Mann nachBerufungfreigesprochen

Landgericht sieht keine Straftat und stellt das Verfahren ein

Mann nach
Berufung
freigesprochen

Von Bernd Winckler

WINNENDEN/STUTTGART. Ein 58-jähriger Handwerker aus Winnenden musste sich vor dem Stuttgarter Landgericht wegen Vorwürfen der Verbreitung kinderpornografischer Dateien, Bilder oder jugendgefährdender Schriften verantworten. Der Mann hat rund 1900 Bilder, die als jugendgefährdende Dateien eingestuft sind, über seinen PC an andere Nutzer weitergeleitet.

Dieser Fall war für die Richter der 31. Strafkammer am Stuttgarter Landgericht eine harte Nuss. Die Kammer musste in einem Berufungsverfahren gegen den angeklagten 58-jährigen Mann feststellen, ob jene Bilddateien, die über seinen Computer liefen und bei anderen Nutzern landeten (Verbreitung jugendgefährdender Schriften), diesen Tatbestand auch wirklich erfüllten. Jugendlich ist, wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Die jungen Frauen, die auf den Bilddateien in eindeutiger Pose und auch beim Geschlechtsverkehr mit Männern dargestellt sind, sollen unter 18 Jahre alt sein, was somit den Straftatbestand der Verbreitung jugendgefährdender Schriften erfüllt.

So jedenfalls sah es noch das Amtsgericht Waiblingen im Januar dieses Jahres und verurteilte den 58-Jährigen deswegen zu einer Geldstrafe von 7500 Euro. „Zu Unrecht“, wie der Mann in der Berufung darlegt und Freispruch fordert. „Zu milde“, sagt die Staatsanwältin und fordert eine Haftstrafe.

Mit diesen Argumenten traf man sich jetzt vor der 31. Strafkammer am Landgericht. Doch da tut sich ein Problem auf: Die Bildchen, um die es geht, zeigen angeblich jugendliche Frauen zwischen 15 und 17 Jahren. Genießen also juristisch gesehen den Jugendschutz. Da aber die weiblichen Personen auf den Dateien unbekannt sind, weder Nationalität, noch Adresse bekannt ist, sei es vermessen, zu behaupten, sie seien noch jugendlich, so die Verteidigung. Um diese heikle Frage zu beantworten, hatte der Strafkammervorsitzende einen Sachverständigen geladen, der anhand wissenschaftlich-biologischer und metrischer Erkenntnisse feststellen sollte, wie alt die Darstellerinnen wirklich sind. Aber auch der Gutachter musste bei dieser Aufgabe passen.

Wenn man das nur auf Bildern sieht, die Personen aber nicht vor sich hat, um sie zu untersuchen, ist es unmöglich, ihr wirkliches Alter zu bestimmen. Bei jungen Menschen ändert sich das körperliche Erscheinungsbild zwischen dem 10. und dem 16. Lebensjahr ständig. Danach tritt der körperliche Erwachsenenstatus ein. Ob die abgebildeten jungen Frauen von den – ebenfalls unbekannten – Fotografen nur auf jung getrimmt wurden („scheinjugendlich“), oder tatsächlich unter 18 Jahre alt sind, konnte der Sachverständige daher nicht verbindlich, und somit auch juristisch nicht verwertbar, bestimmen. Theoretisch könnten die Mädchen auf den Fotos sogar 20 Jahre alt sein.

Nachdem diese wichtige Frage schließlich vor Gericht unbeantwortet bleibt, hob die Kammer den Waiblinger Schuldspruch auf und stellte das Strafverfahren gegen den 58-Jährigen auf Staatskosten ein. Er bleibt somit unvorbestraft. Eine Rüge erteilte der Vorsitzende Richter aber auch noch in Richtung Amtsgericht Waiblingen: Dort habe man sich viel zu wenig Gedanken über diese Problematik gemacht und einfach ein Urteil gesprochen.