Mit dem Charme einer Studentenkneipe

Nachtleben in alten Zeiten (4) Die Bäbbede in Backnang wird ab 1981 schnell zum Kultlokal. Das liegt an Konzerten von Bands wie Opus, die als Pur später große Hallen füllt, an der urgemütlichen Einrichtung und an den vielen Spielmöglichkeiten. 2008 ist Schluss, es rechnet sich nicht mehr.

Mit dem Charme einer Studentenkneipe

Zum 20. Geburtstag der Bäbbede im Jahr 2003 war die Kneipe brechend voll, an den Weihnachtstagen sah es stets so ähnlich aus. Foto: privat

Von Steffen Grün

BACKNANG. „Ein Verlust für die Kneipenvielfalt“, lautete die Überschrift des Artikels in unserer Zeitung am Dienstag, 5. August 2008, mit dem das Ende der Bäbbede angekündigt wurde. Am Samstag darauf öffnete sich die knarzende Holztür des Kultlokals in der Gartenstraße 153 tatsächlich zum letzten Mal und es wurde ein rauschendes Abschiedsfest. Allen Gästen bleibt der Charme einer Studentenkneipe aber unvergessen.

Für den sorgten beispielsweise die abgewetzten, aber gerade deshalb urgemütlichen Sofas. Oder die rustikalen Barhocker und die lange, von den dauernd auf sie donnernden Würfelbechern lädierte Theke mit den tiefen Kerben. Und nicht zuletzt die Möglichkeiten zum Zeitvertreib rund um die Tische, an denen gequatscht, getrunken und damals noch ungeniert geraucht wurde. Es gab zwei Billardtische, eine Dartscheibe, einen Tischkicker und viele Gesellschaftsspiele. Kurzum: Für viele junge und jung gebliebene Leute war die Bäbbede das zweite Wohnzimmer.

„Es war der Zwischenstopp auf dem Weg vom Büro nach Hause“, sagt Gudula Arndt, die von einer Kollegin mitgeschleppt wurde, als sie Mitte der 90er-Jahre hergezogen war. Aus Tübingen und damit aus einer echten Universitätsstadt, weshalb ihr Urteil besonderes Gewicht hat: „Die Bäbbede wäre auch in Tübingen voll gewesen. Sie war mit den dortigen Studentenkneipen absolut vergleichbar.“ Eine Erfolgsgeschichte also, die am 26. September 1981 ihren Anfang nahm. Jörg Siegel war der erste Betreiber und hinter dem Tresen zapfte ein junger Mann, der als Pächter ab dem 1. Januar 1983 vom gelernten Blumen- und Zierpflanzengärtner zum Vollzeitwirt wurde: Günter Fritz, stets tatkräftig unterstützt von seiner damaligen Freundin und späteren Frau Bettina „Betsi“ Fritz-Bartl. Das Duo hielt am Namen der Kneipe fest, den sie der einst im Gebäude ansässigen Kunstlederfabrik Feuchter verdankt. „Die Herstellung war eine sehr klebrige Angelegenheit“, erläutert Günter Fritz. Oder auf gut Schwäbisch: Es war „bäbbig“.

Für ein Magazin zählte die Bäbbede zu den urigsten Kneipen rund um Stuttgart

Anfangs war der Felsenkeller, der später als Lager diente, eine Partyzone. „Was da Feste gelaufen sind...“, erinnert sich der Kneipier und lacht: „Wir haben ihn trotzdem schnell dicht gemacht. Es war ziemlich feucht dort unten, daher war der WKD nicht so begeistert.“ Der Wirtschaftskontrolldienst, der die Hygiene in der Gastronomie checkte, hatte in der Bäbbede sonst nie etwas zu kritteln, denn auch ohne ausgeprägten Putzfimmel gehörte Sauberkeit in den wesentlichen Bereichen zu den Prinzipien von Günter Fritz. Und sonst, etwa mit Blick auf die bunte Gästeschar? „Jeder darf reinkommen, wenn er sich anständig benimmt. Es gibt Lokalverbot für jeden, der Gewalt anwendet oder illegale Drogen einschleppen will.“ Der allergrößte Teil sei total okay gewesen, sagt der 66-Jährige, „aber ein paar Stinkbeutel sind immer dabei“. Wichtig war ihm auch, dass die Öffnungszeiten gelten, selbst wenn der Laden vorübergehend sogar leer ist. Nicht selten las Günter Fritz hinter der Theke mutterseelenalleine ein Buch und legte es erst zur Seite, wenn mitten in der Nacht plötzlich doch noch ein Gast auf ein Bierchen eintrudelte.

Für ein Fachmagazin aus der Region gehörte die Bäbbede zu den urigsten Kneipen rund um Stuttgart, bis 1995 war sie auch ein Veranstaltungsort mit bestem Ruf. Kabarettisten wie Dietrich Kittner, Uli Keuler und Vis a Vis mit Bernd Kohlhepp und Klaus Birk traten auf, vor allem lockten aber Konzerte die Besucher aus nah und fern an. Unter anderem blieb Günter Fritz der erste Auftritt der insgesamt dreimal gastierenden Blueslegende Louisiana Red in besonderer Erinnerung: „Wir hatten 220 zahlende Gäste plus 30 Leute aus dem Bandumfeld. In einer Sardinenbüchse ist es komfortabel dagegen.“ Das hielt das Wirtspaar nicht vom gewohnten Service ab: „Wir haben trotzdem noch bedient. Mit dem Tablett über dem Kopf.“

Werbung wurde ganz bewusst sehr zurückhaltend gemacht

Auf einen bestimmten Musikstil war die Kneipe nicht fixiert. Quartetto spielte Beethoven, Bach und Vivaldi mit drei E-Gitarren und E-Bass. Das Häns’che-Weiss-Trio glänzte mit Gypsy-Jazz vom Feinsten, obwohl der Namensgeber aus familiären Gründen urplötzlich abreiste und mit Martin Weiss und Vali Mayer nur noch ein Duo auf der Bühne stand. Und dann war da Opus um Hartmut Engler, längst viel besser bekannt als Pur. „In der Bäbbede spielt eine Gruppe aus Bietigheim, die hören wir uns mal an“, habe ein Kumpel gesagt, so Elke Heinle aus Althütte. Sie höre von Klassik bis Hardrock alles, aber die Softrocker hätten ihr „auch gut gefallen, sonst hätte ich in der Pause keine Opus-LP gekauft. Es war proppenvoll und stickig, die Leute waren aber gut gelaunt. Es herrschte tolle Stimmung“, erinnert sich Elke Heinle. Wie so oft in der Bäbbede und auch, als Pur schon Hallen füllte und trotzdem nochmals vorbeischaute. „Wir haben bewusst zurückhaltend Werbung gemacht“, berichtet Günter Fritz. Ein Plakat in der Kneipe, fertig.

Nach etwa 350 Veranstaltungen war Mitte der 1990er-Jahre weitestgehend Schluss. „Wir hatten bis dahin etwa 250000 Mark draufgelegt“, verrät der Wirt, warum Konzerte fortan die Ausnahme waren. Das Regal war mit über 400 CDs aber üppig bestückt. Auch deshalb kamen die Gäste weiterhin – wie Gudula Arndt. Sie und ihre Freundinnen und Freunde bedienten sich bei den Gesellschaftsspielen „gleich vorne links in einem kleinen Regal. Wir sind selten einfach dagesessen, haben meistens etwas gespielt.“ Oftmals auch mit den Wirtsleuten selbst.

„Ab Januar 2008 haben wir nur noch rote Zahlen geschrieben, nachdem es sich vorher noch einigermaßen getragen hatte“, erklärt Günter Fritz, warum er und seine Frau die Reißleine zogen und zumachten: „Das war der einzige Grund, wir konnten es uns einfach nicht mehr leisten.“ Nach gut 25 Jahren als Pächter, in denen die Bäbbede (abgesehen von zwei Ruhetagen in den letzten Monaten) immer nur an Silvester und Neujahr sowie über das Straßenfest geschlossen war. An Weihnachten, sogar an Heiligabend, war die Bude dagegen brechend voll. Wäre das in der Spätphase auch sonst öfter so gewesen, „hätten wir sicherlich weitergemacht. War der Laden gut besucht und alles ist gut gelaufen, hat es immer Freude gemacht. Es war eine schöne Zeit.“ An diesem Fazit ändert auch nichts, dass einige Bierdeckel, auf denen Gäste anschreiben ließen, nie beglichen wurden. „Ich habe sie weggeschmissen und bewusst nicht zusammengezählt“, sagt Günter Fritz und grämt sich nicht. Er hat es abgehakt und verdient seine Brötchen seit 2008 mit Garten- und Grabpflegearbeiten.

Mit dem Charme einer Studentenkneipe

Die Bäbbede in der Gartenstraße empfing ihre Gäste auch draußen unter der Pergola.Foto: privat

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