Staatsbesuch in China

Lukaschenko auf doppelter Mission

Der belarussische Machthaber will in Peking für Putin werben. Doch es geht ihm auch um den eigenen Schutz – vor Russland.

Lukaschenko auf doppelter Mission

Alexander Lukaschenko: gewiefter Taktiker

Von Ulrich Krökel

Alexander Lukaschenko nennt sich gern den „kleinen Bruder“ Wladimir Putins. Wenn der russische Präsident ihn rufe, eile er selbstverständlich herbei, sagte Lukaschenko kürzlich bei einem Besuch im Kreml. Solche Sätze beschreiben das Verhältnis zwischen den Machthabern in Moskau und Minsk recht gut.

Nicht zuletzt der russische Überfall auf die Ukraine hat offenbart, wie weit Putins Arm inzwischen reicht. Lukaschenko musste den Süden seines Landes als Aufmarschgebiet für die Invasionstruppen freigeben. Seither ist Belarus eine zentrale Operationsbasis der russischen Luftwaffe. Immer wieder wird auch spekuliert, dass Lukaschenkos Armee an einer erneuten Offensive gegen Kiew teilnehmen könnte. In westlichen Geheimdienstzentralen schrillten deshalb die Alarmglocken, als Lukaschenkos aktuelle Reisepläne bekannt wurden.

Die Lieferung chinesischer Drohnen steht im Raum

An diesem Dienstag fliegt der 68-Jährige nach Peking. Bei dem Treffen mit Staatschef Xi Jinping dürfte es vor allem darum gehen, wie sich westliche Sanktionen gegen Belarus und Russland unterlaufen lassen – ohne dass China zur Zielscheibe von Sekundärstrafen wird. Das amerikanische „Institut für Kriegsstudien“ geht sogar noch weiter. Die Militärfachleute vermuten, dass Lukaschenko in Peking nach Wegen suchen wird, um chinesische Waffenlieferungen an Russland abwickeln zu können. Über Belarus, das mit dem Nachbarn eine Zollunion bildet. Das macht eine Verschleierung beim Weitertransport leichter. Allerdings gilt das vor allem für sogenannte Dual-Use-Güter. Dabei handelt es sich um Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind. Halbleiter, Chemikalien, Maschinen, Software und anderes mehr. Ob China hingegen auch Drohnen über Belarus an das russische Militär liefern würde, ist offen.

Die US-Regierung warnt seit Tagen vor einem solchen Schritt, der den Krieg in der Ukraine im globalen Maßstab eskalieren ließe. Zuletzt bekräftigte CIA-Chef William Burns: „Wir sind überzeugt, dass China einen solchen Schritt erwägt.“ Eine Entscheidung sei aber wohl noch nicht gefallen. Soll also Lukaschenko in Peking in Putins Auftrag darauf dringen? Eine Überraschung wäre das nicht.

Die Reise hat aber noch eine andere Dimension. Denn Lukaschenko gibt in China ein Comeback auf der Bühne der Weltpolitik, das ihm kaum noch jemand zugetraut hatte. Vielmehr schienen seine Tage an der Macht in Minsk nach bald 30 Jahren im Präsidentenamt gezählt. Seit der gefälschten Wahl 2020 erkennen die EU und die USA Lukaschenko nicht mehr als Staatsoberhaupt an. Putin wiederum nutzte diese Schwäche, um faktisch die Kontrolle in Belarus zu übernehmen. Seine Gegner verspotten Lukaschenko längst als „Marionette“.

Selbst der Fahrplan zum Abschied aus dem Amt schien bereits geschrieben. Erst kürzlich veröffentlichten westliche Medien ein durchgestochenes Geheimpapier aus dem Kreml, das den Weg zu einer „freundlichen Übernahme“ von Belarus durch Russland bis 2030 skizziert. Demnach planen Putins Strategen eine Vertiefung des bestehenden Unionsstaates, um die schleichende Annexion zu vollziehen. Lukaschenko dürfte sich 2025 noch einmal für fünf Jahre „wählen“ lassen – und das war es dann. Nun aber könnte sich das Blatt einmal mehr wenden.

Plötzlich wieder ein gefragter Mann

Die Berichte über sein nahendes politisches Ende nimmt Lukaschenko jedenfalls gelassen: „Belarus ist und bleibt ein souveräner, unabhängiger Staat.“ Das Vertrauen in die eigene Stärke kommt nicht von ungefähr. Denn Lukaschenko gilt als Großmeister der Selbstbehauptung. So widersetzte er sich Putins Drängen schon 2014 und erkannte die Krim-Annexion nicht an. Es gelang ihm sogar, Belarus zum Ort für Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau zu machen.

Das Ergebnis war der „Minsker Friedensplan“ für die Ostukraine. Mit am Tisch saßen damals Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Francois Hollande. Zuvor hatten sie noch versucht, den „letzten Diktator Europas“ zu isolieren. Plötzlich jedoch war Alexander Lukaschenko wieder ein gefragter Mann. Dieses Muster könnte sich nun wiederholen – mit einem neuen Partner in Peking.