Marbach dringt auf neues Gymnasium

Die Stadtverwaltung sieht das Friedrich-Schiller-Gymnasium an der Kapazitätsgrenze angekommen und weist auf den Bedarf für eine weitere Schule im Bottwartal hin. Doch das Projekt stockt, denn niemand will die Initiative ergreifen.

Marbach dringt auf neues Gymnasium

Die Stadt Marbach am Neckar will eine Überbelastung des Friedrich-Schiller-Gymnasiums vermeiden. Archivfoto: Werner Kuhnle

Von Christian Kempf

Marbach am Neckar/Bottwartal. Eigentlich ist es unüblich, den Nachbarn in die Suppe zu spucken. Dennoch wollte der Marbacher Ausschuss für Umwelt und Technik jetzt zwei Vorhaben in Murr nicht unkommentiert stehen lassen.

Dort soll zum einen frisches Bauland im Langen Feld erschlossen werden. Zum anderen ist eine Nachverdichtung im Ortskern anvisiert. „Früher oder später wird dadurch der Druck auf unsere Schulen wieder wachsen“, konstatierte der Marbacher Bauamtsleiter Dieter Wanner im Hinblick auf die jungen Familien, die sich in den neuen Wohnungen und Häusern vermehrt ansiedeln dürften und deren Kinder zum Teil auf die weiterführenden Schulen in der Schillerstadt wechseln. Aus diesem Grund gab das Gremium in Marbach den Kollegen in Murr auch den Hinweis mit auf den Weg, dass die Kapazitäten des Friedrich-Schiller-Gymnasiums (FSG) schon ausgereizt seien.

Doch damit nicht genug. Die Runde ließ in dem Zusammenhang explizit ins Protokoll aufnehmen, dass laut Gutachten ein weiteres Gymnasium im Bottwartal benötigt werde – das dann den Druck vom Kessel im FSG nehmen würde. Denn an der Schule haben sich in diesem Jahr stattliche 287 Mädchen und Jungs angemeldet, sodass wieder zehn Klassen gebildet werden müssen, wie Bürgermeister Jan Trost bekannt gab. Und es sei jetzt schon absehbar, dass irgendwann das Ende der Fahnenstange erreicht sei. Man wolle sich nicht sehenden Auges in dieses Szenario begeben, sondern darauf drängen, dass ein weiteres Bottwartalgymnasium errichtet wird, sagte Trost.

Seit einem Sondierungsgespräch hat sich nichts weiter getan

Die Zeichen der Zeit hat auch das Regierungspräsidium (RP) in Stuttgart erkannt. Die Behörde attestierte bereits einen entsprechenden Bedarf. Die Schülerzahlen gäben es her, ein mindestens dreizügiges Gymnasium zu etablieren, erklärt Pressereferentin Andrea Panitz. Nur: Bewegt hat sich in der Sache in jüngster Zeit rein gar nichts. „Seit dem letzten Sondierungsgespräch im Januar 2021 fand keine weitere Initiative statt“, berichtet Panitz.

Unterschiedliche Auffassungen gibt es dazu, wer den Ball wieder aufnehmen müsste. Panitz erklärt, dass der Stein entweder von einem kommunalen Schulträger oder von einem Schulverband ins Rollen gebracht werden müsste. Von den Gemeinden und Städten im Bottwartal seien zwar Fragen zu baulich-technischen Details und zu Fördermöglichkeiten durch das Land aufgeworfen worden. Allerdings: „Konkrete Initiativen eines Schulträgers beziehungsweise einer Schulträgergemeinschaft liegen dem RP Stuttgart bislang nicht vor“, erklärt Panitz.

Das verwundert wenig. Der Murrer Bürgermeister Torsten Bartzsch sieht nämlich das RP in der Pflicht. „Es ist doch definitiv so: Unter den jetzigen Voraussetzungen schreit keiner von sich aus hier“, sagt Bartzsch. Er erinnert daran, wie viel Geld für den Neubau einer Schule in die Hand genommen werden müsste, ganz zu schweigen von den Folgekosten, die der Betrieb mit sich brächte.

Sein Steinheimer Amtskollege Thomas Winterhalter schätzt die Lage ähnlich ein. Ein weiteres Gymnasium im Bottwartal könne die Stadt aktuell weder personell noch finanziell stemmen. Man habe schließlich eine ganze Reihe von anderen Aufgaben vor der Brust. „Doch das wird bei den anderen Kommunen genauso oder ähnlich sein“, sagt Winterhalter. „Es ist aber unumstritten, dass es ein weiteres Gymnasium geben muss“, betont er. Zumal sich das Beilsteiner Herzog-Christoph-Gymnasium bekanntermaßen ebenfalls am Limit in Sachen Aufnahmekapazitäten bewege.

Wenn man also die Aufgabe an die Kommunen im Bottwartal herantrage, werde man sich dieser Frage auch stellen und mit allen Beteiligten nach einer Lösung suchen. „Uns ist bewusst, dass das FSG an seine Kapazitätsgrenzen stößt“, ergänzt Torsten Bartzsch, der auch keinen Hehl daraus macht, dass jedes weitere Wohngebiet die Situation verschärft. Insofern müsste aus seiner Sicht das Land die Rahmenbedingungen so gestalten, dass es für die Kommunen leistbar sei, ein solches Gymnasium zu bauen und zu betreiben, auch deshalb, weil es sich um einen Sonderfall handle. „Es ist eine Ausnahmesituation in Baden-Württemberg, dass ein weiteres Gymnasium benötigt wird“, sagt Bartzsch. Das Land wiederum beteuert, dass die Städte den Bau des Gymnasiums keinesfalls alleine schultern müssten. Über die Schulbauförderung würden Finanzmittel zugeschossen.

Und was passiert, wenn trotz alledem keiner die Federführung für das Projekt übernimmt? Andrea Panitz vom Regierungspräsidium Stuttgart stellt klar, wer im Zweifelsfall dafür sorgen muss, dass für Gymnasiasten die Plätze nicht ausgehen: „Es ist Aufgabe der kommunalen Schulträger, die erforderliche Schulraumkapazität vorzuhalten“, erklärt sie.