Die Universität Heidelberg spricht von einem spektakulären archäologischen Fund. Es sind die ersten großen Götterdarstellungen aus dem assyrischen Ninive im heutigen Irak.
Rekonstruktion von Ninive, Hauptstadt des neuassyrischen Reiches.
Von Markus Brauer
Bei Ausgrabungen im Irak haben Forscher der Universität Heidelberg einen nach eigener Aussage spektakulären Fund gemacht: Im Thronsaal des Nordpalasts des assyrischen Königs Assurbanipal (Aššur-bāni-apli, Herrscher des neuassyrischen Reiches von 668 bis 627 v. Chr.) in der antiken Metropole Ninive haben die Archäologen große Teile eines monumentalen Reliefs entdeckt, das den Herrscher in Begleitung zweier bedeutender Gottheiten sowie weiterer Figuren zeigt.
Erste entdeckte Darstellung großer Gottheiten
Das Relief war auf einer mächtigen Steinplatte von fünfeinhalb Metern Länge und drei Metern Höhe angebracht, die ein Gewicht von rund zwölf Tonnen aufweist. Der Fund sei nicht nur wegen seiner Größe außergewöhnlich, sondern auch hinsichtlich ihres Bildprogramms.
„Unter den zahlreichen Reliefdarstellungen assyrischer Paläste, die uns bekannt sind, gibt es keine Darstellung der großen Gottheiten“, erklärt . Aaron Schmitt vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Vorderasiatische Archäologie, der die Ausgrabungen im Nordpalast leitet.
Heidelberger Grabungsarbeiten im antiken Ninive
Die antike Stadt Ninive, die sich im Bereich der heutigen irakischen Stadt Mossul befand, gilt als eine der wichtigsten Städte Mesopotamiens und entwickelte sich im späten achten Jahrhundert v. Chr. unter König Sanherib (705-680) zur Hauptstadt des assyrischen Weltreichs.
Aaron Schmitt und sein Team forschen seit dem Jahr 2022 auf dem Kuyunjik-Hügel im Kernbereich des von König Assurbanipal errichteten Nordpalastes. Die Ausgrabungen sind Teil des 2018 gestarteten Heidelberger Ninive-Projekts unter Leitung von Stefan Maul, Wissenschaftler am Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients der Universität Heidelberg.
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatten britische Forscher erstmals den Nordpalast des antiken Ninive untersucht und dabei großformatige Reliefs und Monumentalstatuen entdeckt, die heute im British Museum in London ausgestellt sind.
König Assurbanipal , flankiert von Gott Assur und Stadtgöttin Ištar
Im Zentrum des jetzt entdeckten Reliefs ist König Assurbanipal dargestellt, der letzte große Herrscher des assyrischen Reichs. Flankiert wird er von zwei hohen Gottheiten: dem Gott Assur und der Stadtgöttin von Ninive namens Ištar.
Hinter diesen folgen jeweils ein Fisch-Genius, der den Göttern und dem Herrscher Heil und Leben spendet, sowie eine Stützfigur mit erhobenen Armen, die vermutlich einen Skorpionmensch illustriert. „Diese Figuren lassen darauf schließen, dass ursprünglich über dem Relief eine riesige geflügelte Sonnenscheibe angebracht war“, erläutert Aaron Schmitt.
Relief stand am Eingang zum Thronsaal
Das Relief stand ursprünglich, so Schmitt, in einer Wandnische gegenüber dem Haupteingang zum Thronsaal – also am wichtigsten Ort des Palasts. Die Reliefbruchstücke haben die Heidelberger Forscher in einer mit Erde gefüllten Grube hinter dieser Nische entdeckt. Sie ist vermutlich in hellenistischer Zeit im dritten oder zweiten Jahrhundert v. Chr. angelegt worden.
„Dass die Fragmente vergraben waren, ist sicherlich mit ein Grund dafür, warum die britischen Archäologen sie vor etwas mehr als hundert Jahren nicht fanden“, vermutet Schmitt. In Absprache mit der staatlichen Antikenverwaltung des Irak (SBAH) ist geplant, das Relief wieder an der originalen Stelle zu platzieren und für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
2700 Jahre alte Gottheit-Skulptur aus Chorsabad
Im Oktober 2023 hatten Archäologen in der Nähe von Mossul bereits eine 18 Tonne schwere Riesenskulptur aus assyrischer Zeit ausgegraben. Bewohner hatten den Koloss vor IS-Terroristen versteckt. Die 3,8 mal 3,9 Meter große und weitgehend unversehrte Skulptur stellt eine assyrische Gottheit dar.
Die 2700 Jahre alte Skulptur stand als symbolischer Schutz vor den Toren der antiken Stadt Chorsabad, die etwa 15 Kilometer nördlich der heutigen Metropole Mossul liegt. Sie stellt den assyrischen Schutzdämon Lamassu dar – ein geflügelter Stier mit menschlichem Kopf.
Stiermonumente zum Schutz vor Schaden
Im Neuassyrischen Reich (883–612 v. Chr.) wurden große Stiermonumente, oft mit Flügeln und immer mit Menschenköpfen, als Torwächter oft mit fünf Beinen an den Eingängen von Königspalästen wie Chorsabad und Ninive aufgestellt. Sie hatten eine das Übel abwehrende Funktion.
In einem Text findet sich die Zauberformel „Möge der gute šêdu zu meiner Linken und der gute Lamassu zu meiner Rechten gehen“. Lamassus kennt man auch von den Palästen der persischen Könige.