Mit Django am Krankenbett

Pflegebranche hat neue Ideen zum Anwerben von Azubis

Von Rüdiger Bäßler

Fachkräfte - Seit Kurzem wirbt die Pflegebranche mit neuen Ansätzen um Auszubildende und Wiedereinsteiger. Krankenhäuser und Kommunen in Baden-Württemberg setzen dabei stark auf Emotionen.

Stuttgart Ein bettlägeriger Herr sieht verlorenen Schneeflocken nach, die vor dem Fenster fallen. Eine Pflegerin erkennt den Schmerz. Da steigt sie ins Auto, fährt los und kommt mit einem Schneeball zurück. Der Herr greift ihn überrascht, lächelt, die Geste bedeutet ihm in diesem Moment alles. Den Film „Mehr als ein Beruf“, der zum Jahreswechsel in deutschen Kinos lief, hatte das Bundesgesundheitsministerium bei der Werbeagentur Scholz & Friends in Auftrag gegeben, er regte auf eine neue Weise die Emotionen an. Andrea Kiefer, die Vorsitzende des Pflegerats Baden-Württemberg, hält solche neuen Formen der Werbung für überfällig. „Nett, hilfsbereit, immer da“, das seien bisher die geläufigen Attribute für Pflegekräfte gewesen. Jetzt gelte: „Wir müssen den Beruf anders darstellen als bisher.“

Ein Trend ist in Gang, angestoßen von der Bundesregierung. Deutschlandweit sind dem Statistischen Bundesamt zufolge 3,4 Millionen Menschen auf Pflege angewiesen, rund 400 000 davon leben in Baden-Württemberg. Die Zahlen steigen. Seit Jahresbeginn gelten neue Regeln in der Kranken- und Altenpflege. Rund 13 000 neue Stellen will Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schaffen. Und die Imagewerbung soll griffiger werden. In Baden-Württemberg finden sich bereits viele Nachahmer.

Zum Beispiel an der Universitätsklinik Freiburg. Zum Jahreswechsel guckten von Plakaten, die an Haltestellen und Bahnhöfen hingen, eine Frau und zwei Männer, die im richtigen Leben Pflegeberufen nachgehen, mit fast gefährlichem Blick in die Welt. Mitten auf dem Plakat prangt der Satz in roten Lettern: „Die Unglaublichen brauchen nur noch dich.“ Cineasten wussten sofort, welche Werbung hier nachgestellt war: der Film „Django unchained“ von Quentin Tarantino. Weitere, ähnliche Plakate sollten folgen, kündigt die Klinikleitung an.

„Man muss schauen: Wie ticken junge Menschen? Wo bewegen sie sich?“, sagt der Freiburger Pflegedirektor Helmut Schiffer. „Man muss sich wegbewegen von den herkömmlichen Bildern des Krankenhausbetriebs.“ Auch mit auf den Boden gedruckten „Groundpostern“ haben die Freiburger experimentiert. Alles sei Teil eines forcierten „Bewerbermanagements“. In den Freiburger Straßenbahnen sollen junge Leute bald vermehrt Angebote für die Ausbildung in der Pflege auf ihre Smartphones bekommen.

Bei der Uniklinik Heidelberg mit ihren rund 50 Fachabteilungen und rund 12 000 Beschäftigten heißt die aktuelle Kampagne für die Pflegeberufe „Du wirst wachsen“. Der Pflegedirektor Edgar Reisch ließ eine Roadshow mit bedruckten Lastwagen und einem digitalen Infocube entwerfen. Der Tross reiste im vergangenen Dezember nach Serbien und Bosnien-Herzegowina – und kam mit 147 neuen Arbeitsverträgen zurück. Ohne Osteuropa, sagt die Pflegeratschefin Andrea Kiefer, gehe es in Deutschland wohl nicht, doch man müsse aufpassen: „Wenn ich dort Menschen abwerbe, reiße ich ja dort eine Lücke.“ Pflegenotstände gebe es auch in ärmeren Ländern. Die Uniklinik Freiburg hat zuletzt zunehmend Pflegekräfte aus Kolumbien, Brasilien und von den Philippinen angeworben.

Die Unikliniken in Tübingen und Ulm haben ihren Aufwand ebenfalls stark erhöht, sie setzen aber auf Bewährtes. „Wir gehen in Tübingen nach wie vor den klassischen Weg“, sagt eine Tübinger Sprecherin. Die Werbeklaviatur besteht aus Schulkooperationen, dem Besuch von Ausbildungsmessen oder dem Anbieten von Praktikums- und FSJ-Stellen. Die Pfleger als Kleinverdiener – auch gegen dieses Bild gelte es anzugehen, sagt der Freiburger Pflegedirektor Schiffer. „Ich kann mit einem Hauptschulabschluss beginnen, aber auch Pflegewissenschaft studieren, einen Bachelor- oder Masterabschluss machen.“ Auch gebe es eine Professur für ­Pflegewissenschaft: „Hier können Pflegende auch promovieren.“

Alles hänge davon ab, sagt Andrea Kiefer, dass die schönen Werbeversprechen im Alltag eingelöst würden. Dazu gehörten für sie verlässliche Dienstpläne, für die es mehr Personal brauche. Die Zukunft hängt für sie von flexiblen Arbeitszeitmodellen ab, die Fachkräften nach der Familienphase den Wiedereinstieg erleichtern.