„Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist“

Reinhardt Schiller gehörte 25 Jahre dem Sulzbacher Gemeinderat an – Der 67-Jährige ist seit 50 Jahren bei der DLRG aktiv

„Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist“

Ein Projekt, auf das Ex-Gemeinderat Reinhardt Schiller besonders stolz ist: Die neu gestaltete Mündung des Fischbachs in die Murr. Sie ist jetzt eine naturnahe Badestelle für alle. Foto: U. Gruber

Von Ute Gruber

SULZBACH AN DER MURR. Die Liste seiner Tätigkeiten im Dienste der Allgemeinheit füllt zwei DIN-A4-Seiten. Reinhardt Schiller (67) war nicht nur hauptberuflich als Gewerkschaftler für die Belange anderer Menschen aktiv, sondern setzt sich auch vielfältig ehrenamtlich für seine Mitmenschen ein. Dafür hat er bereits zahlreiche hohe Ehrungen erhalten.

Den Sulzbacher Gemeinderat hat er jetzt nach 25 Jahren verlassen. „Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist“, so der Kommentar des zweiten Stellvertreters des Bürgermeisters. Selbiger wiederum lobt den CDU-Mann für dessen klar formulierte Positionen, die Schiller stets „engagiert und oft pointiert, aber trotzdem fair“ vertreten habe. Persönliche Kritik äußert der redegewandte Mann mit dem Ohr an der Basis zwar in Klartext, aber möglichst diskret unter vier Augen. Auch unpopuläre Entscheidungen habe er laut Bürgermeister Dieter Zahn mutig nach außen vertreten und „er drängte zur schnellen Sitzungsführung“. Sprich: keine stundenlangen Debatten, sondern konstruktive, zügige Entscheidungsfindung.

Kurze Sitzungen? Das sei nicht immer so gewesen, erzählt Jürgen Bartels, der mindestens 15 Jahre mit Schiller gleichzeitig im Gremium saß: „In früheren Zeiten haben die Treffen gern mal vier Stunden gedauert und dann ist man um elf noch in die Wirtschaft.“ Der frühere Gemeinderat schätzt Schiller, da dieser trotz seiner Gewerkschaftstätigkeit keiner sei, der Streit suche. „Diskutieren und entscheiden nach bestem Wissen und Gewissen, zum Wohle der Gemeinde“, nennt Stimmenkönigin Edelgard Löffler von der Unabhängigen Bürgerliste denn auch die aktuelle interfraktionelle Zusammenarbeit des Gemeinderats, zu der Schillers umfangreiches Fachwissen zu Arbeits- und Sozialrecht einen wertvollen Beitrag geleistet habe.

Diese Kompetenz hat er sich in jahrelangem Selbststudium und in gewerkschaftlichen Lehrgängen angeeignet. In einem solchen Maße, dass er nicht nur als langjähriges Vorstandsmitglied der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV) und im Bezirksrat der AOK Rems-Murr/Ludwigsburg aktiv ist, sondern auch als ehrenamtlicher Richter am Bundesarbeitsgericht, einem der fünf obersten Gerichtshöfe Deutschlands. Dazu musste er sich erst am Stuttgarter Arbeitsgericht sowie am Landesarbeitsgericht bewähren. „Da muss ich einen dicken Ordner mit staubtrockenen Gesetzestexten studieren und dazu noch einen dreimal so dicken mit den Kommentaren“, beschreibt der Sulzbacher, der in Bad Cannstatt geboren ist, den ehrenamtlichen Arbeitsaufwand. Als bodenständiger Laie mit tiefem Einblick in die betriebliche Arbeitswirklichkeit durch seine beratende Tätigkeit als Ge-werkschaftsfunktionär soll er die studierten Juristen in ihren Entscheidungen gleichberechtigt begleiten.

Und dabei hat der Mann nur einen Hauptschulabschluss. Faulheit nennt er ehrlich als Grund dafür. „Mopedle fahren, Mädle bussieren und im Freibad rumhängen“ seien ihm damals wichtiger gewesen. Erst in der 9. Klasse dämmerte es ihm. Er übernahm als Klassensprecher Verantwortung und schloss die Schule mit einem Durchschnitt von 1,9 ab. Englisch musste er freilich später nachlernen, denn das gab es damals erst ab der Realschule. „Ich bin der lebende Beweis, dass man es auch ohne Studium zu etwas bringen kann.“

Es folgte eine Ausbildung zum Elektromechaniker bei Telefunken in Backnang, dann zwei Jahre Zeitsoldat im Fliegerhorst Memmingen, als Flugzeugfeuerleitradarmechaniker am legendären Starfighter. Eine prägende Zeit, wie Schiller heute feststellt. Nach der Bundeswehr gewann der damalige Vorsitzende der Christlichen Gewerkschaft Metall (CGM), Martin Schetter aus Sulzbach, den jungen Mann mit dem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn für seine Sache. In 40 Jahren hat Schiller hauptberuflich sämtliche denkbaren gewerkschaftlichen Funktionen innegehabt, selbst auf Bundesebene. Gute Vorbereitung, Pünktlichkeit, konstruktive und sachliche Beiträge, die zielführend sind, sind seine Maximen. Seit zwei Jahren ist er in Rente.

„Für die DLRG werde ich da sein, solange ich laufen kann“

Daneben engagierte er sich ehrenamtlich schon im Motorsportclub, im Carnevalsverein, im Schützenverein, in der CDU und vor allem der DLRG. 2004 bekam er das Bundesverdienstkreuz am Bande, 2008 die Landesverdienstmedaille und er hat die Verdienstabzeichen der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft in Bronze, Silber und Gold, also für 50 Jahre aktives Engagement. Letzteres bedeute ihm am meisten, denn hier sieht er seine Berufung: „Für die DLRG werde ich da sein, solange ich laufen kann.“

Dabei war das Schwimmen eher unerwartet zur Leidenschaft geworden, denn als Kind war der Sulzbacher absolut wasserscheu. „Mit zwölf habe ich mir mit einer Tauchbrille im alten Freibad mühselig beigebracht, mit dem Kopf unter Wasser zu gehen.“ Heute hat er sämtliche Schwimmpässe, die es gibt, vom Seepferdchen bis zum Rettungstaucher. „Der heißt heute Einsatztaucher, weil’s da meist nichts mehr zu retten gibt“ und gehört inzwischen standardmäßig zur Blaulichtkette, wenn Gewässer beteiligt sind. So hat Schiller zum Beispiel die Bergung des Autos am Wehr der Rüflensmühle vor 30 Jahren miterlebt. „Das war grauenvoll.“

Seine leitenden Funktionen und Schulungsaufgaben in der DLRG möchte er allmählich in jüngere Hände abgeben, aber gern übernimmt er im Oppenweiler Freibad weiterhin die sogenannten Rettungswachgänge, „dann hat der Schwimmmeister Walerij Maidan auch mal ein freies Wochenende“. Die Trillerpfeife verwende er dabei nur als Notsignal, er setzt auf höfliche, direkte Ansprache der Delinquenten. Meistens erreicht er damit Einsicht, gelegentlich nicht: „Das geht Sie gar nichts an, das ist schließlich mein Kind“, sei neulich die dreiste Antwort der jungen Eltern mit dem Kleinkind im drei Meter tiefen Wasser gewesen. „Das geht mich so lange nichts an, bis es Ihnen absäuft“, antwortet der ehrenamtliche Bademeister, der für seinen verantwortungsvollen Job nur ein Vespergeld bekommt. Von manchen Stammgästen werde er dagegen freudig begrüßt.

Weniger Anspruchsdenken wünscht er sich daher von seinen Mitmenschen und mehr eigenes ehrenamtliches Engagement. Für seinen Ruhestand hat er sich einige aktive und kulturelle Reisen in Europa vorgenommen, zusammen mit seiner Frau Sabine, mit der er seit 37 Jahren verheiratet ist. Außerdem will er seinen Schwimmstil verbessern: „Schnelles Kraulen, und zwar ohne Flossen, das will ich auch noch beherrschen.“ Man braucht nur ein Ziel.