Reaktionen auf Maskenverzicht geteilt

dpa/lsw Stuttgart. Die Delta-Variante breitet sich aus - und ausgerechnet Kinder, die bisher soviel zurückstecken mussten, sollen sich vielleicht bald wieder einschränken? Dem Vorsitzenden des Landeselternbeirats reicht es, andere dagegen warnen vor einem Maskenverzicht in Schulen.

Reaktionen auf Maskenverzicht geteilt

Matthias Orth schaut in die Kamera. Foto: Dt. Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin/dpa-tmn

Der teilweise Verzicht auf die Maskenpflicht in Schulen stößt weiter auf ein geteiltes, oft aber kritisches Echo. Während Lehrer und Mediziner vor einem Risiko warnen und auf die Ausbreitung der sogenannten Delta-Variante bei den Coronavirus-Infektionen hinweisen, greifen Eltern die Corona-Schulpolitik scharf an. Schülerinnen und Schüler können seit dem vergangenen Montag in Baden-Württemberg zwar teilweise auf eine Maske verzichten. Steigen die Infektionszahlen wieder, will die Landesregierung sie an Schulen allerdings auch erneut einführen.

Es sei überhaupt nicht nachvollziehbar, warum jetzt schon wieder darüber nachgedacht werde, die Maskenpflicht an Schulen einführen zu müssen, sagte der Vorsitzende des Landeselternbeirates, Michael Mittelstaedt. Dabei attackierte er am Mittwoch auch die neue Landesregierung. „Nichts ist in den letzten Monaten passiert, um die Klassenzimmer krisensicher zu machen“, sagte er. Die Vorgehensweise des Bildungsministeriums unter seiner neuen Ministerin Theresa Schopper (Grüne) habe sich zwar geändert. In der Sache aber habe sich nichts getan.

Nach momentanem Wissensstand sei die Delta-Variante zwar viel ansteckender als andere Mutationen. In der Gruppe Kind aber sei sie überhaupt nicht gesundheitsschädlicher, sagte Mittelstaedt. „Dann muss die Politik sich doch die Frage stellen, warum dann die Gruppe Kind schon wieder zurückstecken soll“, sagte er. Auch sei nicht nachvollziehbar, warum es immer noch Lehrer oder Erzieher gebe, die nicht geimpft seien. „Da frage ich mich, ob sie sich darum überhaupt gekümmert haben.“ Es sei zudem ein Unding, dass Stadien geöffnet und Fußballspiele zugelassen würden, Kinder aber erneut in Haft genommen werden könnten, um die Verbreitung der Delta-Variante zu bremsen.

Die Bildungsgewerkschaft GEW hält die Aufhebung der Maskenpflicht in den Klassenräumen dagegen für voreilig und gefährlich. GEW-Landeschefin Monika Stein spricht sich angesichts des Delta-Risikos dafür aus, dass Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler bis zu den Sommerferien die Maske weitertragen. Die Ansteckungszahlen in den Schulen seien in den vergangenen Wochen deutlich gestiegen. Es sei trotz der allgemein sinkenden Inzidenzen fahrlässig, die Erfolge bei der Corona-Bekämpfung aufs Spiel zu setzen.

Der Landesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung, Gerhard Brand, stimmt zu und bezeichnet den Verzicht in Schulen als unüberlegt. „Wir haben angemahnt, dass der Rückgang der Inzidenzen auf die konsequente Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen zurückzuführen ist“, sagte Brand. „Es ist gut, dass die Landesregierung dies jetzt einzusehen scheint und die unüberlegte Lockerung nochmal überdenkt.“

Einen „Fehler“ nennt der Stuttgarter Labormediziner und Chefarzt Matthias Orth die Entscheidung, auf Masken in einigen Bereichen der Schulen zu verzichten. Da der Anteil in Baden-Württemberg weiter steige, sei eine Mund-Nasen-Bedeckung weiterhin ein wenig aufwendiger Schutz, sagte er in einem SWR-Interview. „Die Maskenpflicht stört die meisten Menschen wenig und ist ziemlich effektiv“, fügte er an. „Wir haben wenig Aufwand und einen guten Nutzen. Für mich ist es unverständlich, darauf zu verzichten.“

Dort, wo das Tragen einer Maske eine Ansteckung verhindern könne, solle sie getragen werden, sagte das Vorstandsmitglied im Berufsverband Deutscher Laborärzte. Orth ist zudem Ärztlicher Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin am Marienhospital in Stuttgart.

Liegt die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region unter 35 und gibt es zwei Wochen an der Schule keinen Corona-Fall, gilt die Maskenpflicht seit dem vergangenen Montag nicht nur im Freien und somit auch auf Schulhöfen nicht mehr, sondern auch in Klassenräumen. Außerhalb der Unterrichtsräume, also zum Beispiel auf Fluren, müssen Schüler und Lehrer aber weiterhin Masken tragen. Alle 44 Regionen im Südwesten liegen derzeit (Stand: Dienstagnachmittag) nach Angaben des Landesgesundheitsamtes (LGA) unter der 35er-Marke.

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