Mächtige Klangballungen

Jazzreihe im Backnanger Bürgerhaus startet mit einem „Gypsy-Gipfeltreffen“

Unter dem Titel „Gypsy-Gipfeltreffen“ fand das Eröffnungskonzert der Jazzreihe 2018/2019 im Backnanger Bürgerhaus mit den beiden „Teufelsgeigern“ Roby Lakatos und Sandro Roy und dem Jermaine-Landsberger-Trio vor einem begeistert mitgehenden Backnanger Publikum statt.

Mächtige Klangballungen

„Gypsy-Gipfeltreffen“ mit Sandro Roy (links) und Roby Lakatos (rechts) als Front- und weiteren Musikern. Foto: A. Becher

Von Miklós Vajna

BACKNANG. Nachdem Kulturamtsleiter Martin Schick zum Jazz-Start begrüßt und Geburtstagskind Jermaine Landsberger dem erwartungsvollen Backnanger Publikum die Musiker schon zu Beginn vorgestellt hatte, ging der Zug mit einer fulminanten Komposition von Sandro Roy ab. Der Geiger gab rasant vor, Pianist Jermaine Landsberger stieg mit virtuosen Läufen und mächtigen Klangballungen ein und bot einen schon fast sportlichen, alles gebenden Einsatz. Unterstützt wurde er durch Joel Locher mit flinken Fingern am Bass und einfallsreichen Soli.

Der Stuttgarter Schlagwerker Meinhard „Obi“ Jenne, der schon einige Male mit verschiedenen Formationen im Backnanger Bürgerhaus zu hören war und auch in puncto Musikreihen des Kulturprogramms im Bürgerhaus Kulturamtsleiter Martin Schick berät und Kontakte herstellt, erwies sich auch diesmal als zuverlässiger und versierter Musiker mit viel Spaß am Spielen und beeindruckte mit mehreren bombastischen Schlagzeugsoli.

Sandro Roy, mit urgroßväterlichen Wurzeln ein Backnanger, hatte in der ersten Programmhälfte einen modernen, flötenartigen Geigenton gewählt, den er dann interessanterweise im weiteren Verlauf in Richtung Bratsche abdunkelte. Obwohl einer Sintifamilie entstammend, bewegt er sich eher in Jazzgefilden. Seine Improvisationen gründen im Blues-Country-Modern-Jazzbereich.

Wohingegen Roby Lakatos eindeutig in der ungarischen Cigány-Tradition spielte, waren klangliche Diskrepanzen in den Stücken, in denen alle Musiker gemeinsam spielten, bei diesem Auftritt in Backnang nicht zu überhören. Zu einem ungarischen Zigeunergeiger passt ein Cimbalom besser als ein Klavier, und auch ein Drumset wird man in einer Zigeunerkapelle vergeblich suchen. Ein Zigeunergeiger improvisiert anders als ein Jazzgeiger, und er spielt mit mehr Schmelz und Schmalz. Umso erfreulicher war es, dass sich diese Gegensätze in den unbegleiteten Duetten in Nichts auflösten; schon im ersten Zusammenspiel der beiden Geiger, einem barockangehauchten Doppelkonzerteinstieg, erhoben sich die Musiker auf musikalischen Höhen, es entstand Gänsehautfeeling.

Die Geiger beflügelten sich zu weiteren Highlights: einem improvisierten Duett mit gegenseitig sich störenden und ergänzenden Melodien im frühklassischen Stil und, nach einer großartigen Kadenz von Roby Lakatos, einem gemeinsamen herzzerreißenden Lamento.

Beide Geiger sind Meister auf ihrem Instrument, unterscheiden sich aber deutlich in der Performance. Sandro Roy in graukariertem Anzug ist während seiner ausdrucksstarken Soli immer in Bewegung, scheint gleichsam mitzutanzen, zieht sich aber in den Ruhephasen unauffällig in sich zurück. Roby Lakatos mit glänzenden Lackschuhen, roter Hose, bunt schillerndem Jackett und weißer Haarmähne beherrscht die Bühne und das Geschehen, auch wenn er sich am Rand derselben aufhält.

Vom Publikum gab es Begeisterung, Johlen nach den vielen guten Soli und großen Applaus. Die Musiker bedankten sich mit dem russischen Volkslied „Schwarze Augen“.