Wie ein Virus die Welt verändert

dpa Washington. Wo breitet sich das Coronavirus gerade am rasantesten aus? Wo sind die Gegenmaßnahmen am härtesten und die Folgen am dramatischsten? Aber auch: Wo gibt es Hoffnung? Diesen Fragen sind Korrespondenten der dpa in aller Welt nachgegangen - von Nunavut bis Moskau.

Wie ein Virus die Welt verändert

US-Präsident Donald Trump will selbst keine Maske tragen. Foto: Alex Brandon/AP/dpa

Maskenpflicht im Weißen Haus in Washington, Handschuhpflicht in Moskaus U-Bahnen, Alkoholverbot an den Ufern der Seine in Paris: Die weltweiten Lockerungen der Anti-Corona-Regeln gehen einher mit neuen, andersgearteten Vorsichtsmaßnahmen. Ein Blick um die Welt in Zeiten von Corona.

USA - Trump will nicht mit gutem Beispiel vorangehen

Nach zwei Corona-Infektionen im Weißen Haus gilt dort nun eine Maskenpflicht - mit zwei Ausnahmen: US-Präsident Donald Trump und seinen Stellvertreter Mike Pence. In allen öffentlichen Bereichen der Regierungszentrale muss man nun Mund und Nase bedecken, jedoch nicht in einzelnen Büros, wie mehrere US-Medien übereinstimmend berichteten. Trump macht seit Tagen Druck, die Corona-Beschränkungen im ganzen Land wieder zu lockern, damit sich die Wirtschaft erholen kann. Die Infektionen im Weißen Haus zeigen jedoch, wie schwierig eine Rückkehr zu einem Normalbetrieb werden dürfte.

Zu seiner Weigerung, selbst eine Maske zu tragen, sagte Trump bei einer Pressekonferenz: „In meinem Fall - ich komme niemandem so nahe.“ Er stand dabei auf einem Podium im Garten des Weißen Hauses in sicherer Entfernung zu Mitarbeitern und Journalisten. Auch bei einer Reise in den Bundesstaat Arizona hatte Trump jüngst auf eine Maske verzichtet. Bereits im April, als die Gesundheitsbehörde CDC Amerikanern das Tragen von Masken in der Öffentlichkeit empfahl, distanzierte sich Trump sofort davon. Er werde keine Maske tragen, es handle sich um eine freiwillige Maßnahme, keine Vorschrift, sagte er.

Ende vergangener Woche wurden jedoch zwei Corona-Infektionen im Weißen Haus bekannt, betroffen war auch die Pressesprecherin von Vizepräsident Pence. Trump, Pence und deren Top-Mitarbeiter werden inzwischen täglich auf eine Infektion mit dem Virus getestet - was normalen Arbeitgebern bislang nicht möglich ist.

FRANKREICH - Alkoholverbot an Fluss- und Kanalufern in Paris

In Paris nutzten am Montagabend einige Dutzend Menschen die Lockerung der Ausgangsbeschränkungen, um die neue Freiheit in kleineren Gruppen am Canal Saint-Martin in der Sonne zu genießen. Die Polizei räumte den beliebten Kanal im Osten der Hauptstadt und verhängte umgehend ein Alkoholverbot an allen Ufern der Stadt - auch an der Seine.

Innenminister Christophe Castaner monierte zuvor „Verantwortungslosigkeit“. Viele fürchten nun eine komplette Sperrung der Ufer. In Frankreich sind seit dem Inkrafttreten der Lockerungen Treffen von bis zu zehn Menschen erlaubt, wenn die Abstandsregeln eingehalten werden.

Im engen Paris ist das schwierig, denn die Hauptstadt liegt in der roten Zone - hier ist das Coronavirus stark verbreitet. Das hat zur Folge, dass Parks und Gärten geschlossen bleiben - so hat es die Regierung vorgegeben. Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat am Dienstag erneut gefordert, dass diese wieder öffnen, wenn die Menschen dort eine Maske tragen. Maskenpflicht gibt es in Frankreich nur im Nah- und Fernverkehr. Der Gesundheitsminister Olivier Véran erteilte der Bitte der Bürgermeisterin direkt eine Abfuhr.

SCHWEIZ - Entspannung im schwer getroffenen Tessin

Erstmals seit Beginn der Corona-Krise hat der schwer betroffene, an Italien grenzende Schweizer Kanton Tessin am Dienstag keinen neuen Todesfall und keine neue Ansteckung verzeichnet. Das Tessin hatte bezogen auf die Einwohnerzahlen zusammen mit dem Grenzkanton Genf die mit Abstand größten Fallzahlen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass zehntausende Grenzgänger jeden Tag aus der in Italien besonders schwer getroffenen Region im Norden des Landes im Tessin arbeiten und sich das Virus dort deshalb ausbreiten konnte.

Landesweit sind die nachgewiesenen Neuinfektionen inzwischen auf wenige Dutzend am Tag zurückgegangen. Die Zahl der mit einer Sars-CoV-2-Infektion Gestorbenen betrug nach Angaben des Bundesamtes für Gesundheit bis Dienstag knapp 1600. Seit Montag dürfen Geschäfte, Fitnesscenter sowie Restaurants wieder öffnen, wenn auch unter strengen Hygiene-Vorschriften.

RUSSLAND - Handschuh- und Maskenpflicht in Moskau

In Moskau - Europas größter Stadt - gilt nun eine Pflicht, neben Mund- und Nasenschutz auch Handschuhe zu tragen. Getragen werden muss der Schutz in öffentlichen Verkehrsmitteln, Supermärkten und an sonstigen Orten, wo viele Menschen zusammenkommen - also auch am Arbeitsplatz. Aber auch im Moskauer Gebiet und anderen Regionen des Riesenreichs mit hohen Infektionszahlen ist das neue Regime vorgeschrieben.

„Maske und Handschuhe bilden eine physische Barriere, weil ja das Virus vor allem durch Tröpfcheninfektion über die Luft und auf dem Kontaktweg übertragen wird“, sagte der Spezialist Andrej Tjaschelnikow von der Moskauer Stadtverwaltung. Die Kombi mache es auch psychologisch schwerer, sich mit bloßen Fingern im Gesicht zu berühren. Das neue Regime galt auch für Kinder.

Wer gegen die Tragepflicht verstößt, dem drohten Strafen zwischen 4000 und 5000 Rubel (50 bis 60 Euro), wie die Stadt Moskau mitteilte. Der auch für den öffentlichen Personennahverkehr zuständige Vize-Bürgermeister Maxim Liksutow sagte, dass am Dienstagmorgen 94 Prozent der Metro-Passagiere Masken und 68 Prozent Handschuhe getragen hätten. Besonders hohen Absatz hätten dann die an Kassen verkauften Handschuhe gefunden.

Die meisten Passagiere hätten sich aber vorher mit Schutz eingedeckt, sagte Liksutow. An den Metrostationen in Moskau gab es Masken für 30 Rubel, Handschuhe für 20 Rubel. Eine Kombi kostete 50 Rubel (63 Cent) - so viel wie etwa eine Metrofahrt. Einige Geschäfte stellten an ihren Eingängen kostenlose Desinfektionsmittel sowie Einmal-Handschuhe bereit - aber keine Masken.

SAUDI-ARABIEN - Eine Krise an zwei Fronten

Der Wüstenstaat ringt inzwischen mit einer Krise an zwei Fronten. Einerseits ist Saudi-Arabien den offiziellen Zahlen zufolge mit rund 43 000 Infektionen stark von der Pandemie betroffen. Möglicherweise könnte auch die große Wallfahrt Hadsch ausfallen, die Ende Juli beginnen soll. Das war zuletzt etwa zwischen 1798 und 1801 der Fall, als Napoleons Feldzug in Ägypten die üblichen Wallfahrtsrouten nach Mekka unsicher machte.

Gleichzeitig steht Saudi-Arabien derzeit eine seiner schlimmsten Wirtschaftskrisen seit Jahrzehnten durch. Mit einem Sparprogramm und einer drastischen Steuererhöhung versucht Riad, auf den beispiellosen Verfall der Ölpreise in der Corona-Krise zu reagieren. So soll die Mehrwertsteuer von derzeit 5 auf 15 Prozent verdreifacht werden. Der staatliche Ölkonzern Aramco hatte erst am Dienstag erneut einen Gewinneinbruch gemeldet: Der Jahresüberschuss fiel im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um rund ein Viertel auf 16,7 Milliarden US-Dollar (rund 15,4 Mrd Euro).

KANADA - Ureinwohner ziehen sich in die Wildnis zurück

„Unsere Ältesten und Weisesten haben uns immer gesagt: „Es wird ein Tag kommen, an dem wir auf das Land gehen müssen““, sagte vor kurzem der Chef der kanadischen Dene-Ureinwohner, Norman Yakeleya. „Und jetzt ist dieser Tag.“ Zum Schutz vor der Coronavirus-Pandemie haben sich viele kanadische Ureinwohner in die arktische Wildnis zurückgezogen, in einsame Jagd- oder Fischerhütten etwa. Die Regierung des geografisch zweitgrößten Landes der Erde hat diese Maßnahme mit umgerechnet etwa 1,6 Millionen Euro unterstützt.

Die Ureinwohner gelten als besonders gefährdet: Viele von ihnen leben aufgrund von Wohnungsmangel eng zusammen in großen Familienverbünden, oftmals in ärmlichen Verhältnissen und viele haben Vorerkrankungen. In der Wildnis können sie besser voneinander Abstand halten, um sich und andere zu schützen.

Bislang scheint diese zusammen mit anderen Maßnahmen Wirkung zu zeigen: Rund 65.000 Menschen haben sich in Kanada bereits mit dem Virus infiziert - in den drei arktischen Territorien Nunavut, Yukon und Nordwest-Territorien, wo knapp 150.000 der rund 37 Millionen Einwohner des Landes leben, gab es bislang gerade einmal 16 Fälle. In Nunavut, so groß wie Mexiko, sogar überhaupt keinen. Das größtenteils von Ureinwohnern bevölkerte Gebiet und seine einzelnen Städte und Ansiedlungen sind nur per Flugzeug zu erreichen. Derzeit dürfen nur Einwohner und Menschen mit systemrelevanten Berufen einreisen, vorher muss eine 14-tägige Quarantäne eingehalten werden.

SENEGAL - Günstige Testkits gegen die Ausbreitung des Virus

Wissenschaftler im Senegal entwickeln schnelle und günstige Corona-Testkits, die den Kampf gegen Covid-19 in Afrika enorm erleichtern könnten. Die Testkits würden innerhalb von zehn Minuten Ergebnisse zeigen und voraussichtlich ab Juni verfügbar sein, sagte Ousmane Faye, der Leiter der Virologie-Abteilung des Institut Pasteur in Dakar, der Deutschen Presse-Agentur. „Afrikanische Länder könnten sich das Testkit dann zu einem niedrigen Preis leisten.“

Das Testkit besteht demnach aus einem Antigentest und einem Antikörpertest. Bei dem Antigentest werden Proteinfragmente von Sars-CoV-2 aus Nasenabstrichen oder Spucke nachgewiesen - anders als beim derzeit genutzten Gentest, bei dem Viren-Erbgut nachgewiesen wird. Beim Antikörpertest werden vom Immunsystem gebildete Antikörper im Blut nachgewiesen, was zeigt, ob jemand das Virus bereits hatte. Das Institut Pasteur entwickelt die Testkits zusammen mit dem britischen Unternehmen Mologic und mit diaTROPIX.

Dies könnte den Kampf gegen Covid-19 in Afrika extrem erleichtern. Denn auf dem Kontinent ist laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) eins der größten Probleme der Mangel an Tests. Kenia etwa testete zuletzt pro Tag rund 1000 Proben. In Deutschland haben die Labore nach Angaben des Robert Koch-Instituts Kapazitäten für mehr als 150.000 Tests am Tag.