Mord in Berlin verursacht diplomatische Krise mit Moskau

dpa Berlin. Es klingt wie ein Thriller, ist aber ein Stück Wirklichkeit: Ein toter Georgier in Berlin, ein mutmaßlicher Auftragskiller, mögliche Verwicklungen Russlands. In dieser Geschichte steckt viel Zündstoff für die deutsch-russischen Beziehungen.

Mord in Berlin verursacht diplomatische Krise mit Moskau

Der georgische Staatsangehörige war im August in einem Park in Berlin erschossen worden. Foto: Paul Zinken/dpa

Der mutmaßliche Auftragsmord an einem Georgier in Berlin hat eine diplomatische Krise zwischen Deutschland und Russland ausgelöst. Die Bundesanwaltschaft ermittelt und spricht von einer staatsschutzspezifischen Tat von besonderer Bedeutung.

Es gebe einen mutmaßlich politischen Hintergrund, teilte die Behörde am Mittwoch in Karlsruhe mit. Die Ermittler verfolgen den Anfangsverdacht, dass staatliche Stellen in Russland oder der Teilrepublik Tschetschenien dahinterstecken. Die Bundesregierung reagierte prompt und wies zwei russische Diplomaten aus. Russland kündigte daraufhin an, ebenfalls Schritte einzuleiten.

Am 23. August war ein 40 Jahre alter Georgier in einem kleinen Park in Berlin-Moabit von hinten erschossen worden. Sein Mörder hatte sich ihm am helllichten Tag auf einem Fahrrad genähert und auf Rücken und Kopf gezielt. Der mutmaßliche Täter, ein 49 Jahre alter Mann mit russischem Pass, wurde kurz nach der Tat gefasst. Seit seiner Festnahme schweigt er.

„Anhaltspunkte dafür, dass die Tat im Auftrag eines nichtstaatlichen Akteurs erfolgt ist, liegen bislang nicht vor“, heißt es in der Mitteilung der Bundesanwaltschaft. „Die Ermittlungen haben auch keinerlei Hinweise auf eine wie auch immer geartete Verbindung zwischen dem Beschuldigten und dem Tatopfer, geschweige denn für ein persönliches Motiv des Beschuldigten, ergeben. Bezüge der Tat zur organisierten Kriminalität oder zum Phänomenbereich des islamistischen Terrorismus liegen ebenfalls nicht vor.“

Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte am Mittwoch zwei russische Diplomaten zu unerwünschten Personen. Nach dpa-Informationen aus deutschen Regierungskreisen haben die Diplomaten nun sieben Tage Zeit, um Deutschland zu verlassen. Die Bundesregierung zieht mit der Ausweisung kurz vor dem Ukraine-Gipfel am Montag (9. Dezember) in Paris mit Kremlchef Wladimir Putin und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Konsequenzen aus einer möglichen Verstrickung des russischen Geheimdienstes in den Fall.

Aus dem russischen Außenministerium hieß es der staatlichen Agentur Tass zufolge, Moskau sehe sich gezwungen, auf die Ausweisung der Diplomaten zu reagieren. Das Vorgehen Deutschlands sei unfreundlich und unbegründet. Eine Antwort werde nicht lange auf sich warten lassen, sagte Außenminister Sergej Lawrow in Sotschi am Schwarzen Meer der Agentur Interfax zufolge. Welche Schritte Moskau konkret einleiten will und wann, ließ er offen. „Wir sind besonnene Menschen und werden erst einmal prüfen, was uns überhaupt zur Last gelegt wird“, sagte der Chefdiplomat.

Merkel kritisierte Russland wegen fehlender Unterstützung bei der Aufklärung des Mordes deutlich. „In den bilateralen Beziehungen ist es natürlich schon ein Ereignis, dass wir eben von Russland leider keine aktive Hilfe bei der Aufklärung dieses Vorfalls bekommen haben“, sagte sie am Rande des Nato-Gipfels in Watford. Auswirkungen auf den bevorstehenden Ukraine-Gipfel sehe sie aber nicht. „Ich glaube nicht, dass dadurch das Normandie-Treffen belastet ist, hier geht es um die Ukraine.“ Auch Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte, die Entwicklung in dem Mordfall solle den Gipfel nicht überschatten.

Wegen des Verdachts, dass staatliche Stellen in Russland oder in der Teilrepublik Tschetschenien den Mord in Auftrag gegeben haben, übernahm am Mittwoch die Bundesanwaltschaft den Fall. Ein Sprecher der russischen Regierung hatte wenige Tage nach der Tat jede Verbindung bestritten. Der Generalbundesanwalt erklärte, das Opfer sei von russischen Behörden als Terrorist eingestuft und als solcher verfolgt worden. Ihm sei vorgeworfen worden, Mitglied der terroristischen Vereinigung „Kaukasisches Emirat“ gewesen zu sein.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte, bei einem Verbrechen dieser Bedeutung und mit diesem Hintergrund könne er dem Generalbundesanwalt nur danken, dass er das Verfahren an sich gezogen habe. „Das sagt ja etwas über die Bedeutung dieses Verbrechens, auch was den politischen Hintergrund angeht“, fügte er hinzu. In der Bundesregierung liefen zur Zeit Gespräche darüber, welche weiteren Folgerungen daraus zu ziehen seien.

Wenn es den konkreten Verdacht gibt, dass der Geheimdienst einer fremden Macht hinter einer Tat steht, ist die Bundesanwaltschaft zuständig. Dann wird in Karlsruhe die Spionage-Abteilung tätig. Hintergrund ist, dass „geheimdienstliche Agententätigkeit“ die äußere Sicherheit Deutschlands gefährden könnte. Die Ermittler teilten mit, es gebe keine Hinweise darauf, dass der Beschuldigte sein späteres Ofer „zum Zwecke der Durchführung des Anschlags selbst ausgespäht oder selbst die Tat vor Ort logistisch vorbereitet hatte“.

Das Mordopfer soll nach Angaben der Behörde Anfang der 2000er-Jahre auf der Seite muslimischer Tschetschenen gegen Russland gekämpft haben. Auf den Mann habe es im Mai 2015 in der georgischen Hauptstadt Tiflis schon einmal einen Mordanschlag gegeben, den er verletzt überlebte.