Leonhard Groß in der Dorfscheune in Heiningen, die vor sechs Jahren von ehrenamtlichen Helfern renoviert worden ist. Archivfoto: A. Becher
Von Florian Muhl
Backnang. Frei nach Kaiser Franz Beckenbauers Werbespruch „Ja, is denn heut scho Weihnachten?“ fragt sich Leonhard Groß: „Ja, bin ich denn schon 70?“ Doch, es stimmt, er habe es selbst gelesen, im Mitteilungsblatt der südlichen Stadtteile. „Schwarz auf weiß, das war schon ein komisches Gefühl. Ich bin selbst erschrocken“, scherzt der Mann, der immer einen coolen und passenden Spruch auf den Lippen hat.
In Sachen Gesundheit kann er nicht klagen. „Ich fühle mich rundum fit.“ Klar, der Zahn der Zeit würde an einem nagen, auch an ihm. Da sei das Knie, da sei das Kreuz, die würden sich von Zeit zu Zeit bemerkbar machen. Aber insgesamt gehe es ihm sehr gut. „Ich habe so Phasen, da vergeht die Zeit wie im Zeitraffer“, meint Groß. Es gebe Zeiten, da würde er merken, dass er immer älter wird, dann wiederum gebe es auch Phasen, da habe er das Gefühl: „Die Zeit geht an einem spurlos vorüber.“
Was den Jubilar jung hält, sind einerseits seine Hobbys. Da ist beispielsweise das Kartenspielen mit seinen Skatbrüdern oder das Tischtennis, das er seit 1976 aktiv beim TTC Maubach betreibt. „Das ist ja das tolle an dem Sport, dass man diesen bis ins hohe Alter so gut betreiben kann“, meint Groß. Aber was den 70-Jährigen noch mehr fasziniert, ist die Rolle des Großvaters, in der er voll aufgeht und aufblüht. „Wenn die Enkel kommen, lasse ich alles stehen und liegen.“
Zwar wohnt die Tochter Britta zusammen mit ihrem Mann 70 Kilometer entfernt in Dettingen an der Erms, trotzdem kommen der vierjährige Arnd und sein zweijähriger Bruder Janne an zwei oder drei Tagen in der Woche zu den Großeltern nach Heiningen zu Besuch. „Meine Enkel und ich sind das Dream-Team“, strahlt Groß. Er ist hin und weg: „Beispielsweise nachts, wenn ich nicht schlafen kann, denke ich an sie und alles ist gut.“ Was ihn an den Kleinen so fasziniert, ist deren Urvertrauen. „Meine beiden Enkel, die haben so einen vertrauensvollen Blick, die wissen noch gar nicht, dass es auch Negatives gibt auf der Welt“, sagt er und hofft, dass sie sich diesen Blick noch lange bewahren können.
Groß sprudelt nur so heraus, wenn er von seinen Liebsten schwärmt. Unverkennbar dabei sein leichter Dialekt. Auch wenn er seit über 50 Jahren im Ländle zu Hause ist – nein, ein Urschwabe ist er nicht. Er stamme aus dem Ort, wo das Paradies zu Hause ist. „Ich komme aus Maikammer in der Pfalz, aus einem Familienweingut.“ Sein Vater sei Winzer gewesen, sein ältester Bruder und jetzt auch dessen Sohn. Und wieder kommt Groß ins Schwärmen. So ein Familienbetrieb, das sei was ganz Tolles. Mehrere Generationen würden im Einklang mit der Natur zusammenarbeiten und tolle Produkte herstellen. Seitdem er in Rente ist, hilft er im Weingut immer wieder mit viel Freude an der Arbeit aus, ob beim Abfüllen oder beim „Spazierenfahren der Flaschen“, wie er den Weinvertrieb nennt. Zwei Tage lang ist er dabei mit seinem Neffen, mit dem er sich bestens versteht, im Lkw unterwegs, in der ganzen Republik, und staunt über die logistischen Meisterleistungen, die mit dem Ausliefern des Rebensafts verbunden sind. Und über sich selbst sagt Groß: „Ich hab keine Ahnung vom Wein, kann aber stundenlang drüber schwätzen.“
Groß genießt sein Leben. Zusammen mit seiner Ehefrau Ursula sowie auch beim Skat und beim Tischtennis. Nach knapp 48 Berufsjahren kommt er sich jetzt vor wie ein Schüler, der sich gerade in den Sommerferien vergnügt: „Ich bin frei in meinen Entscheidungen, das ist ein Stück Lebensqualität.“ Mit 16 Jahren war er von zu Hause ausgezogen, hatte in Baden-Baden Koch gelernt, weil ihn das als jungen Burschen fasziniert hatte. Bald merkte er, dass es doch nicht das Wahre ist. Nach der Wehrdienstzeit wechselte er für sechs Jahre in ein Hotel in Stuttgart in die Verwaltung, um dann seinen Traumjob zu finden: 36 Jahre lang war Groß in der Verwaltung beim Schwäbischen Albverein tätig und unter anderem verantwortlich für die Lohn- und Finanzbuchhaltung. „Ich hab’s gern mit Zahlen“, erklärt Groß, der 1974 nach Maubach zog. „Damals frisch verheiratet in eines der beiden Hochhäuser in der Linzer Straße.“ Zu jener Zeit habe es dort eine super funktionierende Hausgemeinschaft gegeben. Dann kamen die beiden Kinder Mario und Britta zur Welt, die Wohnung wurde zu klein. 1982 erfolgte der Umzug ins Reihenhaus in der Mundelsheimer Straße in Heiningen. Dort ist die Familie verwurzelt und Groß ist seit Oktober 2014 Ortsvorsteher.