Mit Miraculix in die Streuobst-Zukunft

Der mit dem Namen des Druiden, Erfinders von Zaubertränken und Hüter der gallischen Weisheit geschmückte Förderantrag des Schwäbischen Mostviertels wird vom Land bewilligt. Ein „Integriertes ländliches Entwicklungskonzept“ soll erstellt werden.

Mit Miraculix in die Streuobst-Zukunft

Machen sich für den Erhalt der Streuobstwiesen stark (von links): Ian Schölzel, Stefan Setzer und Gerd Holzwarth. Hier beim Pressetermin auf einer Streuobstwiese bei Heiningen. Fotos: A. Becher, privat

Von Ingrid Knack

BACKNANG. Vieles haben die Kommunen Allmersbach im Tal, Aspach, Auenwald, Backnang und Weissach im Tal, die 2015 zusammen mit weiteren öffentlichen und privaten Akteuren den Verein Schwäbisches Mostviertel gegründet haben, bereits auf den Weg gebracht. Eines der bisher realisierten öffentlichkeitswirksamsten Projekte ist der rund 85 Kilometer umfassende, gemeindeübergreifende Rundweg „s‘‘Äpple“. Bei allen Aktionen des Mostviertels steht der Erhalt der durch viele Streuobstwiesen geprägten Kulturlandschaft in der Backnanger Bucht im Vordergrund. Dieser bringt nicht nur Arbeit in den Streuobstwiesen, sondern auch viel Genuss mit sich – zum Beispiel in Form einer Mostviertel-Genussrolle mit erlesenen Streuobstspezialitäten. „Die interkommunale Zusammenarbeit unterstreicht die Bedeutung des Themas“, sagt Weissachs Bürgermeister Ian Schölzel, der auch Vorsitzender des Vereins Schwäbisches Mostviertel ist, bei einem Vorort-Termin auf einer Streuobstwiese bei Backnang-Heiningen.

Die Mostviertelkommunen können und wollen sich auf Erreichtem nicht ausruhen. Immer wieder neue, aber auch altbekannte Dauer-Herausforderungen wie die Mistelbekämpfung gilt es anzugehen und obendrein junge Menschen für das Mostviertel-Anliegen zu begeistern – für diese wird das Thema Streuobstwiese auch später aktuell sein. Bei alledem gilt es, wohlüberlegt und strukturiert vorzugehen.

Deshalb ließ der Mostviertel-Verein vom Büro Neuland plus einen mit dem Namen Miraculix geschmückten Förderantrag in Sachen „Integriertes ländliches Entwicklungskonzept“ (Ilek) formulieren. Der Antrag wurde an das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg (LGL) gestellt, wie Gerd Holzwarth, Dezernent für Forst, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Vermessung beim Landratsamt Rems-Murr sowie Leiter des Amts für Vermessung und Flurneuordnung wissen lässt. Im Raum standen die Kosten von 23500 Euro, die für das weitere Vorgehen benötigt werden. 75 Prozent davon können bewilligt werden. Das Schwäbische Mostviertel erhielt nun die Zusage für den höchstmöglichen Zuschlag. Die Zuwendung beläuft sich auf 17500 Euro. Jetzt kann eine Beraterfirma beauftragt werden, die „von außen draufschaut, was man noch entwickeln kann“, so Holzwarth. Da es aber sowohl bei den Antragsbearbeitungen als auch bei der Weiterentwicklung der Mostviertel-Pläne wegen Corona zu Verzögerungen gekommen ist, sollen in diesem Jahr zunächst 50 Prozent der Summe und im nächsten Jahr die restlichen 50 Prozent abgerufen werden.

Auch so manches Vorhaben kann derzeit gar nicht realisiert werden. Das Virus machte dem Mostviertel-Verein etwa bei seinen Plänen für ein „Apfeljahr 2020“ einen Strich durch die Rechnung, wie Backnangs Stadtbaudezernent Stefan Setzer und stellvertretender Mostviertel-Vorsitzender ausführt. „Wenn es stattfindet, dann erst 2021. Das müssen wir gemeinsam mit den Kommunen und den Akteuren besprechen.“

Dass die Mostviertel-Macher Miraculix mit ins Boot genommen haben, zeigt ihren unumstößlichen Willen, mit Elan und Humor auch Probleme anzugehen. Große Sorgen machen den Kulturlandschaft-Hütern die Misteln. Holzwarth: „Wir müssen kurzfristig Antworten finden. Wenn wir ihnen keinen Einhalt gebieten, haben wir bald keine Streuobstwiesen mehr.“ Und dies, obwohl unter anderen Obst- und Gartenbauvereine sich bereits für die Bekämpfung des Schmarotzers eingesetzt haben. Mit einer goldenen Sichel Mistelzweige abzuschneiden und ihnen dadurch magische Kräfte zu verleihen, wie dies Miraculix praktiziert, ist indes leider keine Lösung.

Flurneuordnungen sind geplant.

Was das Mostviertel im Blick hat, geht allerdings weit über das Mistel-Problem hinaus. Einer von vielen Aspekten ist die Flurneuordnung (hier wird ein erhöhter Fördersatz in Aussicht gestellt). Dabei gilt es, die Träger öffentlicher Belange, die Bürger und Interessenvertreter wie Naturschutzverbände und Vereine zu beteiligen. Die dann ausgewählte Beraterfirma soll in der konzeptionellen Phase die Moderation übernehmen.

Wie die Strategien und Projekte umgesetzt werden können, haben die Kommunen Lauffen am Neckar, Kirchheim am Neckar, Bönnigheim, Walheim, Gemmrigheim, Hessigheim, Mundelsheim, Ingersheim, Freiberg am Neckar und Benningen am Neckar vorgemacht, wie Ian Schölzel berichtet. Sie erarbeiteten zwischen 2015 und 2017 für ihre Region an den Neckarschleifen ein ebensolches integriertes ländliches Entwicklungskonzept. Dort geht es um den landschaftsprägenden Steillagenweinbau an den Hängen des Neckartals. Nach dem Projektzeitraum schlossen sich die Gemeinden zu einem Regionalmanagement zusammen. Mit dem Ziel, die interkommunalen Projekte weiter zu betreiben und umzusetzen. Auch ein Regionalmanager kann eingebunden werden. Und nicht unerhebliche Fördergelder könnten fließen. Schölzel: „Für Kommunen ist dies eine große Chance.“

Die Mostviertel-Kommunen beschäftigen sich überdies mit Wertschöpfungsketten und Wertschätzung. In diesem Zusammenhang machen sie sich zum einen Gedanken beispielsweise über Vermarktungsstrategien von regionalen Streuobsterzeugnissen, Marketing, Produktentwicklungen und Qualitätskriterien, zum anderen über Tourismus. Setzer fasst dies alles in einem Satz so zusammen: Ziel sei es, Natur und Landschaftsschutz mit Tourismus zu verbinden und Wertschöpfung zu generieren. „Da darf man sich aber keine Wunderdinge erwarten. Nach fünf bis sieben Jahren haben wir bestenfalls Strukturen geschaffen.“ Das aktive Dabeisein, indem man in der Streuobstwiese mit anpacke, sei das eine. Ein Bewusstsein zu schaffen für die Produkte das andere, so Setzer. Holzwarth erklärt: „Das Ilek richtet sich an alle, die an dem Thema Interesse haben.“ Und in puncto Wirtschaftlichkeit gibt es auch diese Idee: Die Erzeugung von Bio-Streuobst. Bei dem ganzen Prozedere kann das Mostviertel weiterhelfen.

Mit Miraculix in die Streuobst-Zukunft

Die Mistel ist landauf landab zur Plage geworden: Die Pflanze, entzieht ihrem Wirtsbaum Wasser und Nährstoffe.

Entwicklungskonzept

Mit „Integrierten ländlichen Entwicklungskonzepten“ (Ilek) können gemeindeübergreifende flächenbezogene Entwicklungspotenziale dargestellt und analysiert werden. Dadurch lassen sich künftige Planungen, Investitionen und Förderungen besser aufeinander abstimmen. Kooperationen zwischen Gemeinden werden angeregt und gemeinsame Entwicklungen und Projekte wie Flurneuordnungen initiiert.

In interkommunaler Zusammenarbeit geben mehrere benachbarte Gemeinden gemeinsam ein Ilek bei einem geeigneten Planungsbüro in Auftrag. Zur Finanzierung des Ilek kann beim Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung ein Zuschuss beantragt werden. Zuschüsse können bis zu einer Höhe von 75 Prozent der Kosten gewährt werden.

Ein Ilek soll insbesondere Vertreter von Gemeinden, Behörden, Verbänden, Organisationen und Bürger einbeziehen.