„Menschen suchen den Bezug zur Natur“

Kreisjägervereinigung präsentiert sich bei ihrer Hegeschau in Sulzbach von moderner Seite

Mit frischem Wind geht’s für die Jäger weg vom angestaubten Image: Bei der traditionellen Hegeschau der Kreisjägervereinigung in Sulzbach an der Murr zeigte sich, dass ein Jäger nicht mehr nur Trophäensammler, sondern vor allem auch Artenschützer und Naturmensch ist.

„Menschen suchen den Bezug zur Natur“

Bei der Hegeschau fand auch die Vorführung von Jagdhunden, die im jagdlichen Alltag eingesetzt werden, statt. Mit dabei waren Julia Hönig (Mitte) und Tochter Nina aus Sulzbach mit Xita, einer Deutsch-Drahthaar-Hündin. Foto: J. Fiedler

Von Ute Gruber

SULZBACH AN DER MURR. Die Jägerschaft ist im Wandel. Dies wurde auch auf der traditionellen Hegeschau der Kreisjägervereinigung Backnang deutlich: Nicht wändeweise Tafeln mit aufgenagelten Rehgehörnen wie noch vor einigen Jahren stehen in der Festhalle, sondern zunehmend Infotafeln über Artenschutzprojekte und Wildtier-Monitoring. „Jagd als Statussymbol tritt immer mehr in den Hintergrund“, stellt Thomas Kless fest, „die Menschen suchen vielmehr den Bezug zur Natur, zur Herkunft von dem, was sie essen.“ Auch der Schriftführer der Kreisjägervereinigung selbst jagt vor allem für den Eigenbedarf und für „willkommene Mitbringsel für einen Besuch bei Freunden“. Die Pflicht zur Trophäenschau sei daher vor etwa zehn Jahren aufgehoben worden.

Wie geschätzt Wildbret aus heimischer Jagd tatsächlich ist, wird deutlich, als zur Mittagszeit der mit haushohen Fichten und Birken geschmückte Saal gerammelt voll ist mit Kostgästen an den liebevoll mit Moos und kleinen Bäumchen geschmückten Tischen und dann der Wild-schweinbraten mit Rotkraut und Preiselbeeren, welchen die Heimatfreunde Bartenbach/Schleißweiler servieren, als Erstes ausgeht. Am Stand nebenan bieten Tom Müller und Joachim Bachmeier den Besuchern ihre Wildsalami zur Verkostung an und erklären, wo man frisches Wildbret herbekommt und warum dieses Fleisch heute keinen typischen Wildgeschmack mehr hat: „Früher hatte man ja keine Kühlräume, es ging da auch nicht so hygienisch zu.“ Gejagt wurde deshalb nur in der kalten Jahreszeit, trotzdem ging das Fleisch, während es im Keller oder in der Waschküche hing, bereits in Verwesung über. „Das hat man dann mit einer sauren Beize aus Essig, Buttermilch oder Rotwein zu kaschieren versucht.“ Gut gekühltes Wildfleisch heute gleiche eher Rind oder Lamm und sei sehr vielfältig zuzubereiten.

Tiere sind immer mehr nachts aktiv

Öffentlichkeitsarbeit und Schadensprävention träten immer mehr in den Vordergrund, der Jäger müsse sich heute sein Revier außer mit den Waldbesitzern auch mit Joggern und Mountainbikern teilen. „Die Tiere verlegen ihre aktive Zeit immer mehr in die Nachtstunden“, erklärt Thomas Kless, „das heißt auch für den Jäger Nachtschicht auf dem Ansitz und eine sehr kurze Bettruhe.“ Ein absolutes No-Go seien nächtliche Geo-Cacher im Wald: „Da haben die Tiere ja gar keine Ruhe mehr.“

Richtig investiert hat die Kreisjägervereinigung daher vergangenes Jahr in ihr beliebtes LeNa-Mobil, das auch heute vor der Halle steht: Der Autoanhänger mit den bunten Fotowänden dient als Lernort-Natur und beinhaltet neben Schautafeln zahlreiche ausgestopfte Wildtiere, die man als Laie im Wald selten zu Gesicht bekommt, dazu ein Streichelbrett mit allerlei Wildtierfellen und Fühlkisten: Beim vorsichtigen Griff durch das Loch im Deckel – hoffentlich beißt das da drin nicht – tastet man stachlige Bucheckern oder glattes Rehgehörn oder aufgeplusterte Fichtenzapfen. Jugendobfrau Julia Hönig tingelt damit zu Kindergärten, Schulen und Ferienprogrammen. Dann geht sie mit den Kindern durch den Wald und fragt anschließend: „Was habt ihr gesehen?“ Nix. Auf dem Rückweg macht sie die Kinder dann auf die vielen übersehenen Tiere aufmerksam, welche sie im Vorfeld als Präparate aufgestellt hatte, und schult so deren Blick für die Natur.

Interessant sind in dieser Hinsicht auch tatsächlich die traditionellen Trophäen an den Stellwänden: Da gibt es kleine, zarte Gehörne und kräftige, dunkle mit drei Spitzen und vielen blankgeschliffenen, warzenartigen Höckern, welche die Jäger in ihrer blumigen Sprache als Perlen bezeichnen. Je nachdem, ob das nun ein kapitaler Bock war, oder doch erst ein Böcklein. An manchen Stangen haftet noch der samtige Bast, den die Rehböcke zum Leidwesen der Waldbesitzer besonders gern an hoffnungsvollen Jungbäumen abfegen, die dadurch ihrer Rinde und Zukunftsperspektive beraubt werden.

Diese und andere Schäden, welche Wildtiere auf Äckern, Wiesen und in Wäldern anrichten, sind der Grund, weshalb gerade hier im ländlichen Raum stets auch die ausgehängten Abschusszahlen auf positives Interesse stoßen: In der gastgebenden Jagdgenossenschaft Sulzbach mit ihren rund 3400 Hektar, die zu einem Drittel aus landwirtschaftlichen Flächen bestehen, wurden 311 Rehe, 87 Füchse und 87 Wildschweine erlegt. Letzteres war heuer deutlich weniger als in der Rekordsaison 2017/18, als 145 Sauen erlegt wurden. Die starke Bejagung und der Wassermangel des letzten Sommers hatten die explosive Wildschweinvermehrung ausgebremst. In den insgesamt rund 3700 Hektar Regiejagden im Staatswald wurden, ähnlich wie im Vorjahr, 486 Rehe und 122 Sauen geschossen. Wegen der drohenden Afrikanischen Schweinepest wurde die generelle Wildruhe im März und April, die erst vor wenigen Jahren auf Betreiben der grünen Landesregierung und gegen den heftigen Widerstand der Jagdverbände gesetzlich festgelegt worden war, für Wildschweine aufgehoben – plötzlich braucht man die Jäger nun doch wieder.

Neu ist auch das selbstbewusste Auftreten des Pelz verarbeitenden Handwerks: Ein Kürschner aus Murrhardt bietet an seinem Stand an, Bälge aus eigener Jagd zu Kleidungsstücken zu verarbeiten. Ähnliches entwickelt derzeit die vom Jagdverband neu gegründete Fellwechsel GmbH: „Die Leute verstehen langsam, dass es einen Unterschied gibt zwischen tierquälerischen Pelzfarmen und Pelz aus nachhaltiger, heimischer Jagd.“ Aufgewachsen in freier Natur und glücklich bis zum letzten Schnaufer. Dazu waidgerecht erlegt.

Kein Wunder ist die Zahl der Jagdscheinanwärter seit Jahren steigend. Nicht jeder wird dabei in eine Jägerfamilie hineingeboren wie etwa Lukas Staita, der im Mai an der Jagdschule in Backnang – in der Hegeschau auch vor Ort – die staatliche Prüfung absolvieren will. Für sein „Jägerabitur“ hat der 16-Jährige neben der normalen Schule mindestens 180 Stunden gebüffelt, Bammel hat er nur vor der Prüfung in Recht. „Bis ich 18 bin, darf ich dann als Jungjäger unter Begleitung jagen.“ Im Schnitt sind die Jagdschüler aber 35 Jahre alt und – noch eine Neuerung – dieses Jahr sogar zu fast 50 Prozent weiblich.

Wer meint, dass deswegen weniger geschossen würde, hat sich getäuscht: „Unsere Jägerinnen sind sehr fleißig – und treffsicher“, hört man anerkennend von den männlichen Kollegen. Bei der Hauptversammlung wurde Anke Massa zur ersten weiblichen stellvertretenden Kreisjägermeisterin gewählt. Besondere Freude haben die Jägerinnen an der Arbeit mit den Hunden, ohne die eine waidgerechte Jagd kaum möglich ist.

Einer besonderen Art der Jagd hat sich Beate Meyer-Friesch gewidmet: der Falknerei. Mit ihren Greifvögeln besucht sie gerne Schulen und heute die Hegeschau, zusammen mit Sohn Elias (18), der auch schon Jagd- und Falknerschein besitzt. Der zierliche Turmfalke Anton landet dabei gern auf willigen Kinderköpfen, Steinkauz Levi wirkt wie eine hypermotorische Bonsai-Eule. Die Vögel ließen sich nicht zwingen, erklärt die Kirchenkirnbergerin, die zu Hause mit dem Wüstenbussard spazieren geht – sie zu Fuß, er in der Luft: „Das sind wilde Seelen, die zur Zusammenarbeit bereit sind.“ Einziges Lockmittel seien Gelassenheit und Futter.