Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach: 13 Jahre Haft

Von Von Bernadette Winter, dpa

dpa Wiesbaden. Bundesweit sorgt der Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach für Entsetzen. Im Herbst 2019 entdecken Ermittler bei einem Familienvater kinderpornografisches Material, das er mit anderen geteilt hat. Einer der Männer ist nun zu einer langen Haftstrafe verurteilt worden.

Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach: 13 Jahre Haft

Der Angeklagte (M) sitzt in Handschellen im Gerichtssaal des Landgerichts neben seinem Anwalt, und verbirgt sein Gesicht. Foto: Sascha Steinbach/epa/Pool/dpa

Patrick F. betritt den externen Gerichtssaal des Landgerichts Wiesbaden, ohne sein Gesicht zu verdecken. Der Angeklagte im Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach trägt wie schon zum Prozessauftakt ein weinrotes Hemd, eine dunkle Hose und einen weißen Mund-Nasen-Schutz.

Das Wiesbadener Landgericht verhängt am Montag 13 Jahre Freiheitsstrafe gegen den 39-Jährigen. Außerdem ordnet es die anschließende Unterbringung des Mannes in der Sicherungsverwahrung an. Er wird unter anderem wegen über 50 Fällen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs sowie wegen Besitzes, Herstellung und der bandenmäßigen Verbreitung kinderpornografischer Schriften verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft hatte in der Anklage Patrick F. 291 Taten zwischen Januar 2014 und Oktober 2019 angelastet. Dem Deutschen aus Hessen war unter anderem vorgeworfen worden, seine Kinder, darunter ein Säugling und ein Stiefkind, sexuell missbraucht und Bilder der Taten über Chatgruppen verschickt zu haben. Das Gericht folgt mit seiner Strafe weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die 13 Jahre und sechs Monate Haft gefordert hatte.

Den Worten der Vorsitzenden Richterin folgt Patrick F. ruhig. Die Arme vor sich verschränkt, richtet er den Blick starr auf den Boden. Für die anschließende Urteilsbegründung müssen Journalisten und Zuschauer den Saal verlassen. Schon die Verhandlung zuvor hatte zum Schutz der Opfer unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden.

Sein Mandant sei geschockt über das Urteil, sagte Verteidiger Rechtsanwalt Oliver Baars nach Ende der Urteilsbegründung. Ob er dagegen vorgehen wolle, sei noch nicht sicher. Baars hatte eine Haftstrafe von acht Jahren gefordert. „Mein Mandant hat von Beginn an umfassend und vollumfänglich mitgearbeitet“, sagte Baars. Patrick F. sei zudem sehr an einer Therapie interessiert.

Die Ermittlungen zu dem Missbrauchskomplex waren nach Durchsuchungen bei einem 43 Jahre alten Familienvater im nordrhein-westfälischen Bergisch Gladbach im Herbst 2019 ins Rollen gekommen. Polizisten hatten bei dem Koch und Hotelfachmann nicht nur riesige Mengen kinderpornografischen Materials gefunden, sie stießen darüber hinaus auch auf digitale Kontakte zu anderen Männern.

Der jetzt verurteilte 39-Jährige sei sich in den Chats sehr sicher gewesen, nicht entdeckt zu werden und habe teilweise Angaben gemacht, die dank intensiver Ermittlungen auf seine Spur geführt hätten, erklärte Benjamin Krause, Oberstaatsanwalt bei der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main.

Der Fall sei enorm wichtig für die ZIT, es sei ein besonders schwerwiegender Fall, sagte Krause. In den Gruppen und Chats habe es jedoch nicht einen Chef oder Administrator gegeben, vielmehr habe jeder der Täter ein eigenes, einzelnes Netzwerk gehabt. „Das macht es für uns auch besonders schwierig.“

Noch immer verfolgen Ermittler Spuren in Foren, Gruppenchats und Messenger-Diensten zu Tausenden möglichen Verdächtigen. Auch eine Handvoll Kontaktpartner des verurteilten 39-Jährigen seien identifiziert, gegen sie seien getrennte Verfahren eingeleitet worden, berichtete Krause.

Der 43-Jährige aus Bergisch Gladbach, dessen Wohnort zum Namensgeber des Komplexes wurde, war Anfang Oktober zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Zudem ordnete das Kölner Landgericht wie auch im Wiesbadener Fall die anschließende Unterbringung des Mannes in der Sicherungsverwahrung an.

Der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, forderte zusätzliches Personal für Polizei und Justiz, um solche Missbrauchsfälle aufarbeiten zu können. „Noch immer harren tausende Datenträger der Auswertung, weil das Personal fehlt“, sagte er dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND/Dienstag).

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