Marienschlucht: sechs Millionen für einen Wanderweg

Seit einem tödlichen Erdrutsch im Jahr 2015 ist die Unglücksstelle am Überlinger See für Wanderer gesperrt

Von Eberhard Wein

Tourismus - Eine Wiedereröffnung der Touristenattraktion wäre aufwendig. Trotz des bestehenden Durchgangsverbots kommen viele Besucher und hinterlassen vor allem ihren Müll.

Bodman-Ludwigshafen Das Schild an dem mannshohen Metallgitter ist unmissverständlich: „Zugang zur Marienschlucht gesperrt. Lebensgefahr!“, steht darauf. Doch wenn Alexander Fischer, der Förster von Bodman-Ludwigshafen, in dem steil abfallenden Waldstück am Südufer des Überlinger Sees zu tun hat, bleibt er nie lange allein. „Eigentlich treffe ich immer jemanden: Wanderer, Radfahrer, Familien mit Kindern.“ Selbst Rentner habe er schon dabei beobachtet, wie sie ihre Räder durchs Dickicht hinunter zum Seeufer schleppten, ein Stück durchs Wasser wateten und hinter der Absperrung wieder hinauf zum Weg trugen. Wenige Meter weiter stoppte sie dann ein quer liegender Baumstamm. „Ich habe den Eindruck, dass die Zahl der Besucher sogar wieder zugenommen hat.“

Dabei gilt die „schönste Schlucht am ­Bodensee“, wie der zwischen Bodman und dem Konstanzer Stadtteil Wallhausen gelegene wildromantische Geländeeinschnitt beworben wird, auch als die gefährlichste. Seit 2015 sind die Schlucht und der dazugehörige Uferweg gesperrt. Damals hatte ein Erdrutsch mit 100 Tonnen Gestein eine ­72-jährige Frau verschüttet und getötet. Ihr 74-jähriger Begleiter konnte sich schwer verletzt retten. Jederzeit könne so etwas wieder ­passieren, stellte ein Gutachter des geolo­gischen Landesamtes fest. Das Zeitfenster für solche Gerölllawinen sei „nicht konkretisierbar“.

Auf der gegenüber liegenden Seite des Überlinger Sees sitzt der Bürgermeister Matthias Weckbach (CDU) in seinem Büro direkt am Wasser im ehemaligen Ludwigshafener Zollhaus. Das Fenster ist offen, der Blick reicht über den See auf den Bodanrück mit dem steil abfallenden sieben Kilometer langen Waldstück, das die Marienschlucht umgibt. Nur zwei größere Felsformationen stechen heraus: „Das sind der Mond- und der Halbmondfelsen“, sagt Weckbach. Nicht nur in der Schlucht, auch an den beiden Felsen drohen Hangabgänge. Zwölf Risikoflächen habe ein Gutachter nach einer ausführlichen Untersuchung mit Hubbühne und Drohne ausgemacht. „Eigentlich waren es 13“, sagt Weckbach, eine ging bereits ab.

Über dem Bodanrück zeigt sich an diesem Tag ein prächtiges Alpenpanorama. Weckbach drückt auf die Computermaus und öffnet auf dem Großbildschirm in der gegenüber liegenden Zimmerecke eine Datei. Da stehen gewaltige Zahlen: Zwei Millionen Euro würde die Neuanlage des Stegs durch die Marienschlucht hinauf zur Ruine Kargegg kosten, 2,6 Millionen Euro die Sicherung des Uferwegs. Hinzu kämen 200 000 Euro für einen Schiffsanlegesteg, 250 000 Euro für einen neuen Kiosk und 690 000 Euro Planungskosten. Macht mehr als sechs Millionen Euro für einen Wanderweg.

Ob die Schlucht, die einst jährlich 150 000 Besucher durchquerten, unter diesen Bedingungen je wieder offiziell geöffnet wird? „Ich hoffe es“, sagt Weckbach. Schließlich gehe es um eine wichtige Urlaubsattraktion und um ein besonderes Naturerlebnis, das durch die geplanten Baumhaltezäune und Sturmschlagbarrieren kaum beeinträchtigt werde. Allerdings müsse sich das Land beteiligen und 60 Prozent der Kosten tragen. Den Rest würden sich Bodman-Ludwigshafen, Allensbach, Konstanz sowie weitere Anrainer teilen. Ob sein Plan aufgeht, soll sich bis zum Sommer klären. Bis 2024 könnten die Maßnahmen umgesetzt werden.

Eine klare Besuchersteuerung sei ihm lieber, als wenn sich jeder selbst seinen Weg suche, sagt Weckbach. Das zeige sich schon beim Müll. Früher konzentrierten sich die Abfälle am Eingang der Schlucht, der Betreiber des dortigen Kiosks sammelte sie abends ein. Inzwischen verteilten sie sich auf den gesamten Abschnitt.