Wohntipps vom Stardesigner

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Deckenfluter? Hilfe! Weiße Wände? Laaangweilig! Der renommierte Designer Fabian Freytag sagt, wie man auch kleine Buden zum Leuchten bringt.

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Wohnen als Gesamtkunstwerk – der renommierte Interior Designer Fabian Freytag hat außergewöhnliche Wohnideen.

Von Tomo Pavlovic

Fabian Freytag ist nicht nur einer der bekanntesten Interior Designer Deutschlands, sondern auch ein überaus unterhaltsamer Autor. In „Gently Radical“, erschienen im Callwey-Verlag, behandelt er sein Lebensthema Wohndesign, und das auf eine für seine Berufszunft überaus persönliche und durchaus amüsante Art und Weise. Seine Reisen, seine kulinarischen Vorlieben, seine Alltagsbeobachtungen: Fabian Freytag gibt einen tiefen Einblick in seine Gefühlswelt – und natürlich in seine Arbeit.

Die aufwändige Gestaltung des Buches und nicht wenige Inspirationsquellen von Freytag wirken auf den flüchtigen Blick wie eine Hommage an einen Lifestyle in Saus und Braus, den sich nur wenige leisten können, die gerade ihre Zwei-Zimmer-Mietwohnung in Castrop-Rauxel oder Stuttgart-Zuffenhausen frisch streichen. Was soll man da mit Impressionen aus berühmten Cafés in Saint-Tropez oder mondänen Grand Hotels an der italienischen Riviera schon anfangen?

Gut und günstig

Doch der 41-jährige Designprofi sieht Dinge, die der Laie nicht erkennt. Und das Beste: Er hat unzählige Vorschläge gerade auch für Ottonormalmieter. Eine schöne Einrichtung muss nicht teuer sein.

Die wichtigste Botschaft des gebürtigen Hamburgers, der seit 2012 ein Studio in Berlin betreibt: Das beste Interior Design ist eines, das die Persönlichkeit des Bewohners möglichst deutlich zum Ausdruck bringt. Was aber nicht heißt, dass man nicht einige Regeln beachten sollte. Und zweitens, und das ist vielleicht die aufregendste Nachricht: der viel gepriesene Minimalismus ist für Freytag eben nicht das A und O beim Interior Design, im Gegenteil.

Den Renovierungswilligen wird ein „Basta Minimalismo“ zugerufen! „Jeder, der Architektur studiert hat wird (zumindest in Deutschland) krampfhaft auf eine Art Minimalismus à la Bauhaus getrimmt.

Und wenn Architekten in der Innenarchitektur landen, kann man den Pax-Schrank häufig nicht von einem Tischler-Einbau unterscheiden“, kommentiert Fabian Freytag. „Und ich frage mich, ob es Faulheit oder Angst ist, jedes Bauteil neu zu denken.“ Der Autor ist nicht so faul und gibt seinen Leserinnen und Lesern zahlreiche Hinweise, die tatsächlich praktikabel sind.

Mut zur Farbe

Eine Devise lautet: keine halben Sachen! Das gilt beispielsweise auch für das leidige Thema Schränke. Die Tipps vom Fachmann: Wer kann, sollte mutig sein, der Schrank darf ruhig ein Statement sein, gern zentral im Raum positioniert. Farbenfrohe oder kunstvoll bemalte Schränke fände man auf den üblichen Portalen wie Sand am Meer, schreibt Freytag. Der wiederum kein Fan von Regalsystemen ist, noch weniger von begehbaren Kleiderschränken mit offenen Bereichen. Ordnung muss sein, aber besser hinter einer Tür oder einem Vorhang.

Die Frage nach der passenden Beleuchtung stellen sich viele spät, oft zu spät. Nach dem Streichen und dem Einzug kommt der Lampenschirm als Letztes dran. Womöglich ein Fehler. Wer sich allerdings keinen professionellen Lichtplaner leisten kann, der sollte zumindest auf mehrere Lichtquellen in einem Raum setzen, empfiehlt Fabian Freytag, Stand- und Tischleuchten inklusive. „Viele Lichtquellen schaffen Spannung und Tiefe. Im Gegensatz zur einsamen Deckenleuchte tanzen mehrere Lichtquellen durch den Raum und malen Schattenspiele, die Geschichten einzelner Inszenierungen erzählen.“ Nur eines will Freytag nicht sehen: Deckenfluter mit Lesefunktion, typisch für den Stil in den 90ern.

Ventilator statt zentrale Deckenleuchte

So poetisch wie kritisch geht es gerade weiter, und Freytag macht bei kleinen Räumen kurzen Prozess mit vielen Gewohnheiten. Als erstes sagt der Profi: Raus mit dem zentralen Deckenlicht. 2. Ein Ventilator an der Decke „wirkt Wunder“. 3. Bei Betten das Hotelprinzip anwenden, meint der Designer: Kopfteile müssten nicht verbunden sein. 4. Bei kleinen Fenstern sollen lieber Jalousien für Sicht- und Lichtschutz sorgen. 5. Wände und Decke einfarbig streichen und mit Strukturen versehen!

Und wenn man schon bei kleinen Räumen ist, kann die Toilette nicht fehlen, die oftmals ein eigener Raum ist, so wie der Flur oder ein winziges Bad Auch hier gilt: Es ist ein kleiner Raum, der aufgehübscht werden kann, aber eben nicht nach der minimalistischen Methode. Freytag sagt: „In Miniräumen wie WCs extremer werden und mit Spiegeln, sehr dunklen Farben und starken Mustern spiegeln. Mehr ist mehr. Auch Bäder können mit Bildern wie andere Räume eingerichtet werden und gewinnen an Wohnlichkeit.“

Im Internet findet man Vintage-Schmuckstücke

Bei den Möbeln schließlich gilt es zu investieren: In Vintage-Stücke, Designermöbel, Erbstücke. Wer sich auskennt, profitiert – und ohne Internet geht es gar nicht. Mit dem berühmten Daybed von Le Corbusier kann man jedes Wohnzimmer veredeln, es gibt aber auch andere Designer, die für Verblüffung beim Besuch sorgen.

Freytag empfiehlt folgende Plattformen: Pamono, 1stDibs, Used Design, Kleinanzeigen, Ebay und VNTG. Wer hier nicht fündig wird oder nicht mutig genug ist, muss wieder mal zu Ikea und Co. und redet sich mit dem skandinavischen Stil aus der Affäre.

Info

Buch Fabian Freytag: Gently Radical. Interior Design 2024. 224 Seiten, 250 Abbildungen, Callwey Verlag, 59,95 Euro.

 

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Tipp von Fabian Freytag: Kopfteil und Bettgestell getrennt denken und einrichten. Dazu klare, farbenfrohe Kontraste, auch im Schlafzimmer.

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Kein Zweifel: Fotos und Bilder sind für Fabian Freytag eine Pflichtübung.

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Wertige Materialien bei den Arbeitsplatten und mutige Farben bei den Möbeln . . . es muss nicht immer eine weiße Küche sein.

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Je kleiner der Raum, desto dunkler kann die Farbgebung und Ausstattung sein.

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Statt Deckenleuchte ein Ventilator. Und dafür eine dezentrale Beleuchtung.

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Die Decke kann in kleinen Räumen gern mal Farbe abbekommen.

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Ein Flur wie ein begehbares Kunstwerk.

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Auf die Details kommt es an. Und man kann den Spiegel auch mal um die Ecke bauen . . .

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Strukturierte Wände sind mehr als nur Wände. Sie werden plötzlich sichtbar.

Minimalismus? Einrichtungsstil für Feiglinge!

Bodenlange Jalousien können Atmosphäre .