Anfrage der Linksfraktion

Mindestlohnbetrug: vor allem Gaststätten sind auffällig

Eine Anfrage der Linken beleuchtet den heiklen Kampf der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in Baden-Württemberg. Das Risiko, beim Mindestlohnbetrug erwischt zu werden, ist gering.

Mindestlohnbetrug: vor allem Gaststätten sind auffällig

Lars Klingbeil (rechts) und Bärbel Bas informieren sich bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit in Duisburg.

Von Matthias Schiermeyer

Schwarzarbeit und Mindestlohnbetrug noch entschiedener zu bekämpfen, hat sich Bundesfinanzminister Lars Klingbeil auf die Fahnen geschrieben. Werbewirksam hat er gemeinsam mit Arbeitsministerin Bärbel Bas (beide SPD) am vorigen Freitag eine Prüfung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) in Duisburg verfolgt.

Wie notwendig es ist, diesen Bereich des Zolls noch schlagkräftiger aufzustellen, um die flächendeckende Einhaltung der Lohnuntergrenze zu garantieren, zeigt auch eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, deren Ergebnisse unserer Zeitung vorliegen. Den Antworten des Bundesfinanzministeriums zufolge sind Kontrollen – rein rechnerisch – extrem selten: Wurde ein Betrieb in Baden-Württemberg im Jahr 2022 im Schnitt alle 62 Jahre kontrolliert, so waren es 2023 alle 74 Jahre und im vorigen Jahr alle 116 Jahre. Zugrunde gelegt werden 6876 Prüfungen in 2022, 5681 Kontrollen in 2023 und 3581 FKS-Visiten in 2024.

Welche Branchen besonders tangiert sind

Abgeleitet von einer wissenschaftlichen Beschäftigtenbefragung, dem sozio-ökonomischen Panel SOEP des Forschungsinstituts DIW, seien 2023 in Deutschland 6,6 Prozent der Beschäftigten (ca. 2,5 Millionen) um den Mindestlohn betrogen worden, so die Linksfraktion. Entsprechend seien mehr als 330 000 Beschäftigte im Südwesten davon betroffen. Die FKS habe 2024 aber lediglich 1447 Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz eingeleitet – weniger als 0,5 Prozent der mutmaßlichen Fälle. Die Zahl der Verfahren habe von 2023 auf 2024 um 369 zugenommen. Es bleibe eine „riesige Dunkelziffer“.

Von den 1447 Verfahren sind einige Branchen besonders betroffen: vor allem das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe mit 842 Verfahren, Friseur- und Kosmetiksalons (191), das Bauhaupt- und Baunebengewerbe (145) und das Personenbeförderungsgewerbe (109). Auch die Gebäudereinigung, die Landwirtschaft, das Elektrohandwerk sowie das Maler- und Lackiererhandwerk wurden in diesem Zusammenhang auffällig.

Verwarnungs- und Bußgelder von 2,4 Millionen Euro

Insgesamt wurden 2024 durch die FKS in Baden-Württemberg wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz Verwarnungs- und Bußgelder sowie Einziehungs- und Verfallbeträge in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro festgesetzt.

Dass nicht mehr kontrolliert werden kann, hängt insbesondere vom Personal ab: In Baden-Württemberg hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (Stand Ende 2024) rund 1200 besetzte Stellen – zuständig seien sie für 414 780 Betriebe und 5,6 Millionen Beschäftigte. Daraus wird abgeleitet, dass auf eine Stelle rechnerisch 347 Betriebe beziehungsweise 4660 Beschäftigte kommen.

Im Hauptzollamt Heilbronn sind es rund 144 Stellen, in Karlsruhe 267, in Lörrach 166, in Singen 135, in Stuttgart 215 und in Ulm 269 Stellen. Allerdings hat in den vergangenen Jahren schon ein Stellenaufwuchs stattgefunden: Ende 2020 waren es noch 887 Stellen im Südwesten insgesamt.

Linke fordert mehr Kontrollen und mehr Personal

„Trotz Millionen Betroffener wird Mindestlohnbetrug in Baden-Württemberg kaum aufgeklärt“, bilanziert die Mitantragstellerin Anne Zerr, Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales und Reutlinger Abgeordnete. Weniger als ein halbes Prozent der mutmaßlich Betroffenen tauche in Verfahren auf – nur ein Viertel dieser Verfahren ende mit einer Strafe. „Wir brauchen mehr Kontrollen, mehr Personal und einen armutsfesten Mindestlohn von 16 Euro von 2026 an.“ Der Fraktionskollege Cem Ince mahnt ein effektiveres Vorgehen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit gegen organisierte Ausbeutung an – eine hohe Prüfdichte sei „auch aufgrund ihrer präventiven Wirkung unerlässlich“. Laut Beschluss der Mindestlohnkommission soll die Untergrenze zum 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro und zum 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro angehoben werden.