Thorsten Frei (CDU) bei Caren Miosga

„Das ist nicht Common Sense in der Koalition“

Der Kanzleramtsminister freut sich über „die neue europäische Entschlossenheit“ beim Treffen von Kiew und sieht die Grenzzurückweisungen als kurzlebig an.

„Das ist nicht Common Sense in der Koalition“

Thorsten Frei (CDU) war am Sonntag bei Caren Miosga zu Gast.

Von Christoph Link

Geht es nach Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU), dann ist die von Moderatorin Caren Miosga gestellte Leitfrage in ihrer Sendung am Sonntag fast schon überholt: Wie denn die neue Regierung nach dem „Fehlstart“ vom vergangenen Dienstag das Vertrauen der Bürger zurückgewinnen wolle?

Nach dem „trüben Bild“ von der Kanzlerwahl gefragt antwortete Frei, dass er sich schon gefreut habe über die letzten Tage, wo sich vier europäische Führer in Kiew getroffen und „in Abstimmung mit den USA“ eine neue Linie festgelegt hätten, erst einen Waffenstillstand und falls der nicht komme, dann schärfere Sanktionen gegen Russland.

Und zunächst den Waffenstillstand, und dann Verhandlungen, in dieser Reihenfolge. „Wir haben jetzt in Kiew eine neue europäische Entschlossenheit gesehen“, meinte Frei. Die müsse jetzt auch ihren Ausdruck im Handeln finden und da müsse das eine oder andere Mitgliedsland auch auf Dinge verzichten, damit man zu einer „wirkungsvollen Aussage“ gegenüber Russland komme.

Gepunktet mit Außenpolitik

Dass Friedrich Merz in seiner ersten Kanzlerwoche außenpolitisch gepunktet hat und dass dies den missglückten Start überstrahlte, das war durchaus Konsens in der Studiorunde im ZDF. Und, dass der Bundeskanzler auch europapolitisch selbst Zugeständnisse machen wird, das ließ Frei auch durchblicken.

Die Zurückweisungen an den deutschen Grenzen – die Unmut bei den Nachbarstaaten erzeugt hatten – die werden „so kurz wie möglich sein“, berichtete Frei, auf keinen Fall werden sie „dauerhaft“ sein, sagte er weiter. Man wolle die europäische Freizügigkeit ja nicht gefährden.

Noch einmal ging es in der Talkrunde um nicht haltbare Zusagen der CDU aus dem Wahlkampf – Schuldenbremse, dauerhafte Grenzkontrollen – die Frei mit der weltpolitisch geänderten Situation erklärte.

Bei den Studiogästen kamen da allerdings Zweifel auf: Politik bestehe ja hauptsächlich darin, „mit starken Sätzen“ Gefolgschaft zu erzeugen, so der Soziologe Armin Nassehi, und vielleicht habe es in den letzten Wochen zu viele starke Sätze gegeben, „die sich an der Realität brechen“. Führung bedeute auch, dass die Menschen das Gefühl erhalten, „dass doch so etwas wie ein Konzept hinter den Dingen steckt“. Dass er das vermisse bei Merz, das sagte Nassehi zwar nicht, die Annahme lag aber nahe.

Auch die Journalistin Kerstin Münstermann („Rheinische Post“) stellte eine große Diskrepanz „zwischen dem Wahlkämpfer Merz und dem Kanzler Merz“ fest. Sie habe das Gefühl, dass sich Merz jetzt gar nicht mehr traue, das umzusetzen, was er so markig angekündigt habe.

Im Kanzleramtsminister Frei – der von seiner Rolle einmal sagte, er wolle „kein politischer Eunuch“ sein – wird Merz immerhin einen politischen Sparringspartner und Vertrauten haben, so Frei: „Wir pflegen das offene Gespräch.“ Der Kanzleramtsminister weiter: „Wir reden viel miteinander und er fordert meinen Widerspruch geradezu heraus, um seine eigenen Argumente zu schärfen.“

Keine Schnittmenge mit Linken

Beim Verhältnis zur Linkspartei allerdings hat Frei offenbar eine einst autonome Position dann doch wieder verlassen, um sich dem Parteigefüge unterzuordnen. So hat er in einer Morgensendung von RTL nach der Kanzlerwahl zum Unvereinbarkeitsbeschluss der Union mit der Linkspartei gesagt, man könne darüber reden und man müsse das Wohl des Landes über das Parteieninteresse stellen, aber schon am Nachmittag schränkte er dies wieder ein.

Und auch bei Caren Miosga stellte er sich klar hinter den Unvereinbarkeitsbeschluss, den nur ein Bundesparteitag wieder rückgängig machen könne. „Mir fallen keine Schnittmengen mit der Linkspartei ein“, sagte Frei. Das eine seien ja Fragen der Zusammenarbeit im Bundestag bezüglich der Geschäftsordnung, das andere seien politisch-inhaltliche Fragen. Dass aber die Union für eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag die Linke bereits gebraucht hat – beim zweiten Wahlgang für die Kanzlerwahl am ersten Abstimmungstag – und auch weiterhin brauchen werde, etwa bei der Grundgesetzänderung für eine Reform der Schuldenbremse, darauf wies auch Kerstin Münstermann hin.

Dass die Union sich abgrenze von den Linken, das sei ja okay. Aber dass sie sage, „auf gar keinen Fall mit denen irgendetwas“, das sei „politisch ein bisschen unehrlich“. Denn in Thüringen habe sich CDU-Ministerpräsident Mario Voigt ja bereits von den Linken tolerieren lassen und gegenüber dem ebenfalls „links“ gestrickten „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) habe die Union keine Unvereinbarkeit beschlossen.

Absage an Bärbel Bas

Man sei bei Grundgesetzänderungen auf die Opposition angewiesen, räumte Frei ein, und was die Schuldenbremse anbelange, da solle ja erst einmal eine Expertenkommission einberufen werde, wer da drin sei, müsse noch geklärt werden.

Bei der Umsetzung des Koalitionsvertrages sind also Fragen offen, was aber laut Frei nicht gilt für den Vorschlag von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), die Rentenkasse durch Beiträge von Beamten zu stärken. Ihm erteilte der Kanzleramtsminister eine klare Absage, denn dazu finde sich im Koalitionsvertrag auch „keine Belegstelle“. „Das ist nicht Common Sense in der Koalition.“

Im Übrigen sei es auch kein tragbares Finanzierungsmodell. Denn wer in die Rentenversicherung einzahle, der bekomme äquivalent dazu auch etwas ausgezahlt. Es helfe doch gar nicht, einfach die Basis zu erweitern. Das Grundproblem der Rentenversicherung sei, dass nicht mehr wie in den 60er Jahren sechs Erwerbstätige für einen Rentner aufkommen, sondern rechnerisch 1,5 Erwerbstätige für einen Rentner.

Am Ende der Sendung wurden Tanzszenen aus der immer freitags um 10.30 Uhr stattfindenden Disco-Pause für Mitarbeiter des Konrad-Adenauer-Hauses gezeigt. Freis Erklärung dazu: „Wenn es einem gut geht, kann man gute Beschlüsse fassen.“