Mercedes-Rennfahrer

Manfred von Brauchitsch: die seltsamste Karriere seit es Autos gibt

Mit dem Silberpfeil-Star schmückte sich erst die NS-Diktatur und später genauso der DDR-Staat. Es ist nicht die einzige rätselhafte Wendung im Leben des Manfred von Brauchitsch.

Manfred von Brauchitsch: die seltsamste Karriere seit es Autos gibt

An seinem 90. Geburtstag kommt Manfred von Brauchitsch noch einmal zu Mercedes nach Stuttgart.

Von Peter Stolterfoht

Es sind zwei Spielfilme, in denen Manfred von Brauchitsch jeweils eine Vorbildrolle zufällt und er dadurch ungewollt deutlich macht, wie widersprüchlich sein Leben gewesen ist. In der Nazi-Revue „Es leuchten die Sterne“ aus dem Jahr 1938 sind die größten Stars des Deutschen Reichs aus Film, Theater, Sport oder Musik aufgeboten, um sich selbst zu spielen. Da darf der beliebte Rennfahrer Manfred von Brauchitsch nicht fehlen. Auch weil er als Pilot eines Mercedes-Silberpfeils mit dazu beigetragen hat, dass Deutschland die Nummer 1 im Autorennsport geworden ist. Die NS-Botschaft: deutscher Heldenmut im Zusammenspiel mit deutscher Technik ist nicht nur auf der Rennstrecke jedem Gegner überlegen.

Ein ähnliches Loblied stimmt Manfred von Brauchitsch Jahre später in seiner Biografie auf die DDR an, auf die Verdienste der sozialistischen Einheitspartei, nach dem Krieg ein neues, antifaschistisches Deutschland aufzubauen. In der Verfilmung dieses Stoffes 1966 wird von Brauchitsch als Pazifist und Speerspitze gegen die atomare Aufrüstung gezeigt. Und wie schon im Propaganda-Film von 1938 wird er als ein Mann mit festen politischen Überzeugungen dargestellt. Und das, obwohl doch nur eines über die Person mit dem so rätselhaften Charakter mit ziemlicher Sicherheit gesagt werden kann: Unumstößliche Überzeugungen spielten im Leben von Manfred von Brauchitsch keine Rolle.

Aufgewachsen in deutschnationalem Umfeld

Geboren wird Manfred von Brauchitsch 1905 in Hamburg. Vater ist der preußische Offizier Viktor von Brauchitsch, seine Mutter ebenfalls adliger Abstammung. Er wächst in einem militaristischen, deutschnationalen Umfeld auf. Nach dem Abitur tritt von Brauchitsch 1923 dem Freikorps des Marineoffiziers Hermann Ehrhardt bei, das nach zwei gescheiterten Putschversuchen gegen die Weimarer Demokratie als antisemitisch- terroristische Vereinigung verboten war, aber im Untergrund als „Organisation Consul“ weiter existiert. Es folgt zwischen 1924 und 1928 der Dienst bei der Reichswehr, den er nach einem Motorradunfall aber quittieren muss. Manfred von Brauchitsch sieht während der Behandlungszeit einen Rennfahrerfilm, macht 1929 den Führerschein und fährt danach mit dem Mercedes seines Vetters die ersten Rennen.

Als von Brauchitsch 1932 das Internationale Avus-Rennen gewinnt, verpflichtet ihn Mercedes 1933 als Werksfahrer. Zusammen Rudolf Caracciola und Hermann Lang prägte er die erfolgreiche Ära der Silberpfeile aus Stuttgart, wobei er oft zu schonungslos mit der Technik umgeht.

Immer wieder fällt er in Führung liegend aus, wird in seiner Rolle als „Pechvogel“ aber auch ein Liebling der Fans. Seine größten Erfolge sind die Siege beim Großen Preis von Monaco 1937 und eine Jahr später beim Großen Preis von Frankreich.

Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs stehen die Räder im Rennsport still. Manfred von Brauchitsch heuert beim Flugzeug- und Motorenbauer Junkers als Berater des Konzernchef Heinrich Koppenberg an. Die letzten beiden Kriegsjahre arbeitet von Brauchitsch als Referent von Albert Speer im Rüstungsministerium. Nach dem Krieg wird er Präsident im Automobilclub von Deutschland (AvD). Aber schon kurze Zeit später sieht von Brauchitsch in Argentinien die Chance, seine Karriere als Rennfahrer wieder anzukurbeln. Was aber nicht gelingt und 1950 zur Rückkehr nach Deutschland führt.

„Ich habe immer Freude am Risiko gehabt“, sagt Manfred von Brauchitsch 1987 in einem Interview mit dem Süddeutschen Rundfunk, das der Journalist Helmar Spannenberger führt. Diese Aussage von Brauchitsch erklärt aber nicht annähernd, wie sich sein Leben in den 50er-Jahren entwickelt. Er übernimmt nämlich 1951 das „Westdeutsche Komitee für Einheit und Freiheit im Deutschen Sport“. Diese Organisation gerät immer stärker in den Verdacht, enge Kontakte zur DDR zu pflegen. 1953 wird von Brauchitsch wegen Spionageverdachts angeklagt und muss für acht Monate in Untersuchungshaft. Kurz vor der Verhandlung in München flüchtet er in die DDR und lässt seine Frau im Westen zurück.

Kritischen Fragen aus dem Weg gegangen

„Jetzt lassen Sie doch bitte die Politik außen vor“, sagt ein plötzlich gereizter von Brauchitsch auf die entsprechende Nachfrage im Südfunk-Interview, das er zwei Jahre vor dem Mauerfall als mit besonderen Reiseprivilegien ausgestatteter Bürger der DDR gibt. Dort hatte er als Sportfunktionär zuvor Karriere gemacht. Zuletzt ist er für die Vermarktung der DDR-Olympia-Mannschaft verantwortlich.

Nach der Wende hat von Brauchitsch 1995 seinen letzten großen Auftritt. Bei Mercedes in Stuttgart wird dem Silberpfeil-Fahrer anlässlich seines 90. Geburtstags der rote Teppich ausgerollt. Und wieder kann der Mann mit der so politischen deutsch-deutschen Karriere sagen, ein unpolitischer Mensch gewesen zu sein. Er stirbt 2003 im thüringischen Schleiz. Er hinterlässt ein Erbe voller Rätsel.