Mit den Selbstständigen fühlt er mit

Zusammenführen und zusammenhalten sind für Roland Stümke wichtige Werte, beruflich wie privat. Als Parteifreier tritt er bei der OB-Wahl in seiner Heimatstadt an. Städtischer Wohnraum ist sein Thema Nummer eins. Ein Stadtrundgang mit Flyerverteilen.

Mit den Selbstständigen fühlt er mit

Unter anderem mit dem Verteilen von 15000 Flyern macht der Immobilienberater Roland Stümke, bis vor Kurzem Mitglieder der Partei „Die Linke“, auf seine Positionen im OB-Wahlkampf aufmerksam. Beim Rundgang in der Innenstadt liegen viele Wahlkampfthemen auf dem Weg. Foto: J. Fiedler

Von Nicola Scharpf

BACKNANG. Team Stümke kommt an einem eisigkalten Samstagnachmittag, als der Wochenmarkt gerade vorüber ist und Stille in die Stadt einkehrt, am Backnanger Stadtturm zusammen. Kurze Lagebesprechung. Dann schwärmt Ehefrau Yvonne Stümke mit Tochter Daria (22 Jahre) zum Austragen der Wahlkampfflyer ihres Mannes Roland in ein innenstadtnahes Wohngebiet aus. Die andere Tochter, Ronja (19 Jahre), übernimmt zusammen mit ihrem Freund den Stadtteil Maubach. Und der OB-Kandidat selbst bekommt aus dem Einkaufskorb, den seine Frau dabei hat, zwei Packen der insgesamt 15000 gedruckten Klappkarten in die Hand gedrückt. Gemeinsam mit seinem Freund Axel Podleschak, den er von Kindesbeinen an kennt, schiebt Stümke Flyer um Flyer in die Briefkästen der Innenstadtbewohner. Wichtige Wahlkampfthemen und persönliche Stationen liegen dabei auf dem Weg.

Einer der ersten Flyer landet im Briefkasten vom Lokal „Zur Uhr“, Roland Stümkes Lieblingskneipe. Innen bleibt das nicht unbemerkt und Christos, Sohn von Wirtsehepaar Dimitrios und Despina Siasiakis, kommt vor die Tür. Freudige Begrüßung. „Wir kennen uns seit 36 Jahren“, erklärt Stümke. Sein Gegenüber sagt, er dürfe bei der OB-Wahl seine Stimme nicht abgeben, weil sein Hauptwohnsitz nicht Backnang ist, und außer Stümke würde er keinen der OB-Kandidaten kennen. Sieht es Stümke als Vorteil, in Backnang bekannt zu sein, wo er aufgewachsen und verwurzelt ist und nach einer Kleinaspacher Unterbrechung seit vielen Jahren wieder lebt? „Vielleicht.“ Im Wahlkampfterminkalender stehen ein Videodreh für die Backnanger Gruppe von Fridays for Future, Gespräche mit den Freifunkern, dem Juze, dem Stadtjugendring, zwei Podiumsdiskussionen, Posts auf Facebook und Instagram, Mund-zu-Mund-Propaganda, Gespräche mit Bürgern, wenn sie den Kontakt zu ihm aufnehmen. „Mehr geht zeitlich und wegen Corona nicht.“

Flyer einwerfend geht’s den Ölberg hinab. Dass er das an einem Samstagnachmittag erledigen könne, habe mit der Pandemie zu tun. Die Musterhausausstellung in Fellbach, wo Stümke seit zwei Jahren als angestellter Seniorfachberater für die Firma Albert-Haus tätig ist, hat normalerweise von Mittwoch bis Sonntag geöffnet. Sie habe jetzt zwar auch geöffnet, aber Interessenten bekämen nur auf Einladung Einlass. Seine Beratungstermine könne er dadurch flexibel steuern – dann bleibt der Nachmittag eben terminfrei fürs Flyerverteilen. Stümke hat Jura studiert, ohne bestandenes Staatsexamen. Er ist gelernter Bankkaufmann und hat sich zum Bankfachwirt weitergebildet. Unter anderem hat er bei der Sparkasse in der Rechtsabteilung gearbeitet und nicht mehr zahlungsfähige Kunden betreut. „Ich würde es Abwicklung nennen.“ Nach einer Phase als angestellter Immobilienberater war er fünf Jahre lang mit der Firma Immobilien Stümke selbstständig. „Es ist nicht gut für die Nerven“, gesteht er. Dann habe er mit ein oder zwei Projekten Pech gehabt. Die Familie musste ihr Haus in Kleinaspach aufgeben. „Wir hatten schon viele schwierige Zeiten. Deshalb ist mir der Familienzusammenhalt so wichtig.“ Deshalb könne er auch mit den Selbstständigen – Einzelhändlern, Gastronomen, Soloselbstständigen – in der momentanen Lage sehr mitfühlen. „Ich weiß, wie es ist, um die Existenz zu fürchten“, sagt er, inzwischen in der Unteren Marktstraße angekommen. „So ist es halt im Leben, es ändert sich mal.“

An Silvester hat er sich zur Kandidatur entschieden.

Dass seine drei Kinder beruflich weiterkommen, ist ihm wichtig. „Nicht zur Bundeswehr und nicht zur Bank ist meine Bedingung gewesen.“ Sie haben sich daran gehalten: Stümkes Sohn Daniel (25 Jahre) studiert an der TU München, die Töchter machen Ausbildungen zur Justiz- und zur Rechtsanwaltfachangestellten. Umgekehrt hat sich Stümke, der Mitte Januar aus der Partei „Die Linke“ ausgetreten ist, auch auf Anraten seiner Kinder zur Kandidatur für das Amt des OB entschlossen. „An Silvester ist die Entscheidung gefallen, sehr spontan, jetzt oder nie.“ Mit welchem Wahlergebnis er zufrieden wäre? „Ich will Oberbürgermeister werden, sonst hätte ich mich nicht beworben.“ Wenn es nicht klappt? „Dann muss ich mich nicht über den Bürgermeister ärgern, den ich nicht versucht habe zu verhindern. Wenn du nicht mitmachst, darfst du dich im Nachhinein auch nicht ärgern.“

Nach einer Runde durch den Biegel geht es die Eduard-Breuninger-Straße hinauf, vorbei an der großen Baustelle der Kronenhöfe. „Es soll ja Wohnungen für alle geben“, spricht Stümke dem Bauvorhaben seine Daseinsberechtigung zwar nicht ab. „Aber die sozial Schwachen fallen hinten runter.“ Sein Wahlkampfthema Nummer eins ist, gefolgt von der nachhaltigen, wirtschaftlichen Stadtentwicklung und dem sozialen, interkulturellen Zusammenhalt, das Schaffen städtischen Wohnraums. „Dieses Elend, dass Mieter keine Wohnung finden, das ist schlimm.“ Eine bezahlbare, lebenswürdige Unterkunft sollte jedem Mitbürger zustehen, findet er. Backnang wäre mit dem Eigenbetrieb der Städtischen Wohnbau Backnang GmbH gut aufgestellt, wenn der Neubau städtischer Wohnungen in den letzten Jahrzehnten nicht vernachlässigt worden wäre. „Da muss nachgebessert werden.“

Es sind die Hilfsbedürftigen, deren Unterstützung Stümke wichtig ist. Laut seinem Wahlprogramm möchte er sich zum Beispiel dafür einsetzen, dass auch Obdachlose mit Hund eine nächtliche Bleibe finden. „Das hört sich vielleicht witzig an, ist aber ernst gemeint. Es hat mit Würde zu tun.“ Er, der sich selbst als Freidenker bezeichnet, höre oft, er sei ein Antiimmobilienmakler, weil er die gängigen Klischees dieses Berufsstands, der allzu oft nicht verantwortungsbewusst ausgeübt werde, nicht bediene. „Darüber freue ich mich.“ Als Verkäufer habe er gelernt, die Leute dort abzuholen, wo sie stehen. „Wenn du jung bist, glaubst du zu wissen, was die Leute wollen. Das ist das Dümmste, was du machen kannst.“ Die Reset-Taste sei wichtig: Neutral sein, zuhören, die Menschen nach ihren Vorstellungen fragen. Als OB wolle er konträre Meinungen zusammenführen. „Dafür brauche ich keine Verwaltungserfahrung.“ Eine ausgetüftelte Strategie für die verbleibende Zeit des Wahlkampfs hat Stümke nicht. „Ich bin, wie ich bin.“

Nun ist der Bahnhof in Sichtweite, wo Yvonne Stümke ihren Mann am Parkplatz erwartet. Die Menschen mit Sanktionen vom Auto abzubringen, hält Stümke für den falschen Weg. Er setzt auf alternative Verkehrskonzepte, einen reibungslosen Verkehrsfluss, kostengünstige Parkmöglichkeiten, kostenlose und sichere Fahrradabstellplätze. „Ich bin immer viel Fahrrad gefahren, weil ich frei sein und mich nicht nach den Fahrplänen von öffentlichen Verkehrsmitteln richten wollte.“ Sein Jugendfahrrad hat Stümke noch, ebenso wie die Lederjacke, die aus der Zeit seiner Ausbildung stammt. Auf vier Rädern ist er in einem Mercedes W124 unterwegs, der bald ein H-Kennzeichen bekommt. „Wenn eine Sache lange hebt, das freut mich. Ich stehe auf Qualität und Langlebigkeit.“

Mit den Selbstständigen fühlt er mit