Mord-Prozess gegen „Todespfleger“ startet

dpa München. Insulin kann Leben retten - und als Überdosis tödlich sein. Ein Hilfspfleger soll mit Insulinspritzen sechs Menschen getötet haben, die er eigentlich pflegen sollte. Die Tatorte verteilen sich quer durch Deutschland. Nun startet der Mordprozess gegen ihn.

Mord-Prozess gegen „Todespfleger“ startet

Eine Statue der Justitia hält eine Waage in ihrer Hand. Foto: David Ebener/Archiv

Der Fall weckt Erinnerungen an den Patientenmörder Niels Högel: Vor dem Landgericht München I beginnt an diesem Dienstag (26. November, 9.30 Uhr) der Prozess gegen einen polnischen Hilfspfleger wegen sechsfachen Mordes und dreifachen versuchten Mordes. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 38 Jahre alten Mann vor, er habe seinen pflegebedürftigen Patienten an verschiedenen Tatorten in Deutschland Insulin gespritzt, das als Überdosis tödlich sein kann. Er soll über das Medikament verfügt haben, weil er - im Gegensatz zu seinen Opfern - Diabetiker ist.

Die Morde soll der Mann - Medien nennen auch ihn einen „Todespfleger“ - laut Anklage quer durch Deutschland begangen haben: In den bayerischen Orten Ottobrunn, Eckenthal und Wiesenbronn ebenso wie in Hannover, im schleswig-holsteinischen Burg und in Spaichingen in Baden-Württemberg. Versuchte Morde werden ihm angelastet in Mülheim an der Ruhr, in Esslingen und in Weilheim in Oberbayern.

Die Anklage geht von Heimtücke, Habgier und niedrigen Beweggründen aus. Neben den sechs Mordfällen sind drei Fälle des versuchten Mordes angeklagt und drei Fälle von gefährlicher Körperverletzung. Zusätzlich wirft die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten Raub und Diebstahl vor. Er soll beispielsweise so profane Dinge wie Wein, Waschmittel, Toilettenpapier und Klobürsten gestohlen haben.

Die Ermittler waren auf den Fall aufmerksam geworden, als sie im Februar 2018 den Tod eines 87-Jährigen aus Ottobrunn bei München aufklären wollten. Bei der Obduktion hatten die Rechtsmediziner unter anderem eine frische Einstichstelle bemerkt. Laut Ermittlern wurde der Hilfspfleger zuerst als Zeuge vernommen. Später wurden eine Spritze, Insulin und Wertgegenstände des Opfers bei ihm entdeckt. Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft.

Der Fall hatte bundesweites Aufsehen erregt, als die Ermittler ihren Verdacht publik machten. Der Mann war seit 2008 als ungelernte Pflegehilfskraft unter anderem in England und an 69 Orten in Deutschland tätig gewesen. Um seine Patienten rund um die Uhr zu betreuen, zog er bei ihnen ein.

Der Prozess erinnert an den spektakulären Fall des Patientenmörders Niels Högel, der im vergangenen Jahr vom Landgericht Oldenburg wegen Mordes in 85 Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Das Münchner Gericht hat bis Ende Mai 2020 insgesamt 39 Verhandlungstage angesetzt.