Mehr Medienkonsum, weniger soziale Kontakte

Das Team der mobilen Jugendarbeit in Backnang spürt bei Jugendlichen noch immer die Folgen der Coronapandemie.

Mehr Medienkonsum, weniger soziale Kontakte

Im November 2021 haben Ronja Weller (links) und Tatjana Riekert mit der mobilen Jugendarbeit neue Räume in der Mühlstraße bezogen. Archivfoto: Tobias Sellmaier

Von Kornelius Fritz

Backnang. Man kennt sie gemeinhin unter dem Begriff „Streetworker“, doch was das Team der mobilen Jugendarbeit in Backnang leistet, geht weit über die sogenannte „aufsuchende Arbeit“ hinaus. Im Jugend- und Sozialausschuss des Gemeinderats stellten Tatjana Riekert und Ronja Weller ihre Tätigkeit nun vor. Die jungen Frauen, die Sozialpädagogik beziehungsweise Erziehungswissenschaften studiert haben, kümmern sich um Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 12 und 27 Jahren, die sozial benachteiligt oder von Ausgrenzung bedroht sind und die von anderen Angeboten wie den Jugendhäusern nicht erreicht werden. Angestellt ist das Duo beim Verein Kinder- und Jugendhilfe, der diese Aufgabe für die Stadt Backnang übernimmt.

Klientel wird immer jünger

Im vergangenen Jahr haben Riekert und Weller nach eigenen Angaben insgesamt 222 junge Menschen mit ihrer Arbeit erreicht. Jungs (168) waren dabei deutlich stärker vertreten als Mädchen (54), mehr als 90 Prozent hatten einen Migrationshintergrund. Auffallend ist laut Riekert, dass die Klientel immer jünger wird. Sie regte deshalb an, eine zusätzliche Stelle für mobile Kindersozialarbeit einzurichten.

Die Auswirkungen der Coronapandemie sind für das Team der mobilen Jugendarbeit noch immer deutlich zu spüren. Der Medienkonsum unter den Jugendlichen habe in dieser Zeit noch einmal deutlich zugenommen, die sozialen Kontakte seien hingegen zurückgegangen. Die beiden Sozialarbeiterinnen merken das auch im direkten Umgang: „Viele Jugendliche sind distanzierter geworden. Wir brauchen länger, um mit ihnen in Kontakt zu kommen“, berichtet Tatjana Riekert.

Um den jungen Menschen helfen zu können, müssen die beiden aber zunächst einmal deren Vertrauen gewinnen. Das funktioniert am besten über niederschwellige Freizeitangebote. Davon gibt es in Backnang eine ganze Menge. Sehr beliebt ist zum Beispiel die „Freitagshalle“, die es mittlerweile seit 15 Jahren gibt. Dabei treffen sich bis zu 60 Jugendliche in unterschiedlichen Altersgruppen am Freitagnachmittag zum Fußballspielen in der Sporthalle Katharinenplaisir. Für Mädchen gibt es unter anderem Tanzworkshops und einen wöchentlichen Mädchentreff. Immer montags wird der Willy-Brandt-Platz zum „mobilen Jugendhaus“. Unter einem Zeltdach heißen Riekert und Weller dort alle Jugendlichen zum „Chillen“ und Tischkickerspielen willkommen. Alle diese Angebote sind kostenlos und ohne Anmeldung. „Die Jugendlichen entscheiden selbst, ob sie Kontakt mit uns aufnehmen wollen oder nicht“, erklärt Ronja Weller.

Zu Gast bei den Jugendlichen

Das gilt auch für die Arbeit auf der Straße: Regelmäßig steuern die beiden Frauen Plätze in Backnang an, die als Treffpunkte von Jugendlichen bekannt sind. Manchmal sind dies auch Orte, an denen es schon Beschwerden von Anwohnern oder Passanten gab. Aber auch dort treten sie nicht mit erhobenem Zeigefinger auf. „Wir sind zu Gast bei den Jugendlichen“, erklärt Tatjana Riekert ihren Grundsatz. Hilfe und Unterstützung seien nur dort möglich, wo diese freiwillig angenommen werden.

In vielen Fällen gelingt es ihnen aber, eine Beziehung zu den jungen Menschen aufzubauen. Und dann können sie diese auch in vielfältiger Weise unterstützen, zum Beispiel bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, bei Behördengängen oder auch bei privaten Problemen. Die Beratung ist auch anonym möglich, außerdem gilt für die Sozialarbeiterinnen Schweigepflicht. Bei Bedarf können sie weitere Hilfen vermitteln, zum Beispiel eine Suchtberatung.

Die Ausschussmitglieder Sabine Kutteroff (CDU) und Pia Täpsi-Kleinpeter (SPD) formulierten den Wunsch, bei allen anderen Angeboten auch das klassische „Streetwork“ nicht zu vernachlässigen. Sozialamtsleiterin Regine Wüllenweber sieht diese Gefahr jedoch nicht: „Das hat immer noch oberste Priorität.“