanntgeworden, dass das Kind von seiner Mutter und deren Lebensgefährten vergewaltigt und an andere Männer verkauft worden war. Das Paar wurde zu mehreren Jahren Haft verurteilt.

Gegen die beteiligten Behörden im Staufen-Fall wurden Vorwürfe erhoben: Fehlende Kommunikation zwischen staatlichen Stellen hatte dazu geführt, dass das Leid des Kindes lange unentdeckt blieb. Die Landesregierung kündigte an, die landesweiten Behörden- und Verfahrensstrukturen zu durchleuchten.

Im Rahmen ihres Auftrags sollte sich die Kommission auch mit der Empfehlung befassen, einen Landes-Missbrauchsbeauftragten zu ernennen. Das fordert auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. In Deutschland werde „ohrenbetäubend geschwiegen“, hatte Rörig bemängelt.

Dabei nimmt die Zahl der bekanntgewordenen Fälle von Kindesmissbrauch in Baden-Württemberg weiter zu. Mit Blick auf die versuchten oder vollendeten Taten im vergangenen Jahr zeichne sich im Vergleich zu 2018 ein weiterer Anstieg ab, teilte ein Sprecher des Innenministeriums mit. Genaue Zahlen lägen noch nicht vor.

In Baden-Württemberg waren im Jahr 2018 insgesamt 1289 Fälle von versuchten und vollendeten Straftaten des sexuellen Missbrauchs von Kindern bekanntgeworden. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik hervor. Allerdings ist die Dunkelziffer nach Aussage von Experten sehr hoch.