Merkel will mehr Verantwortung in der Nato

dpa Berlin. Kanzlerin Merkel nutzt die Generaldebatte im Bundestag für eine Art Regierungserklärung zur deutschen Außenpolitik. Nato, China, Iran, Syrien, Libyen - alles dabei. Zum Schluss widmet sie sich noch kurz einer ganz grundsätzlichen Frage für sie und die Regierung.

Merkel will mehr Verantwortung in der Nato

Innenminister Horst Seehofer (l), Finanzminister Olaf Scholz und Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Generaldebatte. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Kurz vor dem Nato-Gipfel hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für mehr deutsche Verantwortung im Bündnis und eine weitere Erhöhung der Verteidigungsausgaben ausgesprochen.

In der Generaldebatte des Bundestags maß sie Deutschland auch eine weltweite Führungsrolle beim Klimaschutz zu, forderte mehr Rüstungshilfe für Afrika und eine gemeinsame europäische Strategie gegenüber China.

Ihre leidenschaftliche und stark außenpolitisch geprägte Rede beendete sie mit einem klaren Bekenntnis zu einer Fortsetzung der großen Koalition bis zum regulären Ende der Wahlperiode 2021. Es sei sehr viel angefangen worden, und vieles müsse noch weitergemacht werden. „Deshalb finde ich, wir sollten die Legislaturperiode lang weiterarbeiten. Meine persönliche Meinung. Ich bin dabei.“

Nächste Woche kommt die Nato anlässlich ihres 70. Geburtstag zu einem Gipfel in London zusammen. Das Jubiläum wird von einer Debatte darüber überschattet, ob das Militärbündnis in seiner jetzigen Form überhaupt noch Sinn macht. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat die Nato für „hirntot“ erklärt und für mehr europäische Eigenständigkeit plädiert. Merkel hielt im Bundestag dagegen, ohne Macron namentlich zu nennen.

Europa könne sich zurzeit nicht allein verteidigen, sagte sie. „Wir sind auf dieses transatlantische Bündnis angewiesen. Und deshalb ist es auch richtig, wenn wir für dieses Bündnis arbeiten und auch mehr Verantwortung übernehmen.“ Sie bekannte sich klar dazu, die Verteidigungsausgaben von 1,42 Prozent des Bruttoinlandsprodukts im kommenden Jahr bis Anfang der 2030er Jahre auf 2 Prozent zu erhöhen. „Darauf kann man sich verlassen.“ Damit wäre das von der Nato 2014 gesetzte Ziel erreicht.

Merkel betonte, dass die Nato für Deutschland nichts an Bedeutung eingebüßt habe. „Stärker als im Kalten Krieg ist der Erhalt der Nato heute in unserem ureigensten Interesse - oder mindestens so stark wie im Kalten Krieg.“ Westdeutschland galt bis 1989 als das Mitgliedsland der Nato, das am meisten von dem Bündnis profitierte, weil es an der Frontlinie zwischen den großen Militärblöcken unter Führung der USA einerseits und der Sowjetunion andererseits lag.

Auch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer stellte die Bedeutung der Nato heraus und bekannte sich zur deutsch-amerikanischen Freundschaft. „Die Nato ist der Eckstein unserer Sicherheitsarchitektur. Und in der Nato ist es insbesondere auch die Zusammenarbeit und die Freundschaft mit den Amerikanern“, sagte die CDU-Chefin.

In der Debatte wurden aber erneut deutliche Differenzen zwischen den Koalitionspartnern in der Verteidigungspolitik deutlich. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warnte davor, den Verantwortungsbegriff auf das Militärische zu verengen. Die SPD werde ein „Streben“ nach militärischer Dominanz nicht mitgehen. Seine Partei wolle eine Dominanz in der Diplomatie und der zivilen Auseinandersetzung mit humanitären Krisen, sagte Mützenich. „Ich glaube, dass das besser ist.“ Seine Partei wolle Abrüstung und keine neuen Debatten über Rüstungswettläufe.

Merkel rief die Europäer eindringlich zu einem gemeinsamen Kurs gegenüber China auf und warnte zugleich vor einer Abschottung gegenüber Peking. Sie sehe es als „eine der größten Gefahren“, dass jeder EU-Mitgliedstaat seine eigene China-Politik mache. „Das wäre nicht für China verheerend, aber es wäre für uns in Europa verheerend.“

Für den Ausbau der 5G-Mobilfunknetze würden hohe Sicherheitsstandards gebraucht. Das müsse aber mit den europäischen Partnern besprochen werden. So wie es in Europa eine Medikamenten-Zulassungsagentur gebe, müsse es wahrscheinlich auch eine Zulassungsagentur für 5G geben. „In einem digitalen Binnenmarkt, wenn da jeder seins macht, dann werden wir nicht weit kommen“, warnte Merkel.

Auch in der Klimapolitik sieht die Kanzlerin Deutschland in einer internationalen Verantwortung: „Wer, wenn nicht wir, soll denn zeigen, dass es geht, dass man dem Klimawandel etwas entgegensetzen kann.“

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland erklärte die deutsche Energiewende allerdings für gescheitert. „Selbst wenn unser Land morgen zu existieren aufhörte, wären die Auswirkungen auf die Welttemperatur praktisch nicht nachweisbar“, sagte er. „Und dafür setzen Sie alles aufs Spiel, dafür machen Sie eine Energiewende und dafür ruinieren Sie unsere Autoindustrie und die Maschinenbauindustrie.“

Die Generaldebatte wird von der Opposition traditionell zur Abrechnung mit der Regierungspolitik genutzt. FDP-Fraktionschef Christian Lindner warf der Regierung Versagen in der Wirtschaftspolitik vor. „Diese Bundesregierung geht schlafwandlerisch auf eine drohende Wirtschaftskrise, schlafwandlerisch auf einen Wirtschaftsabsturz zu.“

Grünen-Chef Anton Hofreiter forderte angesichts von Menschenrechtsverletzungen einen härteren Kurs gegenüber Peking. „Die Leisetreterei verbietet sich hier und man muss klare, deutliche Worte finden“, sagte er.

Linksfraktionschef Bartsch bezeichnete die Politik der großen Koalition insgesamt als „grottenschlecht“ und betonte: „Eigentlich dürfte man die zweite Hälfte ihrer Spielzeit gar nicht mehr anpfeifen. Spielabbruch und neue Mannschaften wären das Beste.“

Merkel will mehr Verantwortung in der Nato

FDP-Chef Lindner: „Wer die Wirtschaft links liegen lässt, darf sich über Probleme von rechts irgendwann nicht wundern.“. Foto: Michael Kappeler/dpa

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Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch fordert ein Ende der großen Koalition. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Merkel will mehr Verantwortung in der Nato

Angela Merkel: „Wer, wenn nicht wir, soll denn zeigen, dass es geht, dass man dem Klimawandel etwas entgegensetzen kann.“. Foto: Kay Nietfeld/dpa